»Was hier wächst, gedeiht auch anderswo«

Landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsanstalt Borler

Brigitte Bettscheider, Kelberg - Zermüllen

»Institut« nennt der Volksmund die Lehr- und Versuchsanstalt in dem kleinen Eifeldorf Borler in der Verbandsgemeinde Kelberg. Am 31. Juli 1998 schloss sie nach fast 50jähriger Nutzung ihre Pforten. Das Gebäude gehört der Gemeinde. Derzeit befindet es sich für rund 400.000 Mark in der Renovierung und in der Umgestaltung. Im Obergeschoss werden neue Wohnungen eingerichtet, im Untergeschoss entstehen Räumlichkeiten, die die Gemeinde nutzen wird. Der ehemalige Leiter, Dr. Wolfgang Klöcker, hielt bei der durch die Schließung bedingten Verabschiedung des Laboranten Edmund Blick einen unterhaltsamen Vortrag zur Geschichte der Einrichtung. Er streifte zunächst den Begriff Grünland, der 1919 bei einer landwirtschaftlichen Fachtagung entstanden sei und den ein Landwirtschaftsdirektor namens Dr. Könekamp 1927 nach Borler gebracht habe. Das Dorf sei besonders geeignet für Versuchsreihen, hatte Dr. Könekamp damals verlauten lassen - nach der Devise, die auch später bei der Standortfrage für Sortenprüfungen eine entscheidende Rolle spielen sollte: »Was in Borler über den Winter kommt, gedeiht auch anderswo!«

Schon 1929 hatten sich in Borler 50 führende Agrarwissenschaftler getroffen. Ein paar Jahre später war in dem Dörfchen ein landwirtschaftlicher Betrieb für Versuchszwecke gepachtet worden. Als nach 1945 die Gründlandwirtschaft wieder aufgebaut werden sollte, hatte Borler die Nase vorne: Von den fünf für ganz Deutschland geplanten Grünlandinstituten wurde eines dort errichtet. 1950 erfolgte die Grundsteinlegung. Erste Lehrgänge - für Berater im Sommer, für Landwirte im Winter - fanden schon statt, ehe das Gebäude 1951 offiziell eingeweiht wurde. 175.000 Mark habe das in klassischer Architektur erbaute Haus gekostet, berichtete Dr. Klöckel. 40.000 Mark zahlte damals die Ortsgemeinde, 10.000 das Land, 21.000 die Landwirtschaftskammer, und 104.000 Mark kamen aus Mitteln des Marshallplanes. Dr. Helmuth Unglaub war der erste Leiter der Einrichtung und setzte den Schwerpunkt zunächst auf die Heuwerbung, ließ Vorverlegung der Schnittzeit, Düngung und Unterteilung von Weideflächen erproben. Mit Dr. Peter Roos kam ein Pflanzensoziologe hinzu. In Borler gab es die erster Unterdachtrocknungsanlage in Rheinland-Pfalz und die ersten elektrischen Weidezäune. Als Dr. Wolfgang Klöcker 1962 als »Chef« nach Borler kam, waren Heuwerbegeräte und neue Lade- und Fördertechniken zu erproben und zu bewerten. Für neue Ansaatmethoden war das Eifeldorf beliebter Standort, und als niederländische und deutsche Nachsämaschinen zum Vergleich über die Weiden rollten, schauten Hunderte von Menschen zu. Die Lehr- und Versuchsanstalt war Exkursionsziel und Fachtagungsort.

Neue Verfahren der Weidewirtschaft, die vom Niederrhein kamen, wurden in den 80er Jahren in Borler großflächig praktiziert. Als die Niederländer und die Dänen Deutschland mit Saatgut zukippten, wurden umgehend Versuche zur Prüfung von EG-Saatgut angelegt. Das Institut in Borler sei immer Mittler zwischen Wissenschaft und Praxis gewesen, betont Dr. Klöcker, der 1974 zur neugegründeten Ausbildungsstätte nach Emmelshau-en/Hunsrück wechselte und im Jahr darauf veranlasste, dass eine seiner eigenen Ideen - die Übersaatmethode - in Borler ausprobiert wurde. »Heute kann man den Bauern im Bereich Grünland nichts Neues mehr erzählen,« erklärte Klöcker und schloss mit den Worten: »Deshalb hat die Lehr- und Versuchsanstalt in Borler ihre Bedeutung verloren.« Der eingangs erwähnte Laborant Edmund Blick aus Kelberg hatte sich von Borler aus 33 Jahre lang für die rheinland-pfälzische Landwirtschaft engagiert. Bei seiner Verabschiedung war der Präsident der Landwirtschaftskammer, Günther Schartz, zugegen. Er bezeichnete Blick als »einen soliden Mann mit solidem Fachwissen«, der seit seinem Dienstantritt am 1. April 1965 nur positive Beurteilungen erfahren habe. Edmund Blick sprach von sich selbst als dem »letzten Überlebenden« der Lehr- und Versuchsanstalt. Bereits ein halbes Jahr vor ihm hatte sein langjähriger Kollege, der landwirtschaftlich-technische Angestellte Josef Düx aus Mohn, seinen Hut genommen. Er hatte auf den Tag genau 40 Jahre lang für die Einrichtung gearbeitet, geplant, die Versuchsfelder bewirtschaftet, die Ergebnisse ausgewertet und die Versuchsbücher geführt. Jahrzehntelang hatte er die zum Institut gehörende Wetterstation betreut und Sonnenscheinstunden, Niederschlagsmengen und Außentemperaturen aufgezeichnet. Karl Otto Schmitt von der Trierer Außenstelle der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftskammer nannte Düx »einen Glückstreffer für die Landwirtschaft«.