Ein Jahrtausend

und kein weiteres mehr

Ist der Aberglaube ausgestorben?

Alois Mayer, Daun

Das Jahr 2000 steht vor der Tür. Mit ihm Milliarden Menschen, die »modern und aufgeschlossen« in ein neues Jahrtausend gehen, Jahre, die zunehmend vertechnisiert und digitalisiert werden, die die letzten Geheimnisse sichtbarer und unsichtbarer Welten entschlüsseln und erklären. Menschen, die angeblich so rationell, logisch und vernunftbetont leben, denen niemand mehr ein X für ein U vormachen kann. Eine Zeit, die frei von Aberglauben sein müsste, eine Zeit, die nur sachlichen Vernunftgründen offen steht, sollte man meinen.

Als die griechisch-römischen Überlieferungen und die germanische Religionswelt mit dem Christentum zusammentrafen, wurden die antiken Götter im Volksglauben zu Teufeln und Dämonen umgebildet. Die Kirche bekämpfte zunächst solche Vorstellungen. Konzilsbeschlüsse vom 4. Jahrhundert an und später die Akten der Inquisition und Hexenprozesse sind Quellen für die Auseinandersetzung des Christentums mit dem Zauber- und Aberglauben. Dennoch konnte nicht verhindert werden, dass überkommene heidnische Vorstellungen und Gebräuche vom Volksglauben oft in enge Beziehung zu christlichem Glaubensgut und christlicher Glaubenspraxis gebracht wurden, schließlich selbst die Theologie der mittelalterlichen Kirche nachhaltig beeinflussten. Aber nicht nur das Bewahren heidnischer Gebräuche und Glaubensmeinungen innerhalb des Christentums ist als Aberglaube anzusehen. Oft lehnt dieser sich gerade an den christlichen Glauben an. Zeichen der christlichen Symbolik dienen als magische Mittel zur Abwehr dämonischer Kräfte, zum Beispiel das Kreuzzeichen, Palmzweige, Weihwasser. Das christliche Gebet wird zur Beschwörungsformel (das Rückwärtsbeten des Vaterunsers soll Krankheiten »zurückgehen« lassen; das - Verbeten von Krankheiten bei Mensch und Tier), die Konsekrationsworte bei der Messe (»hoc est corpus meum«: »das ist mein Leib«) werden zur Zauberformel schlechthin (Hokuspokus). Mit dem Fortschreiten reiner Wissenschaftsgläubigkeit erscheint mehr und mehr eine vernunftmäßige und kausale Erklärung der Welt in ihrer natürlichen und geschichtlichen Gegebenheit. Und dennoch begegnet einem vielerorts Aberglaube. Sciencefiction und Mysterie- Serien im Fernsehen haben Hochkonjunktur. Gurus und Weissager scheffeln Geld. Der Schein-Glaube (= Aberglaube) lebt. Hellseher, Astrologen, Pendler und Rutengänger beraten und behandeln. Maskottchen und Unglückstage bedeuten vielen Menschen mehr, als sie offen zuzugeben bereit sind. Den Widerspruch zwischen logischem Denken und dem »Glauben« an die Wirksamkeit magischer Kräfte versucht man zu deuten. Alle großen technischen Erfolge und wissenschaftlichen Fortschritte haben das tiefe Bedürfnis des Menschen nach Sicherheit seines Glücks, nach dem Erzwingen von Erfolg und Glück, nicht erfüllt und ihm seine Zukunftsangst nicht genommen. Darum sucht er heute besonders zur Bewältigung der Zukunft im Aberglauben Zuflucht. »Beim Eintritt einer Sonnenfinsternis wurden die Viehherden von den Weiden nach Hause getrieben und die Ortsbrunnen zugedeckt, weil man glaubte, es falle bei einer solchen Finsternis Gift vom Himmel« (Schmitz, 1856). »Unter den älteren Leuten des Dorfes ist der Aberglaube tief eingerissen, jede gelegentliche Belehrung, Lächerlichmachung ihrer Ansichten bleibt fruchtlos. Es ist dies hauptsächlich der Einfluss der Erziehung, da die berufenen Organe, von denen Schreiber noch einige kannte, selbst fest an Hexen glaubten und ihre Schauermären verbreiteten. Momentan ist das Dorf frei von Hexen, die in Verdacht stehenden Personen sind ausgewandert, gestorben oder verdorben. Hoffentlich wird die Zeit nicht mehr fern liegen, in der man über diese Torheiten lacht« (Schulchronik Oberelz, 1896).

