Natur und Landschaft

Verwandelte Tiere, Libellen und Schmetterlinge

Heinz Hürth, Auel

Wasser- oder Seejungfrauen werden die Libellen genannt, viele Arten sind bei uns vertreten, an Bächen und Tümpeln kann man sie den ganzen Sommer über beobachten. Ein besonderes Kennzeichen ist der bewegliche Kopf mit sehr großen Netzaugen, kurzen Fühlern und sehr stark gezahnten Mundteilen, das kräftige Bruststück trägt vier gleich große und gleich gestaltete glasartige von einem dichten Adernetz durchzogene Flügel, der Hinterleib ist langgestreckt. Der Körper ist häufig prächtig gefärbt, bei einigen Arten nur das Männchen. Bei den Pracht- und Kleinlibellen sind Männchen und Weibchen gleich in Form und Äderung, bei den Großlibellen sind die Hinterflügel größer und zeigen eine abweichende Äderung. Die Königin der Insekten, wie die Libelle auch genannt wird, verbringt den größten Teil ihres Lebens als Larve im Wasser. In jedem Frühjahr sehen wir in Tümpeln und Teichen wimmelndes Leben, von der Sonne geweckt, in denen Frosch und Kröte überwintert haben. Wo die gefräßigen Libellenlarven überwintert haben, ist der Anteil aller anderen Larven wie Köcherfliege, Schwimmkäfer, Kröten und

Libelle - Azurjungfrau        Libelle - Azurjungfrau

Frösche deutlich geringer. Als ein kleines, graugrünes Scheusal lauert die Larve im Schlamm versteckt auf ihre Opfer. Schwimmt ein ahnungsloses Krebschen oder Fischchen vorüber, so schnellt plötzlich eine wahre Teufelsangel aus dem Schlamm hervor, es ist die Fangmaske der Libellenlarve, eine aus dem Unterkiefer entwickelte Greifzange, die weit vorgeschleudert werden kann. Das Opfer wird in den Bereich der kräftigen Kiefer gezogen, sofort zermalmt und verzehrt. Dieses gefräßige Lebensstadium ist naturgewollt. Alle Larven wachsen in ihrem zugedachten Element auf, wo kein Mangel an Nahrung ist, und Fressen erstes Gebot, damit später, nach der Verwandlung, nicht mehr viel zu tun ist. Das fertige Insekt wächst nicht mehr, und was noch an Nahrung gebraucht wird ist wenig, eben so viel, wie zur Erhaltung der Lebenskräfte notwendig ist. Wenn nach Jahren oder Wochen je nach Art die Libellen das Wasser verlassen, trocknen sie in der Morgensonne ihre Larvenhülle. Nach etwa zwei Stunden hat sich die fertige Libelle aus der Larvenhülle befreit und sitzt als fertiges, bunt schillerndes Insekt an Teich oder Bach. Als großartige Flieger erfreuen sie das Auge des Menschen, ein Fluginsekt, das langsam oder blitzschnell aus dem Stand vorwärts oder rückwärts senkrecht nach oben starten kann. Diese Schnelligkeit, bis zu fünfzig Kilometer in der Stunde, versetzt sie in die Lage, ihre Beute mit tödlicher Sicherheit zu fangen.

Die Großlibellen sind weit bessere Flieger, robuster gebaut und fliegen zur Nahrungssuche weit von ihren Geburtsorten fort. Ihre Reviere verteidigen die meisten Arten sehr stark, Kämpfe bis zum Tod des Gegners sind nicht selten. Die Reviergröße ist vom Nahrungsangebot abhängig, über Wald und Moore, Gewässer und Heiden geht die Jagd. Welch ein Anblick ist der schwebende, schmetterlingsartige Flug der Blauflügel Prachtlibelle, wenn sie an sonnigen Tagen über die Ufervegetation oder eine Wasserfläche schwebt. Ein Sommer ohne diese surrenden und rasanten Flieger ist undenkbar. Wenn sie nicht von Feinden erwischt werden, leben Großlibellen im Gegensatz zu den Schmuck- oder Kleinlibellen, vier bis fünf Monate.

Was sich aus dem Ei der Libelle in der kleinen, hornigen Einsiedelei der Larve vollzieht, ist ein Geheimnis der Schöpfung. Das neue Insekt wird in einen ganz anderen Lebensraum hineingeboren, es bewegt und ernährt sich

Schwalbenschwanz-Raupe

Schwalbenschwanz

völlig anders, hat sofort Kenntnisse, für die andere Lebewesen Tage oder Monate brauchen. Die Larve ist für die Dauer ihres Lebens mit besonderen Organen ausgestattet, Sinne und Fähigkeiten, die das vollentwickelte Tier nicht mehr besitzt. Libellen und Schmetterlinge gehören zu den Insektenarten, die wir Menschen als wenig nützlich betrachten, gegenüber den Bienen, die uns Honig und Wachs liefern. Es ist falsch, ein Tier oder eine Pflanze als nützlich oder unnütz zu beurteilen, denn das eine kann ohne das andere nicht leben, in der Schöpfungsgeschichte ist alles zu etwas nütze.

