Streitgespräch

Amanda Haagen, Gerolstein

Ich höre, was sie sprechen

vor meinem Fenster, leis,

im Abendwind,

die Birke und die Tanne,

die beide stattlich, schön,

doch eitel sind.

 

Da sagt doch dreist die Tanne

zur Birke gegenüber:

»Und wenn Du noch so stolz bist,

mir ist mein dunkelgrünes Kleid viel lieber

 

als deine hellen Blätter, Mitte August

schon gelb,

und erst dein Stamm,

schmutzigweiß und grau,

wie unseres Gärtners blödes Lamm«.

 

Die Birke schwer beleidigt,

doch die ist auch nicht dumm:

»Du bist gemeingefährlich,

deine Blätter stechen rundherum.

 

Wenngleich du grün bist immerzu,

im Winter lach' ich dich dann aus,

den Schneebelag hier in der Eifel,

den hältst du dieses Jahr bestimmt nicht aus!«

»Papalapapp«, so spöttelt drauf die Tanne,

»man singt, wie grün sind deine Blätter,

und holt mich gar als Weihnachtsbaum

ins Haus, das ist viel netter,

geschmückt zu werden

und mit Kerzen angetan,

als wahres Heiligtum verehrt

von Kind und Frau und Mann«.

»Oh je«, so triumphiert jetzt stolz die Birke,

»der Schmuck ist schnell dahin,

du kommst nachher als dürres Zeug

am End' nur noch in den Kamin.

 

Doch meine jungen Triebe,

die schätzt man dann zur Maienzeit,

schmückt sie mit bunten Bändern,

zum Tanz und Lustbarkeiten weit und breit«.

 

Es sitzt das kleine Eichkätzlein

auf einer Eiche nebenan...

»Wollt ihr euch jetzt vertragen!

An euch ist wirklich gar nichts dran!«

 

Es hüpft zur Tanne, dann zur Birke,

hinauf zur Scheune, unters Dach

und schimpft: »Schämt ihr euch nicht?

Dass ich nicht lach!

Ihr streitet um der Schönheit willen,

Da lob ich mir die Eiche hier,

die bietet Nahrung für den Winter,

für mich und mancherlei Getier.«

 

Jetzt kommt ein Windstoß -

hui, der fegt ganz wild daher,

die Tanne neigt sich tief und sagt:

»Entschuldigung«

Die Birke schüttelt sich und schwört:

»Wir streiten nimmermehr!«