In mehreren Gesprächen über Aberglauben, Wahrsagerei oder sonstigen phantastischen Geschichten tauchte bei älteren Menschen mehrmals der Begriff »Weissagungen der Sibylle« auf. »Mit bebenden Lippen, ernst, schmucklos und ungesalbt, spricht die Sibylle Worte, die durch ein Jahrtausend klingen, denn sie ist von Gott begeistert«, so beschreibt der Grieche Heraklit (um 500 v. Chr.) eine wahrsagende Frau; dieser und deren Nachfolgern gab man den Namen Sibylle, später waren bis zu zehn Sibyllen bekannt, die von Ort zu Ort zogen und in Ekstase den Leuten oft Glück oder Unheil prophezeiten.

Diese Sprüche und Weissagungen wurden in Büchern gesammelt, der römische König Tarquinius Superbus kaufte der Sibylle von Kyme (Cumae in Kampanien) die letzten drei von zwölf Büchern ab. Bei wichtigen Senatsentscheidungen wurden diese Bücher eingesehen und um Rat befragt. Stilicho ließ sie jedoch 405 n. Chr. verbrennen. Daraufhin besorgte man sich neue Orakelsprüche, hauptsächlich aus Eritrea. Für zuerst jüdische und dann christliche Missionszwecke entstanden vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. in Griechisch die 14bändigen »Oracula Sibyllina« und um 1320 das mittelhochdeutsche Gedicht »Sibyllen Weissagungen«. Darin tauchen König Salomon und die Königin von Saba auf, die die Legende vom Kreuzesholz, das Leben und Leiden Christi und das Jüngste Gericht prophezeien. Unter anderem wird darin geschrieben, dass »die Erde nur ein Jahrtausend aber kein weiteres mehr bestehen wird« oder: »Die Geschichte der Erde ist in sieben Zeitalter eingeteilt; das siebte Zeitalter ist zugleich das letzte, und nach ihm geht die Welt unter. Es beginnt, wenn drei Weissagungen eingetreten sind, nämlich dann, »wenn Menschen durch die Lüfte fliegen wie Vögel, wenn Chaisen (Kutschen) ohne Pferde fahren und schließlich, wenn die Frauenspersonen in Hosen einherlaufen wie die Männer.« Zur Zeit sind alle Hotels in beliebten Touristenländern für die Wende auf das Jahr 2000 ausgebucht. Eine euphorische Stimmung erfasst bereits Monate vorher Menschen und bestimmt deren Denken und Handeln. Anscheinend ist von einer Weltuntergangsstimmung nichts zu spüren. Und dennoch geistern immer wieder Meldungen durch die Presse, dass zahlreiche Menschen mit dem Ende der Welt rechnen, ihren Besitz verkaufen und sich auf das Kommen irgendeines Erlösers im UFO oder zu Fuß vorbereiten, ja sogar bereit sind, im Massenselbstmord dem Weltuntergang zu entfliehen.

