Eifelflora in Wald und Flur!

Heinz Hürth, Auel

Bunte Blumenwiesen, die in vielfältigen Artenzusammensetzungen bei uns in der Eifel noch häufig zu sehen sind, fesseln nicht nur den Fachmann, sondern jedes empfängliche Herz aller Naturfreunde. Mitten hinein in unsere nüchterne Arbeitswelt bieten sie unseren Augen ein beglückendes Geschenk an Farbenpracht. Stets weitet sich dem, der mit Liebe und Hingabe in einen wenn auch begrenzten Bereich der Natur einzudringen versucht, allmählich der Blick für Farbe und Vielfalt. Immer neue Wunder erwarten uns im Jahr, die Fülle von Farben erfreuen die Augen, und immer wechselnde Motive wecken unseren Durst nach mehr Wissen. Kleine unscheinbare Blümchen am Wegesrand oder große Farne, Bäume und Sträucher, Wald oder Wiese, all dies ist Ansporn, mehr zu schauen. Welch ein Kunstwerk ist die blaue Kuppel der Glockenblume über ihrem Fruchtknoten und den Staubblättern, die Natur hat tausend Gesichter, sie zu erkennen, zeigt uns ihre Unerschöpflichkeit. Die weiße, rote oder goldfarbene Taubnessel wächst an Hecken und Waldrändern ebenso wie in Gärten, sie ist eine bescheidene Blume, gehört aber mit zu den Formschönsten unserer heimischen Flora. Die Blüten reihen sich in zierlichen Quirlen um den

 

 

vierkantigen Stengel, und stehen im wirkungsvollen Gegensatz zu dem kräftigen Dunkelgrün der Blätter. Die Taubnessel ist neben ihrer untadeligen Schönheit eine gut durchdachte technische Anpassung in Form und Zweckmäßigkeit, ein Kunstwerk der Natur. Die Blüten sind bei den Hummeln ein begehrter Landesplatz wegen des Zuckersaftes. Als Kinder haben wir diesen süßen Saft ebenfalls zu schätzen gewusst, indem wir die einzelnen Blüten von den Stengeln zupfen und die Blütenöffnung zusammendrückten, den unteren Teil zwischen die Lippen nahmen, den Nektar aussaugten. Kalkmagerrasen mit ihrer Blütenfülle ziehen Schmetterlinge und viele andere Insekten magnetisch an, das hat wiederum zur Folge, dass viele Vogelarten ebenfalls hier ihre Lebensgrundlage, sprich Futtergrundlage für Nachkommenschaft vorfinden. Je nach Jahreszeit sind diese Magerrasen durch eine ständig wechselnde Blütenpracht gekennzeichnet, bunte Blumen locken noch buntere Schmetterlinge an, der Beobachter weiß nicht, was er mehr bewundern soll. Diese Wiesen sind mit Schlehen- und Weißdorngebüschen verzahnt, in denen eine Vielzahl von anderen schützenswerten Insekten leben. Charakteristische Blütenpflanzen der Kalkrasen umfassen sehr attraktive Arten, dazu zählen einige Orchideen und Enziane bei uns in der Eifel.

Wanderungen auf Waldwegen zeigen die Farbenvielfalt der Waldraine. Rote und weiße Lichtnelken, eine Fülle von Farnarten, die uns an die Vorzeit erinnern und, obwohl sie sich umständlich vermehren, lassen sie sich nicht verdrängen. Das schwarze Bilsenkraut ist zwar sehr giftig, aber die Blüte ist wunderschön, leider nur noch sehr selten zu sehen. Wo der Wald etwas mehr Licht durchlässt, finden wir das goldgelbe Johanniskraut, es liebt Sonne und mageren Boden. Blühender Ginster belebt den dunklen Waldrand. Die deutlich voneinander getrennt stehenden Zungenblüten am Rand des intensiv gelben Blütenkörbchens verleihen der Arnika, auch Bergwohlverleih genannt, ein charakteristisches Aussehen. Man hat den Eindruck, als ob jedes zweite Blütenblatt ausgerupft worden wäre. Von alters her werden Blüten und Wurzeln zur Behandlung von Entzündungen und Blutergüssen verwendet, durch diese starke Nutzung als Heilpflanze sind die Bestände stark zurückgegangen. Eine Blume, die ihrem Namen alle Ehre macht, ist das goldfarbene Rührmichnichtan, es wächst an feuchten Stellen, meist direkt am Fluss oder Bachufer. Der Betrachter glaubt, die Blüte baumelt an einem Spinnenfaden, so verdeckt ist der dünne Stengel unter den Blättern. In der Reifezeit bedarf es nur einer kleinen Berührung und die Samen werden meterweit geschleudert, daher wohl auch der Name Rührmichnichtan. Von Mai bis November können wir die sehr schön blühenden Wilde Malve und die Moschus Malve an Straßenrändern und auf Wiesen sehen. Die Besenheide ist örtlich in großen Flächen anzutreffen, der Blütenstand ist wie eine lange Traube, die in blasspurpur-violett bis rosafarben sich von dem Hellgrün der Stämmchen abhebt. An Torfmoospolstern finden wir den rundblättrigen Sonnentau, der mit Hilfe seiner Blätter Kleintiere fängt und verdaut.