Lang war das Warten auf den Zauberer, den Frühling. In der Erde regen sich Wurzeln und Keime, Knospen und Blütenkätzchen spüren die ersten Säfte. Überall in der Natur ist ein Drängen vieler Geschöpfe, die starr und steif in Höhlen, Löchern, zusammengerollt in der klammen Erde geruht haben. Neues Leben erwacht, der Kreislauf der Stoffe beginnt, unzählige Blütenaugen öffnen sich, in allen Farben leuchtend, Duftwolken fluten über die Wälder und Wiesen, die ersten Insekten schwirren blitzend umher und das erste Vogellied erklingt. Plötzlich sieht man überall das Wunder des neuen Werdens der Pflanzen und Tiere. Der Mensch braucht diesen Naturwandel nicht zu suchen, er begegnet ihm überall. Ein kleines Stück Wiese, ein Strauch oder ein Bachufer können die Gesetze der Erde besser verdeutlichen, als alle Bücher der Welt. Die ersten Schmetterlinge sind Zitronenfalter, Tagpfauenauge und der kleine und große Fuchs. Die meisten Menschen glauben, dass es sich um frisch geschlüpfte Schmetterlinge handelt und die zerschlissenen Flügel und verblichenen Farben auf das schlechte Frühjahrswetter zurückzuführen sind. Aber diese »alten Hasen« haben sich schon im Herbst des vergangen Jahres einen Schlupfwinkel in Gartenlauben, Scheunen, ja sogar in Häusern gesucht, ihre Flügel zusammengeklappt und so auf den Frühling gewartet. Es verwundert schon sehr, dass solch zarte Geschöpfe den harten Winter steif, zu glasartiger Eismumie gefroren in ihren Verstecken überleben und bei den ersten Sonnenstrahlen losfliegen. Die Puppen der Schwalbenschwänze, der Weisslinge und Segelfalter überwintern ebenfalls freihängend an Stämmen, Mauern und in Büschen. Trotzdem fliegen auch sie nach kurzer, lauer Frühlingsluft aus ihren Gespinsten. Raupen und Eier der Schmetterlinge sind nicht weniger winterhart, es scheint, dass dieses winterliche Durchfrieren zur gesunden Entwicklung derselben gehört. Die Natur ohne Schmetterlinge, ohne diese herrlich bunten Schaukler und Gaukler wäre undenkbar.

Große bunte Augen, lichte Monde, wundervolle Ornamente, geheimnisvolle Zeichen, gezackte Bänder heben sich aus dem samtenen Grundton hervor und erstaunen uns immer wieder. Die Fühler in ihrer Formenvielfalt, die zugleich Riechorgan sind und über Kilometer Düfte der paarungswilligen Weibchen wahrnehmen. Jede Art hat ihre eigenen Lockstoffe, die auch nur vom dazugehörigen Männchen wahrgenommen werden. Bald nach der Hochzeit legt das Weibchen seine Eier ab, es heftet sie an die Futterpflanzen der zukünftigen Raupen. Mit Hilfe des Geruchssinns weiß es diese Pflanzen zu erkennen, auch wenn sie noch nicht belaubt sind. Nach wenigen Tagen schlüpfen die kleinen Räupchen und fressen zuerst ihre Eischale. Täglich wird das Eigengewicht verdoppelt, wird die Haut zu eng schlüpft sie in eine neue, die oft andersfarbig ist. In wenigen Wochen hat sich ihr Gewicht verzehntausendfacht. Hat sie genug Fett gespeichert für den zukünftigen Schmetterling, verpuppt sie sich. In der Puppe geht nun das große Verwandlungswunder vor sich, alle Organe sind vorgebildet und es entsteht der fertige Schmetterling. Ruckweise befreit er sich aus der Puppe, bald schimmert er in Samt und Seide. Von Stunde an ist er ein vollkommenes Geschöpf, das nicht mehr zu wachsen und kaum noch zu fressen braucht, nur wenige Tropfen Nektar und Wasser genügen ihm. Bald gehen die Männchen auf Brautschau, nach der Paarung sterben sie, die Weibchen gehen auf Suche nach den Futterpflanzen für die Raupen, der Kreis der ersten Schmetterlingsgeneration schließt sich.