Solche Weltuntergangsprophezeiungen hat es immer wieder gegeben, wie folgende aus dem Jahre 1822 beweist: »Sonderbare Begebenheit so geschehen den 29ten May 1822« In der Königlichen Resitenz Berlin eines Erscheinlichen Briefes, welcher sich in der Königlichen Resitenz wunderbarlich hat sehen lahsen in der Kirchen über den Taufstein schwebent. Niemant konnte ihn fassen und leßen noch abschreiben als allein ein alter Mann mit Nahmen Simon latman durch deßen gebeth und durch das Gott so weit gebracht hat, das dieser Brief sich vor ihm Nieder ließe und mit eigener Hant abschreiben konnte, und er war mit gultenen Buchstaben geschrieben, was mit der Welt und dem Volk vorgehen solte. Man glaubt das Gott ihn selbst geschrieben hat, und durch einen Engel in die Welt gesant hat. Erlauttet also: 1 tens: Wer an Sonntagen und feyertägen arbeitet der hat die Ewige straffe zu erwarten. 2tens: Ihr Christen solt sonn und feyertägen Gott dienen und anbeten damit Euch Eure Sünden vergeben werden. 3tens: Redet nichts schlechtes von Eurem Nächsten und unterdrückt die Armen nicht. 4tens: Ihr solt nicht so grausam Hoffärtig sein. 5tens: Schwöret nicht über kleinigkeiten und Hüthet Euch vor unzugt und Eytelkeiten, ihr solt in wahrer Diehmut die gebotte Gottes halten die ich Euch gegeben habe. 6 tens: Ihr solt untereinander den Brief leßen und abschreiben laßen. 7tens: Wer selbigen Brief behält und nicht zum Vorschein bringt oder gibt ihn wieder der hat keinen theil an gottes Gnaden, und solle von der christlichen gemeinschaft ausgeschlossen sein. 8tens: Ich ermahne Euch das ihr von Euerem sündtlichen Leben abiaßet damit ihr nicht eines unglückselichen Totes sterbet und die gerechte strafe Gottes zu erwarten habet. 9tens: Eins werde ich Euch am jüngsten Tage über Euere begangenen Sünden fragen, und ihr werdet mir nicht können Antwort geben. 10tens: Ich sage Euch noch allen haltet die Gebotte Gottes und danket die Zeit der Auflösung ist nahe, 11tens: Im Jahre 1822 am 25. Dezember wirt die Sonn sich verfinstern, Dünsten und Nebel werden aufsteigen, die Menschen werden sich für Furcht Entsetzen und Zittern. 12tens: Es werden in selbigem Jahr Entsätzliche wüthen und brausen entstehen 13tens: Deutschland wird in zwei theil getheilt werden 14tens: Die ganze Welt wirt sich bekehren die Sternen werden sich verändern, die Sonn wirt sich in vier tagen nicht mehr sehen laßen, die Menschen werden sich verbergen und wünschten nicht geboren zu sein, Hagel, Sturm und Ungewitter wirt es fill geben, plötzlich werden die Menschen sterben. 15tens: Bekehret Euch und bereuet Eure Sünden, die zeit des lebens ist kurz trachtet nicht nach golt und Silber, wendet Euch zum reiche Gottes, welche der Himlische Vater um Verzeihung ihrer Sünden bitten und wan sie so fill Sünden gedahn haben als santkörner im Meer sind, so fill will ich Euch verzeihen den meine barmherzigkeit ist groß.16tens: Sechs Tage solt ihr arbeiten und Eure Werk verrichten, der Siebente geht zu meiner Heilichung den die Tage werden vergehen wie ich sie erschaffen habe. Und glaubt auch mir gewiß das Euer erlöhser diesen Brief geschrieben hat, wer aber diesen Brief für eine Fabel hält der geht verlohren, wer aber glaubt was da geschrieben steht der hat glück und segen und die Ewige Seligkeit zu hofen. Wer diesen Brief hat und seinem Nächsten nicht offenbaret, diese werden aus der christlichen Gemeinte ausgeschlohsen und sollen in die freude des himels nicht eingehen« (Eifelhaus, 5. 2. 1920).

