Gönnersdorf- tierisch gut

Dr. Klaus Cölln, Gönnersdorf - Jochen Jacobi, Köln

Ansicht von Gönnersdorfaus dem Südosten.

Naturwunder wie in den Tropen - direkt vor unserer Haustür

Offensichtlich besteht in unserer Gesellschaft ein zunehmendes Bedürfnis, an den Fortschritten der Wissenschaft teilzuhaben. Dies wird nicht nur an dem Zuspruch deutlich, den entsprechende Beiträge in den Medien erfahren, sondern auch am Erfolg der zahlreichen geologischen Projekte, die den Tourismus in unserem Landkreis messbar fördern. Während sich jedoch die Phänomene des Vulkanismus schon wegen ihrer Größe bei entsprechender Anleitung jedem erschließen, sind biologische Besonderheiten oft aufgrund ihrer geringen Dimension nicht ohne zusätzliche Hilfen erfahrbar. Deshalb haben wir - Klaus Cölln (Biologe) und Jochen Jacobi (Grafiker) - uns vor einiger Zeit daran gegeben, Ergebnisse aus dorfökologischen Untersuchungen durch Texte und Illustrationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir wollen zeigen, dass vor unserer Haustür Arten existieren, die in ihrer Einmaligkeit den »Naturwundern« in den Tropen eigentlich um nichts nachstehen. Außerdem möchten wir die Aufmerksamkeit auf die biologischen Prozesse lenken, die in der Kulturlandschaft ablaufen. Diese wurden von unseren Vorfahren in der Auseinandersetzung mit den natürlichen Gegebenheiten geschaffen und sind auch heute noch für unsere Existenz in der Region nicht ohne Belang.

Vom Wochenendhaus zur »Biologischen Station«

Eigentlich machte ein Zufall Gönnersdorf zum Studienobjekt der Zoologen. Über den Kaufeines alten Hauses wurde das Ehepaar CÖLLN ab 1985 hier ansässig und schon bald füllten Insektenbeobachtungen die Wochenenden aus, soweit es die Renovierungsarbeiten erlaubten. Es dauerte nicht lange, da öffneten CÖLLNS ihr Heim für Kölner Biologiestudenten, die hier Untersuchungen für ihre Examensarbeiten durchführten. Später kamen auch befreundete Kollegen hinzu, so dass sich bislang 23 Personen an den Forschungsarbeiten beteiligt haben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden kontinuierlich in einer eigens dafür geschaffenen Publikationsserie veröffentlicht.

Gönnersdorf- hinsichtlich der Tierwelt das bestuntersuchte Dorf Deutschlands

Die Artenvielfalt, die während der Bearbeitung zu Tage trat, hat selbst Fachleute verblüfft. Fast 1900 Tierarten aus 40 Gruppen unterschiedlicher systematischer Hierarchie wurden für Gönnersdorf nachgewiesen. Darunter war die zu den Zikadenparasiten gehörende Augenfliege Eudorylas goennersdorfensis, eine der Wissenschaft bis dahin noch nicht bekannte Art. Weiterhin fand man 13 Neunachweise für Deutschland und weit mehr als 100 für Rheinland-Pfalz. Außerdem wurden zahlreiche seltene Spezies verzeichnet, so dass Gönnersdorf heute auf vielen Verbreitungskarten seltener Insekten seinen Platz hat. Um die Resultate besser einordnen zu können, wurden die Untersuchungen auch ins Um-

land ausgedehnt. Dabei ergab sich, dass von den 186 Wildbienenarten der weiteren Umgebung 139 auch oder ausschließlich im Ort vorkommen. Der Strukturreichtum der Landschaft begünstigt eine große Artenvielfalt, denn man findet neben Spezies mit breiten klimatischen Toleranzen kälteliebende, die aus dem Hohen Venn zugewandert sind und wärmeliebende, die aus dem Moseltal kommen. Sie alle finden hier auf engem Raum die lokalklimatischen Bedingungen, die sie für ihren Fortbestand benötigen.

Von abstrakten Daten zu anschaulichen und informativen Darstellungen

Die abstrakten Daten - hier absichtlich nur in Kürze dargestellt - werden in wissenschaftlichen Publikationen mit zahlreichen Tabellen in aller Ausführlichkeit präsentiert, weil sie als Grundlage für eine naturverträgliche Dorfentwicklung dienen sollen. In dieser Form laden sie fachlich ungeschulte Bürger nicht unbedingt zu einer Beschäftigung mit der Materie ein, sondern wirken eher abschreckend. Aus dem Bedürfnis heraus, diesen Mangel zu beheben, entstand die Zusammenarbeit mit dem Grafiker JOCHEN JACOBI. Zunächst ging es darum, einen Eindruck von der Formenfülle zu vermitteln, die sich unter solch kleinen Insekten verbirgt, die keine deutschen Namen haben und die man im Alltag gemeinhin unter Begriffen wie Mücken, Fliegen und Wespen zusam-

