Der gute, alte Tisch

Maria Pritschen, Hinterhausen

Eines Tages, vor gar langer Zeit stand ich schön und schmuck in einem Kölner Möbelgeschäft. Es war so um die Jahrhundertwende. Da kamen ein paar Damen mit ihren langen Kostümen und großen Hüten in den Laden. Sie suchten so etwas wie mich, für ihre Eltern. Ich wurde von allen Seiten begutachtet und für brauchbar befunden. Nach einigem hin und her war der Kauf erledigt, meine große Reise begann; das Ankunftsziel war Gerolstein in der Eifel. Dort kam ich in die gute Stube. Ich war größer als andere Tische, die Maße für eine Groß-Familie. Der Großvater hatte den Ehrenplatz am Kopfende, daneben die Großmutter, die Eltern, auf der Eckbank saßen die Kinder um mich herum. Benutzt wurde ich an erster Stelle bei den Mahlzeiten. Nachmittags wurden die Hausaufgaben auf meiner Platte gemacht, sie war dick und stark. Schließlich musste ich ja allerhand aushallen.

An einem Ende von der Platte war der Großmutter einmal eine Brikettkohle von der Schaufel, auf mich herunter gefallen. Das tat weh. Es wurde ein richtiges, rundes Loch.

Die Kinder freuten sich und benutzten es als Klickerkäulchen. Wer zehn Klicker nacheinander ins Loch fletschte, war Sieger. So ein großer Tisch wie ich, wurde für vieles gebraucht. Kam die Näherin ins Haus, wurde auf mir zugeschnitten, auch zum Bügeln war ich gut zu brauchen.

Manchmal wurde es mir richtig warm unter der Bügeldecke. Samstags legte man mir eine Tischdecke über, darauf kam ein bunter Feldblumenstrauß. Oft saß auch ein junges Mädchen bei mir. Sie hat viel gelesen, manchmal schrieb sie auch Briefe. Vielleicht Liebesbriefe? Das waren noch Zeiten! In den fünfziger Jahren kam ein neuer Tisch ins Haus und ich musste mich auf dem Speicher langweilen, wie so viele andere Sachen auch. Endlich, bei einem großen Familien-Scheunenfest, da wurde ich noch mal gebraucht. Es gingen einige Jahre ins Land, doch jetzt hat man beschlossen, dass ich aufpoliert werde und wieder ins Haus komme, als wahres Zierstück, ich, der alte Tisch.