Häufig erhält man auch per Post sogenannte Kettenbriefe, die in den vielfältigsten Formen verfasst, dennoch nahezu Gleiches verkünden oder Glück, Heil und finanziellen Reichtum ankünden. Selbst stete Warnungen durch Polizei und kirchliche Institutionen vermögen diesen unsinnigen Aberglauben nicht auszumerzen. Beispiel 1: Ein chinesisches Gebot soll Dir Glück bringen. Das Original liegt in den Niederlanden. Es ist schon 8x um die Erde gegangen. Jetzt soll es Dir Glück bringen. Nach Erhalt dieses Briefes wirst Du Glück haben, das ist kein Witz. Das Glück wird per Post zu Dir kommen. Sende diese Kopie an Leute, von denen Du glaubst, dass sie Glück brauchen. Sende kein Geld, denn nachhaltig positiv beeinflusst und zum Guten verändert werden. Eine wunderbare Vorstellung, nicht wahr? Nun wirst Du aber fragen, wo denn das Kapital für diese zigtausende Projekte herkommen soll. Du kannst sicher sein, dass die finanziellen Mittel bereits jetzt vorhanden sind. Vorausgesetzt, Du und die anderen Empfänger dieses Briefes halten sich genau an die folgende Anweisung. Wenn Du das tust, erhältst Du mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit 1,5 Millionen Deutsche Mark, so unglaublich das klingen mag. Dein Einsatz: Ein 10,- DM Schein, die Kosten für 20 Kopien und das erforderliche Porto für die zu versendenden Briefe! Weiter nichts! Das Ganze ist selbstverständlich völlig legal. Du brauchst keinerlei Befürchtungen zu haben, das Geld jemals zurückzahlen zu müssen oder sonst einem faulen Trick aufgesessen zu sein. Dass die Teilnahme an der AKTION LICHTPUNKTE völlig freiwillig ist, versteht sich von selbst. Wenn jeder Empfänger dieses Briefes sich genau an die folgende Anleitung hält, bekommt er innerhalb weniger Wochen die für sein Projekt erforderlichen Geldmittel. Das System funktioniert wirklich.

Seitlich findest Du fünf Anschriften von fünf positiv eingestellten Mitmenschen, die sich an der AKTION LICHTPUNKTE beteiligen. Bitte sende an die Anschrift Nr. l, also an die oberste Adresse einen 10,- DM-Schein. Am besten legst Du den Geldschein zuerst in ein weißes Papier und steckst beides zusammen in einen Briefumschlag. Dann überklebst Du die Anschrift Nr. l, an die Du die 10,- DM geschickt hast, und rückst die 2. Anschrift an den ersten Platz, Anschrift Nr. 3 wird nun Nr. 2, Anschrift Nr. 4 wird Nr. 3, Anschrift Nr. 5 wird zu Nr. 4, und als letzte Anschrift Nr. 5 trägst Du Deine eigene Anschrift ein. Nun lässt Du den Brief 20mal kopieren und nach etwa drei Wochen steht Deine Anschrift als Nr. l ganz oben. Damit beginnt für Dich der Geldsegen, d. h. Du wirst viele tausend Briefe bekommen, die jeweils 10,- DM enthalten. Du kannst es immer noch nicht glauben? Bitte rechne mit: Du versendest 20 Briefe mit Deiner Anschrift Nr. 5. Jeder der Empfänger versendet 20 Briefe mit Deiner Anschrift Nr. 4. Das sind also 400 Briefe. Jeder der 400 Empfänger versendet wieder 20 Briefe mit Deiner Anschrift Nr. 3, also 8 000 Briefe usw. usw. Du siehst, selbst wenn sich nur 50°/o aller Empfänger an der AKTION LICHTPUNKTE beteiligen, kannst Du in wenigen Wochen 100000 Scheine bekommen! Wichtig! Eines arbeitet bei diesem Projekt gegen Dich: der ZEITFAKTOR. Deshalb sende die 20 Briefe so schnell wie möglich ab. Am Schluss die herzliche Bitte, das Dir auf so wunderbare Weise zufließende Kapital nicht zu verschwenden, sondern wirklich nur positiv einzusetzen. Verwirkliche ein positives Projekt, setz einen LICHTPUNKT, der Dir zum Vorteil und den Menschen, der Kreatur zum Segen wird. FRIEDE SEI MIT DIR