Verhängnisvoller Flintenschuss Brand von Niederehe 1740

Hubert Ritzen, Stadtkyll

Niederehe, 28. August 1740, nachmittags zwei Uhr, Hektik und Aufregung im Dorf Niederehe. Die Behausung des Wilhelm Docter steht in hellen Flammen und reißt weitere acht Häuser mit Scheunen und Stallungen ins Verderben. Es handelte sich um die Anwesen des Niclas Schimmels, Servatius Lentzen, Hans Zirvoß, Johannes Schnorren-berg, Christian Blumenthal, das Haus des Kuhhirten sowie zwei unbewohnte Behausungen.

Niederehe gehörte zum Kerpischen Hof im Herzogtum Arenberg. Wir wären heute wahrscheinlich wenig über diesen Brand informiert, hätte es sich beim Hof des Wilhelm Docter nicht um einen herzoglichen Erbpachthof gehandelt. Somit ergaben sich beim Neuaufbau finanzielle Probleme und herzogliche Anweisungen für den Hofpächter. Der seit 1593 in Erbpacht befindliche Hof war ein gemauertes Haus mit einem Pferde- und Kuhstall sowie einer angebauten Scheune. Da in dem Erbpachthof das Schadenfeuer seinen Anfang genommen hatte, schickte die herzogliche Regierung am 1. September 1740 den Landschultheißen Pranghe nebst Landschreiber Spruncker nach Niederehe zwecks Untersuchung »über den Ursprung und Umstand dieses Brandes«. Durch Zeugenbefragung sollte die genaue Brandursache und ein mögliches Verschulden des Erbpächters Docter geklärt werden. Der Angeschuldigte gab in Anwesenheit der anderen Brandgeschädigten zu Protokoll, dass er zusammen mit den Brüdern Gilles und Peter Bontz, den Brüdern Bernhard und Matthias Schmitz sowie Jacob Proeß in der Küche am Feuer gesessen hätten. Das Feuer habe jedenfalls, so Docter, nicht im Schornstein seinen Anfang genommen, was die genannten Personen auch bestätigten konnten. Doch dann stellte sich die wahre Brandursache heraus: Wie Gilles Bontz erklärte, habe ein junger Soldat eine Flinte genommen, um während der Vesper zu schießen. Da es sich um den 28. August handelte, dem Tag des hl. Augustinus, dem Patron des Niedereher Klosters, liegt die Vermutung nahe, dass es üblich war, während der feierlichen Vesper Salut zu schießen. Solche Schießereien bei Prozessionen, Kirchweihfesten und Feiertagen wurden erst später wegen Brandgefahr offiziell verboten. Jedenfalls hatte nach Aussage des Gilles Bontz am Vormittag das Pulver der Flinte nicht losbrennen wollen. Aus diesem Grund habe der Soldat die Flinte nochmals ausprobieren wollen.

Der Zeuge Antonius Lamprichs hatte in der Nähe Niederehes die Schafe gehütet und einen Schuss vernommen. Daraufhin habe man »um hülff geruffen, ohne zu wissen von weme, undt gleich darauff gesehen, dass dass fewr in deß Wilhelm Docterß Scheuren auffgangen seye, so er eydtlich bedauren könte«. Zu diesem Vorkommnis befragte Landschultheiß Pranghe den Wilhelm Docter, der folgendes antwortete:»... er könnte ... nicht sagen, alß daß daß fewr durch einen Flintenschuß, so Johanneß Bontzen anjetzo im Jüllischen Militairdiensten stehet verrichtet habe, und eben beurlaubt geweßen, einßmahl seine freundschafft heim zu suchen, worüber der Umstandt dan-noch ehrlich vorgeben will, daß erß nicht fürsetzlich ge-than haben soll...« Handelte es sich bei diesem Soldaten womöglich um den Bruder der Bontz Brüder? Die Antwort auf diese Frage kann die Akte nicht geben. Jedenfalls wollten die Brandgeschädigten den Wilhelm Docter nicht beschuldigen, ein vager Vorwurf, er hätte dem Soldaten folgen sollen, blieb bestehen. Hierzu befragt, äußerte sich Docter, Bontz habe gegen seinen Wille die Flinte ergriffen. Falls dieser die Schuld zugesprochen bekäme, sei von ihm finanziell nichts zu erwarten. Er sei arm, und seine Mutter gehe mit den Kindern betteln. Für seine Person »thete >er< einzig allein ... geheimen Rath fußfällig bitten, einige Jahr nachlass ahn Grund- undt Hofpfacht umblags und wachtgeldern und sonsten eine beliebige Beysteuer zu ba-wen, da sie sonsten wegen ar-muth und Verderben nicht im Stand wären, sie zu ergreiffen und new gebew ahnzuschaffen«.