 

menfaßt. Hierzu gehört die bereits vorgestellte Augenfliege Eudorylas goennersdor-fensis, gewissermaßen das »Flaggschiff« unserer Untersuchungen, oder auch die Kuckucksbiene Biastes truncatus, die ihrer Wirtsbiene Dufoürea dentriventris nach Manier des besagten Vogels ein Ei unterschiebt. Dann entstanden in enger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Künstlern erklärende Abbildungen zum Lebenszyklus und zum ökologischen Beziehungsgefüge der Insekten. Letzteres wird erst deutlich, wenn wir das Artenspektrum im einzelnen kennen. Der Lebenszyklus der Dickkopffliege Physocephala rußpes vermittelt einen Eindruck von der Komplexität der Interaktionen zwischen den Arten. Diese Fliege entwickelt sich in der Leibeshöhle erwachsener Hummeln, deren innere Organe sie nach und nach auffrisst. In Gönnersdorf sind etwa 10 % der Hummeln von Dickkopffliegen parasitiert. Schließlich kamen noch Zeichnungen von dorfökologisch bedeutsamen Landschaftsausschnitten hinzu. Naturbelassene Eichenspaltpfähle in Zäunen sind äußerst haltbar und übernehmen ähnlich wie altes Fachwerk die ökologische Funktion von stehendem Totholz. Trocknungsrisse und von holzfressenden Käferlarven hinterlassene Gangsysteme lassen sie im Laufe der Zeit zu Nistgelegenheiten für entsprechend angepasste Ameisen, Wespen und Wildbienen werden, die wiederum Lebensgrundlage für zahlreiche Räuber und Parasiten sind. Allerdings benötigt diese tierische Gemeinschaft in mittelbarer Umgebung ein hinreichend reichhaltiges Angebot an (Blüten-)Pflanzen. Die Entwicklungsschritte einer Landschaft, die auch deren Artenspektrum beeinflussen, lassen sich manchmal direkt vor Ort ablesen. Am Hang nahe der Gönnersdorfer Grillhütte findet man auf einer ehemaligen Ackerterrasse

Der Zaunpfahl, Sekundärbiotop für Ameisen, Wespen und Wildbienen.

eine charakteristische, im unteren Stammbereich astfreie Hutebuche, die eine spätere Beweidung anzeigt. Dann fiel das Land brach und es wuchsen Haselhecken auf, deren Nutzung anhand der noch vorhandenen Stockausschläge deutlich wird. Heute bedrängen Fichten den Hutebaum, der sich ehemals konkurrenzfrei über dem Weideland entfalten konnte. Schließlich sind der Abbruchkante gegenüber noch die Spuren von Steinbruchtätigkeiten erkennbar. Historische Landnutzungsformen haben das Artenspektrum gegenüber der ursprünglichen Naturlandschaft entscheidend bereichert. Sie schufen auch Sekundärbiotope wie Kiesgruben, die auf Sand spezialisierten Wildbienen zusätzliche Nistgelegenheiten verschafften. Vor allem kleine Abgrabungen werden zunehmend aufgegeben und wachsen mit der Zeit zu. Um sie offen zu halten, bedarf es nicht unbedingt gezielter Maßnahmen. Man kann sie auch Kindern zum Spielen öffnen, ohne dass - wie unsere Untersuchungen zeigen - den Wildbienen dabei ein Schaden entsteht. Biotoppflege mit dem Hosenboden erhält Nistplätze und verschafft der Jugend das so oft von Pädagogen geforderte Naturerlebnis.

»Werbung« für die naturverträgliche Gestaltung des Dorfes

Die hier angesprochenen Phänomene und zahlreiche weiteren Sachverhalte zur Ökologie der Eifeldörfer finden sich in der Broschüre »Biotop Dorf« (CÖLLN et JACOBI 1997). Außerdem existiert eine vom NABU Obere Kyll/Hillesheim gesponserte Wanderausstellung zu diesem Thema, die erstmals im Rathaus in Jünkerath präsentiert und dort von der Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, KLAUDIA MARTINI eröffnet wurde. Danach wurde sie im Kreishaus Daun, im Bezirksrathaus Köln-Rodenkirchen, im Kurfürstlichen Palais Mainz und im Jugend- und Gemeindehaus Steffeln gezeigt. Sie steht allen Gemeinden des Landkreises Daun nach Absprache zur Verfügung.

Literatur

CÖLLN, K. et JACOBI, J. (1997): Biotop Dorf-Texte und Illustrationen zur Dorfökologie am Beispiel der Eifelgemeinde Gönnersdorf. -Dendrocopos Sonderband 2, 64 S. Bitburg.