Nein, ums Christkind geht's hier nicht, zumindest nicht vordergründig. Es geht um eine alte, sehr alte Dose und da hinein kommen alle Jahre wieder unsere Weihnachtsplätzchen, sie verwahrt die bis zum Fest. Ein blechernes Ungetüm ist das, goldfarben gespritzt, mit Jugendstilmotiven dekoriert - Obst in einer Schale, daneben Alpenveilchen - und dies einfältige Thema wiederholt sich rundum.

Sie ist kein ansehnliches Stück, die alte Blechdose. Morgen kommt die Müllabfuhr.

Unsre graue Tonne steht schon vor der Tür und da gehört die Dose im Grunde hinein. Ihr Deckel klemmt, er lässt sich nur noch mit Mühe schließen - ich kann sie nicht wegwerfen. Dabei bin ich im Haus als Entsorger bekannt, beinahe verschrien. Aber mit DEM Ding werde ich nicht fertig. Vor Jahren brachte es unsre Tochter aus einem Seniorenheim mit. Dort arbeitete sie als Praktikantin, betreute (auch) eine alte, recht eigenwillige Frau und als die starb, warfen die Angehörigen den ganzen Plünn in einen Container, niemand wollte etwas haben.

Die Dose soll da auch rein? Ja, die auch.

Darf ich die mitnehmen? Das alte Ding? Na bitte! Und so kam sie in unser Haus, die Blecherne. Unser Mädchen überlegte (und das laut)... was mag die alles gesehen haben? Gewiss war sie mal eine Zier für ihre Besitzer und ihr Outfit stimmte zu der Zeit, als Dinge wie sie im Handel waren - damals war sie schön, war wer.

Nun kann niemand mehr erzählen, wozu sie diente. Aber die alte Frau muss sie für wert befunden haben, die späten Jahre mit ihr zusammen zu sein.

Was sie im Heim barg? Auch das bleibt im Dunkeln. Jetzt ist das Ungetüm MEINE DOSE, ich hab sie angenommen, weiß im Grunde nicht warum, aber zum Müll kommt sie nicht. Ist das nun Torheit oder sich leise einschleichende Melancholie des Älterwerdens? Ich weiß es nicht, es ist mir auch nicht wichtig. Alle Jahre wieder beschicke ich dies Behältnis mit dem Kleingebäck, weiß es im Bauch der Blechernen gut aufgehoben und toleriere von Jahr zu Jahr mehr ihr unansehnliches Äußeres. Da sag mir einer, Gefühle sind out!