Mit dieser Bitte schloss die Vernehmung, aber noch nicht die Akte. In einem späteren Schreiben baten die Brandgeschädigten die herzogliche Regierung »mit gebogenen Knien« um Befreiung der Herrengeldzahlungen für einige Jahre. Der arenbergische Statthalter Pin de la Borde stellte im Antwortschreiben vom 9. Dezember 1740 zwar keine Befreiung der Herrengefälle in Aussicht, aber eine Minderung. Er fragte offiziell an, ob und welcher Nachlass in gleichen Fällen zu geschehen pflege und wie hoch die Neubaukosten des Erblehnhofes taxiert würden. Weil der Brand durch das Schießen, das durch das Kloster veranlasst worden war, entstanden sei, sollte das Kloster zu einer Beisteuer ermahnt werden. Der Antwortbrief des Landschultheißen Pranghe vom 11. Dezember 1740 hatte folgenden Wortlaut: »Hierüber ist der umbständlich pflichtmäßige Bericht, dass bey dergleichen Unglücksfällen, wie annoch vor drey Jahren zu Brück im Schultheisenamt Dreyß geschehen, den Brandbeschädigten allein zwey Jahr in denen gewöhnlichen umb-lagsgeldern, welche aber Kurtrierische excepto Kerpischer Unterthanen geweßen, Remission angedeyen, von denen gewöhnlichen hochfürstlichen Hertzogl. Arenbergischen Gefallen aber nichts bonificirt worden ist, hingegen wäre nach Aussag der Rentmeisterin Molers vor etwa 9 oder 10 Jahren« zu Gei-lenfeld (=Gillenfeld, d. Verf.) ein brand entstanden, woheselbsten anhero keine umb-lagsgelder zahlen, seyend den Beschädigten die Grund-pfachten allein 3 Jahr nachgesehen worden. Anlangend Wilhelm Docter mit brandgeschädigter Erbpfächter hat diesen nachmittag sich vor mir dahin erklahret, willig zu seyn auf eine dem Erbpfächti-gen Gut zugehörigen Platz ein newes Hauß... erbawen, und die platz, wohe daß ver-brandtes Hauß gestanden, zum garten oder pesch, welche dem Erbpfächtergut verbleiben sollen.

Wegen ersterem post (=Punkt, d. Verf.) ist mein unmaßgebige Meinung, dass demselben weniger (=wenigstens, d. Verf.) drey Jahr umblagsgel-dern nachgesehen werden, auch dieselben wegen mir sonderlich bekannter armuth die grundpfachten ex miseri-cordia (=Mitleid, d. Verf.) auf drey Jahr remittirt werden können...«

Der arenbergische Vorschlag, an das Kloster heranzutreten, wurde von Pranghe zwar begrüßt, er bat aber, sich mit einem persönlichen Brief oder in anderer »Manier« an den Prior zu wenden. Zum »guten« Schluss gewährte die Arenberger Kanzlei im Schreiben vom 2. Januar, 1741 den Brandgeschädigten Docter, Schimmels, Schnorrenberg, Blumenthal und Zirvoß eine Befreiung der Grundpacht für ein Jahr und für drei Jahre eine Ermäßigung. Ebenso entsprach die Kanzlei der Bitte, Wilhelm Docter, den Hof neu aufbauen zu lassen und anstelle des verbrannten Hauses einen Garten anzulegen.

Quellenangabe:

Herzog Arenbergisches Archiv Edingen: Brand zu Niederehe 1740. Aktennummer: D 4299