Jahrtausendwechsel

1900 - Jahrhundertwechsel in Daun

- Zeitbilder aus dem Jubiläumsjahr -

Friedbert Wißkirchen, Daun

Das Jahrtausend-Problem

Das »Millennium«, wie so schön auf Neudeutsch der Jahrtausendwechsel genannt wird, bringt derzeit die Verantwortlichen von Banken, Behörden, Institutionen und privaten Computerbesitzern ins Schwitzen. Um Speicherkapazitäten zu sparen, hatten die Hersteller von Computerprogrammen auf vierstellige Jahreszahlen verzichtet und immer nur die letzten beiden Jahreszahlen (z. B. 99 für 1999) in der Datumsangabe verwendet. Weil viele Computerprogramme am Jahreswechsel die »00« anstatt 2000 auch als das Jahr 1990 annehmen, sind Fehlreaktionen und der Zusammenbruch von Rechnern in allen Lebensbereichen nicht ausgeschlossen. Geldautomaten, elektronische Kassen können streiken, Daten von Bürgern verändert und Bankguthaben falsch berechnet werden. Fieberhaft wird an Lösungen gearbeitet, ja sogar der Vorschlag gemacht, am 31. 12. 1999, kurz vor 24.00 Uhr, Computer und computergesteuerte Anlagen abzuschalten. Die holländische Fluggesellschaft KLM will am 1. 1. 2000 kein Flugzeug starten lassen. Viele Menschen machen sich schon heute Gedanken, wie sie den Start ins Jahr 2000 gestalten sollen; Angebote gibt es in Hülle und Fülle, manche sind sogar schon jetzt ausgebucht. Ein Jahrhundertwechsel ist ja auch wirklich ein Grund zum Feiern. So dachten unsere Vorfahren vor 100 Jahren auch.

Die Jahrhundertfeier 1900 an der Volksschule Daun

Am 13. Dezember 1899 erreichte das Rundschreiben des Preußischen Ministers für Geistliches, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten die Volksschule Daun mit der Aufforderung, den »am 1. Januar 1900 bevorstehenden Jahrhundertwechsel in feierlicher Weise« zu begehen. Es wurde bestimmt: »An allen Lehr- und Erziehungsanstalten ist am letzten Schultage vor den bevorstehenden Weihnachtsferien Schülern und Schülerinnen in einem festlichen Akte unter Hinweis auf die Bedeutsamkeit der nächsten Jahreswende ein Rückblick auf die größten Ereignisse des zu Ende gehenden Jahrhunderts zu geben...«.

Am 23. 12. 1899 fand vormittags um 10.00 Uhr im Knabenschulsaal der damals dreiklassigen Volksschule Daun in Anwesenheit des Kreisschulinspektors Gürten und Ortsschulinspektors Pfarrer Schäfer, aller Lehrpersonen und Schulkinder die Feier statt.

»Als Ausdruck des Dankes und des Lobes gegen Gott« sang der Schulchor einleitend: »Lobt hoch den Herrn«. Das Programm gestaltete sich wie folgt:

- Gedicht: »Das alte und das neue Jahrhundert« von Viktor Baur

- Lied: »Harre meine Seele«

- Gedicht: »Zum Jahrhundertwechsel«

- Lied: »Mein Deutschland steht so stolz und groß«

- Ansprache: Lehrer Becker, von der Knaben-Oberklasse

- Kaiserhoch und Nationalhymne

- Hinweis auf den Wechsel der Zeit, die Vergänglichkeit allen Irdischen.

- Lied: Wo findet die Seele die Heimat, die Ruh?

