Entwicklungsschwerpunkt »Ernstberg«

Modell einer integrierten Strukturpolitik im ländlichen Raum

Klaus Mein, Daun

Grundlage

Mit den Leitlinien »Ländliche Bodenordnung in Rheinland-Pfalz« - verabschiedet durch den Ministerrat am 28. 3. 1995 - wurde der Übergang von der traditionellen Flurbereinigung zur modernen ländlichen Bodenordnung vollzogen. Sie dient der Land- und Forstwirtschaft, dem Naturschutz und der Landschaftspflege ebenso wie den Kommunen und anderen Planungs- und Maßnahmenträgern durch die Umsetzung von Ordnungs- und Entwicklungsaufgaben. Im Rahmen dieser Neugestaltung wurde im Landkreis Daun der räumliche Entwicklungsschwerpunkt »Ernstberggebiet« ausgewiesen. Er hat Modellcharakter und die vorhandenen Förderinstrumentarien sollen dort beispielhaft und konzentriert für den gesammten ländlichen Raum eingesetzt werden.

Räumliche Ausdehnung Die Stadtteile Daun-Gemünden. Daun-Neunkirchen. Daun-Pützborn. Daun-Steinborn. Daun-Waldkönigen. Betteldorf, Dockweiler, Dreis-Brück, Hinterweiler, Kirchweiler, Niederstadtfeld, Oberstadlfeld und Wallenborn der

Gebietskörperschaft

Gesamtfläche (ha)

Landw. Fläche (LN) ha in %

Forstw. Fläche (FN) ha in u/o

Sonstige Flächen ha in °/o

VG Daun

9025

3875 43

4027 45

1123 12

Daun-Gemünden

182

48 26

93 51

41 23

Daun-Neunkirchen

708

364 51

251 35

93 12

Daun-Pützborn

497

155 31

254 51

88 18

Daun-Steinborn

471

254 54

156 33

61 13

Daun-Waldkönigen

494

227 46

205 41

62 13

Betteldorf

331

194 59

89 27

48 15

Dockweiler

605

274 45

232 38

99 16

Dreis-Brück

1818

805 44

845 46

168 9

Hinterweiler

532

335 63

141 27

56 11

Kirchweiler

630

299 47

263 42

68 11

Niederstadtfeld

913

342 37

458 50

113 12

Oberstadtfeld

1021

309 30

565 55

147 14

Wallenborn

823

269 33

475 58

79 10

VG Gerolstein

6355

2355 37

3064 48

936 15

Gerolstein-Büscheich

493

160 32

299 61

34 7

Gerolstein-Gees

559

185 33

335 60

39 7

Gerolstein-Hinterhausen

334

167 50

114 34

53 16

Gerolstein-Lissingen

975

401 41

300 31

274 28

Gerolstein-Michelbach

816

100 12

687 84

29 4

Berlingen

359

207 58

104 29

48 13

Hohenfels-Essingen

501

237 47

148 30

116 23

Neroth

724

281 39

336 46

107 15

Pelm

1006

291 29

557 55

158 16

Rockeskyll

588

326 55

184 31

78 13

Gesamt:

15380

6230 41

7091 46

2059 13

 

 

 

 

 

Verbandsgemeinde Daun sowie die Stadtteile /Ortsgemeinden Gerolstein-Büscheich. Gerolstein-Gees. Gerolstein-Hinterhausen. Gerolstein-Lissingen. Gerolstein-Michelbach. Berlingen, Ho-henfels-Essingen, Neroth, Pelm und Rockeskyll der Verbandsgemeinde Gerolstein.

Begründung und Ziele:

