Machen wir's den Schwalben nach...

Gisela Bender, Deudesfeld

In diesem Jahr mussten wir lange auf unsere gefiederten Sommergäste aus dem Süden warten, doch eines Morgens waren zwei von ihnen da; die Vorboten.

Sie erholten sich einen Tag und eine Nacht von ihrem Trip, dann gingen sie daran, die Nester zu inspizieren. Nach den Gesten und dem Gezwitscher zu urteilen, gab's hier schon Meinungsverschiedenheiten, doch sie hielten sich in Grenzen. Eines Morgens saßen sechs kleine, abgekämpfte Schwalben auf dem Entmistungsseil, sie kamen mir vor, als wäre es der entkommene Teil von Waterloo. Nach der unumgänglichen Erholungszeit begann ein regelrechter Erbstreit um die vorhandenen Nester. Die unterschiedlichen Ansichten wurden mit lautem Gezwitscher hin und her ausgetragen und manchmal wurden die Tierchen HANDGREIFLICH. Tagelang schaute ich mir dieses Schauspiel an. Fazit - die Eltern dieser Schwalben hatten offensichtlich keinerlei Regelung bei der Erbfolge getroffen und unwillkürlich musste ich denken... beim Teilen der Güter scheiden sich die Gemüter. Erstaunlich war für mich die endgültige Regelung dieser Angelegenheit. Es trat kein Anwalt und kein Richter auf, es gab weder Verlierer noch Besiegte - Oberhand gewann die Vernunft. Was uns im Alltag abhanden gekommen ist, diese kleinen, hochintelligenten Tiere haben noch Achtung vor sich selbst. An kalten und regnerischen Tagen habe ich vergeblich nach ihnen ausgeschaut, dann kuschelten sie sich in ihren Nestern und gaben sich gegenseitig Wärme und ein Zugehörigkeitsgefühl. Meine Gedanken beschäftigen sich mit der Tatsache, wie anders wir Menschen in ähnlicher Situation reagieren. Gerade wo wir uns wärmen müssten, rücken wir voneinander ab.

Sind es nicht die kalten Tage im Leben, die uns auseinanderbringen?

Fasziniert beobachtete ich den ganzen Sommer diese kleinen Vögel, manchmal wäre ich gern in ihre Haut geschlüpft. Welches Gefühl mag es sein, so frei über Land und Meere zu fliegen und doch immer im gleichen Rhythmus zurückzukehren. Dieses Generationslegat der Schwalben stärkte mein ramponiertes Wertgefühl - es muß doch lebenswert bei uns sein, ich bin sicher, sonst kämen sie nicht wieder.