In seiner Ansprache ging Lehrer Becker auf das seltene Ereignis eines Jahrhundertwechsels ein. Das 19. Jahrhundert habe wie keines in der Vergangenheit die besondere Aufmerksamkeit verdient. Es könne als Jahrhundert des Dampfes, der Elektrizität, des Fortschrittes und der Kultur bezeichnet werden. Besonders die großartigen Erfindungen des 19. Jahrhunderts wie die Dampfmaschine, die Dampfschiffe, die Eisenbahn, der elektromagnetische Telegraf (= Telefon), die Photografie, die elektrischen Maschinen und Eisenbahnen, das Zweirad und das elektrische Licht stellte der Redner heraus. Natürlich durfte der patriotische Teil der Ansprache, das hohe Lob auf Kaiser und König und die Stärke und Bedeutung Deutschlands in der Welt, nicht fehlen. Die Kinder waren wohl - wie auch heute - froh, als Lehrer Becker geendet hatte und sie nach Abschluss der Feier in die Weihnachtsferien konnten. In den Schulen Pützborn, Schalkenmehren und Demerath wurde der Jahrhundertwechsel nicht begangen oder zumindest nicht in der Schulchronik vermerkt.

Kaisergeburtstag 1900

Das neue Jahrhundert hatte gerade begonnen, da standen die Feierlichkeiten zum Kaisergeburtstag an. Wie in allen Schulen, wurde auch in der Dauner Volksschule der Geburtstag des Kaisers mit patriotischen Gedichten und Liedern begangen. Aber auch die Lehrerschaft des Kreises traf sich am 22. Januar 1900 nach einem Festgottesdienst zur Festversammlung im Saale des Hotels Schramm. Mit Orchesterklängen, Chören der Lehrer und Schulkinder, Ansprachen und einem gemeinsamen Mittagsmahl im Viktoriasaal des Hotels wurde der Geburtstag würdig begangen. Bis in den Abend hinein dauerten die Feierlichkeiten, die auch vor zahlreichen Zuhörern aus der Bürgerschaft stattfanden. Die Dauner »Honoratioren« hatten sich im Hotel Hommes zu einem Festessen versammelt, an dem 56 Personen teilnahmen. Landrat von Ehrenberg hielt die Festansprache und zahlreiche Trinksprüche auf Kaiser und Vaterland. Im Gasthaus Gandner waren 25 Teilnehmer zu einem Festessen zusammen gekommen. Das »Kaiserhoch« wurde von dem Kriegsveteran Heinrich Blonigen ausgebracht. Der Dauner Kriegerverein hatte - wie jedes Jahr - im Saale Manderscheid am Vorabend eine Festversammlung und am Geburtstag des Kaisers den Festball veranstaltet. Aber auch der 18. Geburtstag und damit die Volljährigkeit des Kronprinzen am 6. Mai 1900 war erneut ein Grund zum Feiern. Die Schulkinder sangen zum Schluss: »Der Kaiser ist ein lieber Mann«.

Blitz- und Hagelschlag im Jubiläumsjahr

Die 28jährige Helene Schildgen aus Daun, war am 1. Juni 1900 mit ihrer schon alten Mutter in den Distrikt »Hunert« gegangen, um Kraut für das Vieh zu suchen. Am Nachmittag, gegen 17.00 Uhr, zog ein Gewitter auf. Die beiden Frauen machten sich eilig auf den Heimweg. Helene eilte ihrer Mutter schon einige Schritte voraus, als ein Blitzschlag sie ereilte und tödlich verletzte. Ihre nur wenige Schritte folgende Mutter wurde vom Blitz zu Boden geschleudert, kam aber mit dem Schrecken davon. Der Männergesangverein feierte am 15. und 16. Juli 1900 sein 50jähriges Bestehen mit einem großen Fest in den Anlagen des Wehrbüschs. Gesangvereine aus Bonn, Bitburg, Gerolstein und benachbarten Orten und die Dauner Bevölkerung in großer Anzahl waren auf dem Festplatz versammelt. Als der Vorsitzende Dr. Schramm mit seiner Festrede gerade begonnen hatte, fing es an zu donnern und zu blitzen, begleitet von Hagelschauern »wie Daun sie seit Menschengedenken nicht gesehen« hatte. Die Hagelkörner waren so groß wie Vogeleier und darüber und bedeckten am Abend noch die »Rasenplätze so zahlreich, dass man sie mit vollen Händen« aufheben konnte. »Innerhalb von l 1/2 Stunden ging eine Regenmenge von 46,5 Millimeter nieder.«