Das »Ernstberggebiet« liegt im Zentrum der Vulkaneifel und gehört damit landschaftlich und geologisch zu den interessantesten Landschaftsteilen der Eifel. Um den Ernstberg herum liegen mehrere Gemeinden, in denen sich die Landwirtschaft - nur von Nebenerwerbsbetrieben gestaltet - sehr stark im Rückzug befindet. Die zu erwartenden Auswirkungen auf Dorf und Landschaft in Folge des Strukturwandels werden gravierend sein. Damit ist die Offenhaltung dieser durch vielfältige Strukturen geprägten Landschaft gefährdet. Vergleichsweise ungünstige agrarstrukturelle Verhältnisse bestimmen das Gebiet. Der Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche ist in einigen Gemarkungen schon sehr weit fortgeschritten und gefährdet, das hohe naturschutzfachliche Potential der Region. Demnach sind es hier nicht Intensivierungstendenzen der Landwirtschaft, die den Artenreichtum gefährden, sondern vielmehr das Auflassen landwirtschaftlicher Flächen und/oder das ungeregelte Aufforsten oder die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen auf ökologisch wertvollen Standorten. Aus diesem Grunde besteht das Hauptziel des räumlichen Entwicklungsschwerpunktes »Ernstberggebiet« in der langfristigen Offenhaltung der bäuerlichen Kulturlandschaft mit ihrer hohen ökologischen Vielfalt. Dies setzt jedoch die Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen landwirtschaftlichen Voll- und Nebenerwerbsbetriebe zu zukunftsbeständigen Einheiten mit wettbewerbsfähigen Strukturen voraus. Nur so ist die Erhaltung der Kulturlandschaft und eine kostengünstige Pflege ökologisch wertvoller Biotope gewährleistet. Ferner stehen die Anlage »landschaftsverträgliche« Aufforstungen, die Ausweisung von Naturschutzgebieten, die Entwicklung der ehemals stark bäuerlich geprägten Dörfer mit ihrem kulturellen Leben und die Förderung des ländliehen Tourismus im Mittelpunkt der Bemühungen zur Entwicklung des Gebietes.

Ehemalige Ackerterrassen, Gebüsche und Hecken und magere Wiesen und Weiden prägen das Gebiet um den Ernstberg bei Daun-Waldkönigen

 

 

Vorrangige Zielsetzung:

1. Offenhaltung der Landschaft durch extensive Grünlandnutzung

2. Lenkung einer geordneten Aufforstung

3. Ausweisung von Naturschutzgebieten

4. Dorferneuerung

5. Maßnahmen zur Entwicklung des sanften Tourismus.

Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung als vorbereitende Maßnahme

Im Juli 1995 wurde durch die Bezirksregierung Trier die GfL Planungs- und Ingenieurgesellschaft mbH beauftragt, eine agrarstrukturelle Entwicklungsplanung großräumig für den Entwicklungsschwerpunkt durchzuführen, mit dem Ziel, ein integriertes Leitbild zu erarbeiten und eine Landnutzungskonzeption mit Umsetzungsstrategien zu entwerfen.

Die zu entwickelnden fachlichen Leitbilder konzentrieren sich auf sechs Schwerpunkte:

1. Vorrangiges Ziel für die Landwirtschaft ist die Sicherung und Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit, die auch den landwirtschaftlichen Dienstleistungsbereich beinhaltet, unter Wahrung einer nachhaltigen Bewirtschaftung im Haupt- und Nebenerwerb.

2. Fachliche Leitbilder für Natur und Landschaft sind die

Offenhaltung der Landschaft in Gebieten mit hoher Eigenart und schutzwürdigen Biotopen, Laubwaldaufforstungen im Bereich mit Schutzfunktion für Boden und Wasser, weitgehender Verzicht auf Weihnachtsbaumkulturen, Festlegen einer Wald/Feldgrenze sowie die Erhaltung der charakteristischen Eigenart der Vulkaneifel.

3. Die wesentlichen Ziele für die Forstwirtschaft sind der weitgehende Verzicht auf Weihnachtsbaumkulturen und die Aufforstung in Aufforstungsgewannen im Rahmen von Bodenordnungsverfahren.

4. Das fachliche Leitbild für die Wasserwirtschaft beinhaltet die Gewässerbegehungen, Gewässerstruktur, Güte, Ausweisung von Gewässerrandstreifen (Aktion blau), Erstellung von Gewässerpflegeplänen und Renaturierung von Fließgewässern.

5. Der Tourismus besitzt im Ernstberggebiet auch zukünftig günstige Voraussetzungen. Allerdings muss er zusätzliche Impulse erfahren. Das Ernstberggebiet ist mit seinen Natur- und Kulturpotentialen intensiver in das Netzwerk der Fremdenverkehrsregion einzubeziehen.

6. Das Ernstberggebiet als einen Raum mit Strukturschwächen ist in seiner kommunalen Entwicklung gezielt zu fördern. Der Dorferneuerung kommt hierbei eine wichtige Bedeutung zu.

