Die selige Regina Protmann

Eine Ordensgründerin und ihre Beziehungen zu Daun

Alois Mayer, Daun

 

Am 13. Juni 1999 wurde in Warschau Regina Protmann, eine Ordensfrau, selig gesprochen. Ein feierlicher Akt, im Beisein zahlreicher Gläubiger, kirchlicher Prominenz und des Papstes. Anwesend waren auch zahlreiche Dauner Bürger und der Männergesangverein Daun, der in Berlin die feierliche Kardinalsmesse musikalisch gestaltete. Anerkennung und Dank an eine Ordensgründerin, deren Lebenswerk heute auch für die Kreisstadt von großer Bedeutung ist. In der Nähe der Ostsee liegt Braunsberg. In dieser ehemaligen deutschen Stadt, heute polnisch, wird 1522 den wohlhabenden Kaufleuten Peter und Regina Protmann eine Tochter geboren. Sie erhält den Namen Regina und wird die spätere Gründerin der Katharinen-Schwestern. Katharina wird in einer Zeit geboren, in der die Menschen Mitteleuropas das Bewusstsein haben, in einer »neuen Zeit« zu leben. Es sind die Jahrzehnte großer Entdeckungen und des Aufstiegs der Habsburger zur Weltmacht. Die europäischen Nationalstaaten werden mächtig und führen erfolgreiche Abwehrkämpfe gegen die Türken. Wirtschaft und Handel blühen auf. Glaubensfragen durchziehen das Jahrhundert wie ein roter Faden. So auch im Ermland. Der Hochmeister des Ordensstaates, Albrecht von Brandenburg, wandelt auf Anraten Luthers sein geistliches Territorium in das weltliche Herzogtum Preußen um und unterstellt es der polnischen Krone. Die von Martin Luther ausgelöste Reformation erschüttert durch erbitterte Glaubenskämpfe nicht nur das deutsche Reich. Der von Landesfürsten geförderte evangelische Glaube gewinnt auch im Osten rasch an Boden.

Regina wird katholisch getauft und wächst wohlbehütet und ohne existentielle Nöte zu leiden wie die anderen Töchter angesehener Patrizierfamilien heran, erlebt aber die spannungsgeladene Zeit der Reformation. Als sie neunzehn Jahre, eine begehrenswerte wohlhabende Frau im heiratsfähigen Alter ist, tritt eine für die Umwelt rätselhafte Wandlung in dem Mädchen ein. Möglicherweise durch den Einfluss von Jesuiten wendet sich Regina immer mehr von weltlichen Dingen ab und beginnt ein Leben tiefer Religiosität und Innerlichkeit. Ihr erster Biograf bezeichnet dies mit den knappen Worten »Abkehr von der Weltlust - feurige Liebe zu Gott«.

Ihr Beten nimmt mystische Züge an, und ihre Hinwendung zum Herrn ist beseelt von jugendlich-stürmischem Eifer. Gott allein soll künftig ihr Herz gehören. Ist solches Beten Überschwang, ein aufflammendes Strohfeuer, das bald erlischt? - Wir nüchternen Menschen des 20. Jahrhunderts vermögen diesen Überschwang einer Jugendlichen kaum mehr zu verstehen, geschweige denn nachzuvollziehen. Bewusst und aus freien Stücken wählt Regina den Weg der Nachfolge Christi. Entschlossen trennt sie sich von Eltern, Familie und Bekannten.

Zwei gleichgesinnte Mädchen schließen sich ihr an und beziehen ein ärmliches Haus in der Kirchgasse. Sie wohnen armselig; nackte und kahle Wände, keine Vorräte in Kammer und Keller. Ein Fass dient zunächst als Tisch. Die drei Mädchen verfügen über kein Vermögen. Aber sie wollen nicht von Almosen leben, sondern sich mit Arbeit ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die Leute schütteln den Kopf. Nach den Anschauungen der Zeit gehört ein Mädchen bis zur Hochzeit ins Haus der Eltern, oder es tritt in ein Kloster ein. Das Verhalten der drei wird abgelehnt und verurteilt. Doch Regina und ihre Gefährtinnen stören sich nicht an dem Gerede der Bürger der Stadt Braunsberg, die sie als »Aussteiger«, wie wir heute sagen würden, ablehnen.

»Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.« Dieser Devise des Völkerapostels Paulus folgt auch Regina. Das bewusste Leben aus dem Glauben macht sie hellhörig für den Willen Gottes. Sie handelt klug, nüchtern und konsequent, lässt sich von Besserwissern oder von ängstlichen Seelen nichts abhandeln. Wer sich ihr anschließt, soll wissen, was ihn erwartet. Während viele Klöster durch Lauheit und Verfall aussterben, macht Reginas kompromisslose Haltung immer mehr Mädchen nachdenklich, und manche schließen sich der kleinen Schar an. Religiöse Gemeinschaften brauchen als Fundament eine feste Lebensregel. Regina, knapp dreißig Jahre alt, entwirft für sich und ihre Gefährtinnen eine erste klösterliche Satzung. Die erhaltene Urschrift jener »kurzen Regel« von 1583 ist mit ihren 29 Abschnitten auf zwölf Pergamentblättern geschrieben. Im Mittelpunkt der Regel steht noch keine konkrete Aufgabe für den Einsatz der jungen Gemeinschaft, sondern ein Leben tiefer Innerlichkeit, das Gottes Ehre mehren möge. Der Bischof erkennt die Regel am 18. März 1583 an. Nunmehr sind die Katharinen-Schwestern, wie sie sich nennen, in aller Form den alten kirchlichen Ordensgemeinschaften gleichgestellt. Regina Protmann wird erste Oberin - sie wird nun »Materin« genannt - und übernimmt die Verantwortung für das geistliche Heil und für das weltliche Wohl ihrer Schwestern. Sie entscheidet über die Aufnahme neuer Schwestern, über die Feier der Gottesdienste und über die Einteilung der Arbeit. Sie und ihre Nachfolgerinnen sorgen für die Einhaltung der Ordnung, achten darauf, dass alle Schwestern die gelobte Armut einhalten und dem Geiste der Regel entsprechend leben. Das Leben der Schwestern im Katharinen-Kloster ist einfach, ja hart. Um vier Uhr morgens beginnt der Tag. Feste Zeiten für Gebet und Arbeit, für Schweigen und Reden bestimmen den Ablauf des Tages. Jede Novizin hat vor ihrer Einkleidung und vor ihren Gelübden ein Probejahr abzulegen. Besuchern bleibt das Haus der Schwestern verschlossen. Nur der Priester hat Zutritt. Weitere Ausnahmen gibt es nicht. Die wachsende Schar der Nonnen will nicht von Almosen leben und von anderen abhängig sein. Sie will ihre Arbeitskraft in den Dienst am notleidenden Menschen stellen. Und dies ist mehr als notwendig, gerade in jener Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen der Protestanten mit den Katholiken. Verwüstung, Hunger und Not, Pest und Cholera wüten im Ermland. In den bestehenden Hospitälern wurden die Kranken bisher nur von Männern betreut, und die Sitten der Hospitaldiener sind oft mehr als rauh. Die Zahl der

 

Betten reicht bei weitem nicht aus. Es steht schlimm um die Kranken, zumal um jene, die in ihren Wohnungen ohne sachgemäße Behandlung dahinsiechen.

Regina Protmann ist überzeugt davon, dass Gott sie und ihre Schwestern dazu beruft, sich mit allen Kräften und Möglichkeiten für die Pflege der Armen und Kranken einzusetzen. An die Errichtung eines Hospitals ist, mangels der erforderlichen Mittel, freilich nicht zu denken. Die Schwestern müssen ihre caritativen Hilfsdienste ambulant in den Häusern der Kranken leisten, bald sind sie von den Krankenlagern nicht mehr wegzudenken. Die Krankenpflege wird zu einem festen Aufgabenbereich für die Katharinen-Schwestern. Dem Beispiel Mutter Reginas und ihrer Schwestern ist es zu verdanken, wenn heute Hunderte von Frauenkongregationen in der Krankenpflege tätig sind und Tausende von Krankenhäusern im Geiste christlichen Dienens von ihnen betreut werden. Eine weitere Aufgabe sieht der Orden in der Erziehung und Ausbildung von Mädchen und Frauen. In Braunsberg besteht zwar ein Gymnasium, unter Leitung von Jesuiten-Patres. Es wird aber nur von Söhnen der Wohlhabenden besucht. Die Kinder der einfachen Volksschichten wachsen ohne Schule auf. Vor allem die Mädchen haben darunter zu leiden. Sie sind auf das wenige angewiesen, das sie in ihrem Elternhaus mitbekommen. Regina Protmann sieht die Folgen, und sie handelt. Sie fragt nicht nach Tradition und öffentlicher Meinung. Für sie ist Armut kein gottgewollter sozialer Stand. Kurz entschlossen sammelt sie die Kinder aus der Umgebung, vor allem Mädchen, und richtet im Klostergebäude eine Schule ein. Die Kinder sollen nicht, wie bisher, von Klerikern, sondern von den Schwestern unterrichtet werden.