Die Wilde Karde ist nicht selten bei uns, es lohnt sich, diese etwas eigenartige Blume näher zu betrachten. Zahlreiche Blüten stehen in einem eiförmigen Blütenstand, der bis zu acht Zentimeter lang und sechs Zentimeter dick werden kann. Vorsicht ist bei Berührung geboten, denn die stachelige Oberfläche und die Blätter sind nadelspitz. Der gewöhnliche Teufelsabbiss zählt zu den Kardengewächsen, er besiedelt Flachmoore, Sumpfwiesen, sowie ungedüngte Wiesen an sickerfeuchten Berghängen, als sehr schöner Farbtupfer in lila bis dunkelblauviolett vielerorts auf unseren Wiesen vertreten. Der Name dieser alten Heilpflanze bezieht sich auf die Wurzeln, die am Ende wie abgebissen aussehen. Der Lebenslauf der Herbstzeitlose fällt aus dem normalen Rahmen unserer Pflanzenwelt merkwürdig heraus. Die Blütenbildung ist der Blattbildung weit voraus, erst Wochen später folgen die Blätter. Die Verlegung der Blütezeit in den Herbst ist eine besondere Eigenschaft dieser Blume. Durch die Wiesenbewirtschaftung hat sich der Kreislauf als günstig erwiesen, die Blüte erscheint nach dem zweiten Schnitt, die Frucht vor dem ersten Schnitt im kommenden Frühjahr. Die aus Südeuropa stammende Pflanze hat sich bei uns auf Frost und Schnee eingestellt, bei frühem Schneefall oder Überschwemmungen fällt die Blütezeit in den Frühling. Von vielen Arten der Gattung Zeitlose entfalten die meisten Blätter und Blüten gleichzeitig im Frühjahr, andere im Herbst, nur wenige haben zwischen Blüten und Blattbildung eine Ruhezeit eingeschoben. Diese Eigenschaft lässt die Vermutung zu, dass unsere Herbstzeitlose von Frühjahrsblühern abstammt, was auf die Herkunft aus dem Mittelmeergebiet hindeutet. An Kornblumen erinnern die blauen Blüten der Bergflockenblume, die bei uns von Juni bis September auf Wiesen und in lichten Waldgebieten mit kalkhaltigen Böden nicht selten ist. Aus einem kriechenden Erdspross treiben mehrjährige, meist mit nur einem Blütentröpfchen an dem bis zu achtzig Zentimeter hohen Stengel aus. Mit fünf bis acht Zentimeter Durchmesser ist dieser Korbblütler bedeutend größer in der Blüte als die Kornblume. Vielerorts wird die Bergflockenblume auch Bergkornblume genannt.

Die Gemeine Wegwarte finden wir auf trockenen Wiesen und an Wegrändern, diese schöne Blume mit ihren hellblauen Blüten wird bis zu zwei Meter hoch. Von Juni bis Oktober erfreut uns diese Art, in dieser Zeit wird sie von unzähligen Insekten besucht, es gibt wenige Blütenpflanzen, die eine solche Anziehungskraft auf die Insektenwelt haben. Nur bei Sonnenschein öffnen sich die Blüten, die dann ein Strahlenrad bilden, welches mit keiner anderen Blume zu verwechseln ist. Die Wurzeln werden als verdauungsförderndes Heilmittel angeboten. Aber nicht nur als Heilpflanze ist die Wegwarte bekannt, nein, als Zuchtform ist der Chicoreesalat überall erhältlich.

Von April bis Juli erfreuen wir uns am kriechenden Günsel, eine ausdauernde Staude mit leuchtend blauen Blüten. Wie der Name schon sagt, bildet die Pflanze nach allen Seiten Ausläufer, die sich bewurzeln. Voll erblüht erreicht sie eine bescheidene Höhe von zehn bis zwanzig Zentimetern, auch sie ist eine beliebte Bienenpflanze. Der Seidelbast wurde im vorigen Jahrhundert vom Schriftsteller Johannes Trojan in einem kleinen Gedicht beschrieben:

So eilig hat's den Frühling anzuzeigen, ein kleiner Strauch, schön rosenrot erblüh'n siehst du ihn schon an seinen schlanken Zweigen, noch eh' er sich gekleidet hat in Grün.

Vor allem im Buchenwald kündet der Seidelbast die ersten Regungen des neu erwachenden Lebens an. Schon ab März locken die stark duftenden Blüten mit ihrer lebhaften Farbe die ersten Insekten, die gerade aus ihrem Winterschlaf erwacht sind, an. Falter, Hummeln und Honigbienen besuchen den Seidelbast, weil er zu den ersten Frühlingsboten gehört, deren Blüten mit reichlich Nektar versehen sind. Der Duft ist für den Menschen nicht gut verträglich, wer längere Zeit an einem blühenden Strauch verweilt, bekommt mit Sicherheit Kopfschmerzen. In wenigen Monaten bilden sich die erbsengroßen, roten Steinfrüchte, die von Drosseln, Rotkehlchen und vielen anderen Vögeln verzehrt werden. Für Menschen und Säugetiere sind sie allerdings sehr giftig, man sagt, zehn bis zwölf Beeren sollen für einen Erwachsenen tödlich sein. Die Knäuelglockenblume ist nicht allzu häufig. Diese sehr schöne, kräftig blau gefärbte Blume finden wir auf kalkreichen Wiesen und in lichten Wäldern. Mit ihren auffallend blau gefärbten Blüten erinnert sie an Enziane; nicht selten, dass es bei flüchtigem Hinsehen zu Verwechslungen kommt. Die schöne Blume erfreut den Naturfreund von Juni bis in den November. Vergissmeinnicht und Männertreu, Maiglöckchen und Schneeglöckchen, Mohn- und Kornblume; alles finden wir in der Eifel. Geschützte Gebiete sind hier gegeben, zeugen vom gewaltigen Pulsschlag der Natur, im Wald, auf den Heiden oder im Brach. Wer die Schönheit der Natur liebt, will nicht nur davon träumen, er möchte sie ins Bewusstsein aufnehmen. Hier ist's möglich.