Finanzierung/Organisation

Das Gesamtprojekt wird durch Zuschüsse des Bundes, des Landes Rheinland-Pfalz und der EU finanziert. Zur Koordinierung der einzelnen Maßnahmen und Bündelung der personellen und finanziellen Ressourcen wurde ein Arbeitskreis eingerichtet. Mitglieder sind die Kreisverwaltung Daun und die betroffenen Verbandsgemeindeverwaltungen Daun und Gerolstein, sowie das zuständige Kulturamt Prüm. Darüber hinaus wurde als Moderator Herr Dr. Hans-Peter Schick eingestellt.

Bisherige Ergebnisse:

Der Flurneuordnung als Lenkungsinstrument im gesamten Ernstberggebiet kommt eine besondere Bedeutung zu, da durch dieses Instrumentarium erst die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen ermöglicht wird. Mit Hilfe einer Bodenordnung können einerseits Rahmenbedingungen für den Erhalt einer effizienten Landbewirtschaftung und damit der über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft geschaffen werden. Andererseits können mit Maßnahmen der Landentwicklung, die nicht mit den landespflegerischen Zielvorstellungen vereinbare Nutzungen auf weniger empfindliche oder ökologisch verträgliche Bereiche gelenkt und damit Landnutzungskonflikte aufgelöst werden. Deshalb wurde nunmehr in Neroth ein landespflegerisches Verfahren mit Pilotfunktion eingeleitet. Darüber hinaus befinden sich die Gemarkungen Waldkönigen, Steinborn, Neunkirchen, Pützborn und Gemünden ebenfalls im Verfahren. Ohne die Ausweisung des räumlichen Entwicklungsschwerpunktes »Ernstberg« wäre die Einleitung dieser modellhaften Flurneuordnungsverfahren nicht möglich gewesen. Das Kulturamt Prüm wird sich auch zukünftig verstärkt in den Ernstberg-Gemeinden engagieren. In den nächsten 10 Jahren sollen hier weitere 7.000 ha »bereinigt« werden. Da die Verfahrenskosten zu 80-90 °/o durch die öffentliche Hand gefördert werden, fließen über diese Maßnahmen erhebliche öffentliche Mittel in die Flurbereinigungsgemeinden. Weiterhin können über die Bodenordnung die Flächennutzungspläne der Ernstberg-Kommunen konfliktfrei umgesetzt werden.

Im Bereich der Dorferneuerung ist die Aufnahme der Ortsgemeinden Dreis-Brück und Neroth in den Kreis der Investitions- und Maßnahmeschwerpunktgemeinden ein Ergebnis der Ausweisung des räumlichen Entwicklungsschwerpunktes. Im Zusammenhang mit der Kulturlandschaftspflege und der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe werden zur Zeit konkrete Einzelmaßnahmen durchgeführt oder sind bereits abgeschlossen. In einer repräsentativen Umfrage unter den Landwirten sind die innerbetrieblichen Verhältnisse (Hofnachfolge, Betriebsaufstockung) und das Interesse an Einkommensalternativen, wie Naturschutzarbeiten, ländlicher Tourismus und Direktvermarktung erfragt worden. Ein wichtiges Ergebnis ist die hohe Bedeutung von Flurneuordnungsverfahren für die Existenzsicherung der Betriebe und die Bereitschaft vieler Landwirte zur Übernahme von Landschaftspflegemaßnahmen. In Büscheich sind die Voraussetzungen für die von der Stadt Gerolstein angestrebte Aussiedlung des einzigen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes geschaffen worden. Angesichts des Rückzugs der Landwirtschaft aus der Region wird dem Betrieb als sogenannter Auffangbetrieb eine Schlüsselrolle bei der Landschaftspflege in diesem Stadtteil und den angrenzenden Gemarkungen zukommen. Fortgesetzt werden auch die Bemühungen zur Realisierung der Stallbaumaßnahme eines Schäfers in Daun-Waldkönigen. Insbesondere die langfristige Bewirtschaftung von etwa 90 ha Ökoflächen ist ohne diesen Betrieb nur schwer vorstellbar. Außerdem wurde eine Konzeption für die Errichtung einer Natur- und Umweltstation Ernstberg erstellt. Mit der Ausweisung des räumlichen Entwicklungsschwerpunktes Ernstberg werden durch die Instrumente der Bodenordnung Rationalisierungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft erschlossen, gleichzeitig können die Maßnahmen der Landschaftspflege und des Naturschutzes umgesetzt und neue Anziehungspunkte für den Fremdenverkehr geschaffen werden. Letztlich wird der Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben und damit die eigenständige Identität der Region um den Ernstberg bewahrt.