Die Jahre gehen dahin und werden zu Jahrzehnten. Nach 30 Jahren des Einsatzes und der Erfahrung zieht Mutter Regina Bilanz. Sie erkennt die Notwendigkeit, die »kurze Regel« zu überarbeiten und den veränderten Verhältnissen anzupassen. So entwirft sie im Frühjahr 1602 eine überarbeitete, zweite Ordensregel. Manches erfährt eine neue Regelung. Das Eintrittsalter der Mädchen wird von zwölf auf sechzehn Jahre heraufgesetzt, die geheime Wahl der Oberin eingeführt und zu ihrer Unterstützung ein Beirat von älteren Schwestern eingesetzt. Die Errichtung von Mädchenschulen wird als weitere Aufgabe der Schwestern in die Regel aufgenommen. Die Regel wird 1602 vom päpstlichen Nuntius Rangoni bestätigt. Seit dieser Zeit sind die Katharinen-Schwestern eine Kongregation päpstlichen Rechtes. Die Jahre schreiten dahin. In unausgesetzter Arbeit, in langem Beten und hartem Fasten verzehrt sich die Gesundheit Reginas. Unaufhaltsam setzt der Verfall ihrer Kräfte ein. Am 18. Januar 1613 stirbt sie im Alter von 61 Jahren. Der Leib der Ordensgründerin findet seine Ruhestätte zunächst in der Jesuitenkirche von Braunsberg und später in der Kapelle des Katharinen-Klosters.

Jahrhunderte haben mit Kriegen und Verwüstungen, mit Völkermorden und Vertreibungen das Gesicht Europas verändert. Sie konnten die Ausbreitung der Katharinen-schwestern von der kleinen Stadt Braunsberg in die Welt hinaus nicht verhindern.

Nicht nur der europäische Osten und deutsche Länder in der Mitte und im Norden werden zum Wirkungsfeld des Betens und der Arbeit, sondern auch Länder jenseits der Meere.

Wo immer Katharinen-Schwestern in ihrem schlichten schwarzen Ordensgewand Kranke pflegen, Arme betreuen, Jugendliche unterrichten und erziehen, dort tun sie es bis heute beseelt vom Geist und der Glaubenskraft ihrer Gründerin, der treuen Dienerin Gottes, Regina Protmann. Und diesem ihrem Ordensauftrag kommen sie auch in vorbildlicher Weise in Daun nach, sei es im Krankenhaus Maria-Hilf, in den Kindergärten, in der Krankenpflegeschule oder im Alten- und Pflegeheim, das seinen Namen nach der Ordensgründerin hat: Regina Protmann. Doch wie kamen die Katharinenschwestern eigentlich nach Daun? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir gedanklich über 100 Jahre zurückgehen.

Am 3. 3. 1884 bezogen drei Franziskanerinnen in einem Burgmannenhaus die ersten Zimmer im Beckerschen Anwesen am Burgaufgang, dort, wo heute das Restaurant »Burghof« ist, um sich in Daun der ambulanten Krankenpflege anzunehmen. Mit Hilfe einer Stiftung des damaligen Dechanten Querings und der Spendierfreudigkeit der Dauner konnte dann Anfang Dezember 1894 das Krankenhaus in der Maria-Hilf-Straße bezogen werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entsprach dieser Bau nicht mehr den erforderlichen Ansprüchen eines modernen Krankenhauses. Ein Neubau musste her. 1950 war er fertig. Doch dann die Hiobsbotschaft: Aufgrund mangelnden Ordensnachwuchses löst der Waldbreitbacher Orden seine Klosterniederlassung in Daun auf. Dank des damaligen Kirchenvorstandes unter Dechant Thomas gelang es, die 1945 von den Russen aus ihrem Mutterland Ermland vertriebenen Katharinen-schwestern in ihrem Mutterhaus in Berlin zu überzeugen, sich ab 1951 in Daun niederzulassen. Und die Kirchengemeinde übereignete diesem segensreichen Orden, der sich in Daun blühend entwickelte, Gebäude und Land. 1962: Bau eines Schwesternwohnheimes (Einweihung: 1964)

26. 2. 1975: Grundsteinlegung zu eigenem Konventhaus (Einweihung: 23. 6. 1976).

18. 9. 1980: Grundsteinlegung zu einem vorbildlich ausgestatteten Seniorenheim »Regina Protmann« ausgangs der Stadt Daun, Dockweiler Straße (Einweihung: 10. 6. 1983).

Die Dauner, und all jene, die durch den selbstlosen Einsatz der Nonnen Hilfe und Heilung erfuhren, sind froh und stolz auf diesen Orden und sein segensreiches Wirken in der Stadt und über ihre Grenzen hinaus. Auf einen Orden, der vor über 400 Jahren seinen Anfang nahm - durch seine 1999 selig-gesprochene Gründerin Regina Protmann.