Wie ich als Kind die Kühe hütete

Angela Dingels, Salm

Wir waren früher auf dem Lande nicht vom Wohlstand verwöhnt, lebten eher in ärmlichen, bescheidenen Verhältnissen. So mussten auch wir Kinder uns nach Kräften und Möglichkeiten bei der landwirtschaftlichen Arbeit einsetzen. Dazu gehörte das Hüten der Kühe, was für uns sehr belastend war. Jede Familie hatte eine kleine Landwirtschaft, der Ertrag war nicht groß, da das Geld für die nötigen Düngemittel fehlte. Der Viehbestand war dem Futtervorrat oft nicht angepasst. War die Witterung ungünstig, fiel die Heuernte karg aus. Oft war im zeitigen Frühjahr das Futter schon knapp; das Vieh musste auf die Weide geführt und gehütet werden. Natürlich durften die Wiesen nicht abgeweidet werden, die mussten zum Heuen stehen bleiben. In den Kriegsjahren gingen wir in den nahegelegenen Wald, in den Fichtenkulturen wuchs saftiges, junges Gras; das waren Leckerbissen für die Kühe. Die Milchleistung stieg deutlich nach der guten Mahlzeit an. Doch leider wurde dies verboten, weil zuviel Schaden an den angepflanzten Kulturbeständen entstand. Trotz Verbot sind wir noch ab und an in den Wald zum Hüten gefahren. Es wurde aber zu gefährlich, der Förster verfolgte uns und drohte mit einem Protokoll. Soweit kam es jedoch nicht. Wir versteckten uns im Dickicht und wurden nicht entdeckt. Aber das Ende davon war, wir hatten die Kühe verloren und mussten viele Stunden nach ihnen suchen, oft bis in die Nacht hinein. Als Ausgleich bot sich nun Krettscheid an. Dahin fuhren wir fast regelmäßig. Es war ein weiter Weg, hoch auf dem Berg. Morgens dachten wir schon mit Schrecken daran, dass wir mittags, wenn wir aus der Schule kamen und gegessen hatten, sofort los mussten. Wir waren glücklich, wenn wir mit einigen anderen Kindern zusammen waren und zum Zeitvertreib spielen konnten. »Teufelchen am Seel« und »Schlapp hat den Hut verloren« waren aktuell. Unterlief einem Spieler ein Fehler, musste dieser ein Kleidungsstück als Pfand abgeben. Die Stunden vergingen schnell und es war Abend. Eilig suchten wir Schuhe und Strümpfe zusammen und machten uns auf den Heimweg.

Mit der Zeit wurde das langweilig, es kam der Vorschlag, wir können doch mal Pudding kochen. Alle waren begeistert. Schnell fanden wir eine Kuh, die geduldig stehen blieb und sich melken ließ. Töpfe, Zucker, Löffel und Streichholz waren leicht zu besorgen, doch mit dem Puddingpulver war es in der damaligen Zeit nicht so einfach. Davon war nicht immer ein Vorrat da. Wir freuten uns auf das geplante Kochen. Was war das ein Spaß. Brannte das Feuer mal nicht so richtig, stand der Topf lange auf der spärlichen Flamme und die Milch brannte an. Aber es schmeckte uns trotzdem sehr gut. Schon war es wieder Zeit für den Heimweg. Die Stunden vergingen schnell und wir hatten unsere Kühe ganz vergessen. Weil das Futter wegen der anhaltenden Trockenheit nur spärlich war, wanderten die Tiere in das Gestrüpp und die angrenzenden Bäume und Hecken. Erst musste aber die Feuerstelle noch ausgetreten werden, was wir sehr sorgfältig machten, wegen der Brandgefahr. Trotz intensivem Suchen fanden wir nicht mehr alle Kühe. Die Nacht kam und wir mussten oft ein Tier zurücklassen. Es ist auch schon vorgekommen, dass eine Kuh mitten in der Nacht alleine nach Hause kam und vor dem Stall stand. Natürlich haben unsere Eltern heftig geschimpft, doch das hielt uns nicht davon ab, auch weiterhin Pudding zu kochen. Wir bemühten uns mehr und versprachen, in Zukunft besser auf die Kühe zu achten. Unsere Hausaufgaben mussten wir auch öfters beim Hüten der Kühe erledigen, was aber deutlich weniger Spaß machte, als Pudding zu kochen. Trotz Pflichterfüllung hatten wir viel Freude und erlebten eine schöne Zeit, an die wir uns gerne erinnern.