Beschlüsse des Dauner Gemeinderates

Gleich zu Beginn des Jahres stimmt der Gemeinderat unter dem Vorsitz des Gemeindevorstehers Pantenburg der Einrichtung einer 4. Schulklasse zu. Der Antrag der Lehrerschaft, die Gehälter zu erhöhen, wird hingegen abgelehnt. Einen breiten Raum nimmt die Verbesserung der Wasserversorgung im Städtchen Daun ein. Der Geologe Gebhardt aus Braunschweig wird am 15. Januar mit der Suche neuer Wasserquellen beauftragt. Der Gemeinderat beauftragt im Verlaufe des Jahres den Techniker Schiffmann, Mülheim/Mosel, die Quellen »Klingelborn« (Waldkönigen), »Rumpelsborn« (Dockweiler), »Schlierbach« (Steinborn) einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Die Grundstücksankäufe für die Anlegung eines Fußweges und der Brücke über die Lieser (Eselsbrücke) werden genehmigt. In den Bürgermeistereirat (heute: Verbandsgemeinderat) wird Anton Minninger gewählt; im Oktober kommt Sanitätsrat Dr. Schramm als weiteres Mitglied hinzu. Der Gemeinderat stimmt der Übernahme der durch den Eisenbahnbau Daun-Mayen neu angelegten und verlegten Wegen zu. Im Volksschulgebäude war auch das Amtsgericht untergebracht; die Gemeinde kündigt dem »Justizfiskus« die Mieträume, beschließt gleichzeitig eine Neuvermietung zu besseren Mietpreisen. Am »Hotzendrees« wird eine Schutzhütte errichtet und dafür ein Kredit von 75 Mark zur Verfügung gestellt. Weitere sechs Kram- und Viehmärkte zu den bereits bestehenden 12 Markttagen beantragt der Gemeinderat mit Hinweis auf die zahlreichen Markttage in Wittlich, Adenau und Mayen. Auch vor 100 Jahren waren die Sorgen der Menschen vielfältig. Es gab Unglücke und Unwetter, der Gemeinderat hatte sich mit zahlreichen Problemen zu befassen. Nur eines ist sicher - 1900 hatten die Menschen noch Zeit, das Miteinander zu pflegen, für einander da zu sein. Hoffen wir, dass auch das neue Jahrtausend bei uns die Einsicht wachsen lässt, dass nicht nur Computer, Autos, Flugzeuge immer schneller werden, sondern wir auch die durch Technik und Fortschritt gewonnene freie Zeit zum sinnvollen Miteinander nutzen. Wir können via Internet über Kontinente hinweg miteinander Kontakte knüpfen, fast zum Nulltarif per Handy telefonieren; das Gespräch mit der Familie, dem Freund, dem Nachbarn, ist ohne zwischengeschaltetes Medium auch im Zeitalter des Jahres 2000 möglich, sinnvoll und notwendig. Daran sollten wir vielleicht beim Feuerwerk und Feiern zur Jahrtausendwende denken.

Quellen:

Schulchronik der Volksschule

Daun

Beschlussbuch der Gemeinde

Daun

1900

Neunzehnhundert! Eine hehre Alpenhöhe ist erreicht!

- Fern ein Glanz vom ew'gen Meere Sich dem Bild des Wand'rers zeigt.

Horch! in mitternächt'ger Stunde Hebt ein Glockbrausen an. Mit der feierlichen Kunde: Ein Jahrundertjahr verrann!

Und der Wand'rer schaut vom hehren Alpengipfel hoch empor,

Den Allmächtigen zu ehren, Ihn, den preist der Sterne Chor.

Viel Licht hat er uns gegeben Im Jahrhundert, das entflieht -Immer reicher ward das Leben, Immer neuen Glanz man sieht!

Doch für Herz und für Gemüthe Brauchen wir mehr Licht, mehr Licht! - Lass darum, Du Gott voll Güte, Leuchten uns dein Angesicht!