Erinnerung an unsere Kinderzeit

Maria Pritschen, Gerolstein

Wir machten einen Spaziergang in meinem Heimatort. An vertrauten Stellen zog die Kindheit an mir vorbei. So auch an einem Bach, wo meine Mutter die weiße Wäsche nach der langen Winterzeit bleichte. Im Winter wurde nur das Nötigste gewaschen, denn der Trockenvorgang war oft über dem Ofen. Dort hing an der Wand ein Wäschetrockner. Fünf Holz- oder Metallstangen klappte man auf und hing die Wäsche darüber. Bei schlechtem Wetter genügte das nicht, dann wurden noch abends in der Stube Wäscheleinen hin und her gespannt. Auch Tisch und Stühle waren geeignete Stellen, um nasse Wäscheteile auszulegen. War über Nacht nicht alles getrocknet, musste der Vorgang am nächsten Abend wiederholt werden. So wurde dann im Winter die weiße Wäsche in einer großen Truhe gesammelt. Die Männer und Frauen trugen damals handgewebte Leinenhemden. Bei den Großeltern stand noch ein intakter Webstuhl in der Kammer. Darauf hatte meine Mutter ihre ganze Aussteuerwäsche gewebt. In Bett- und Tischwäsche waren die Anfangsbuchstaben von ihrem Mädchennamen - M. L. - mit rotem Faden eingestickt. Wenn im März sich schöne Frühlingstage anzeigten, verständigten wir uns mit den Verwandten im Nachbardorf und die großen Waschtage begannen.

Mit Asche aus Buchenholz mit kochendem Wasser übergössen wurde die Lauge hergestellt. Über Nacht konnte sich die Wäsche mit Wasser voll saugen, das nannte man Einweichen. Nach der alltäglichen Morgenarbeit und einem guten Frühstück ging es dann richtig los. Es wurde geschrubbt, gebürstet und gedrückt, bis der Schmutz sich in der Lauge löste. Mittlerweile war der Ackerwagen angespannt und in Waschbüdden wurden die nassen Sachen zum Bach gefahren. Dort hat man das klare, frische Quellwasser, was sich durch den Wiesengrund schlängelte, gestaut. Mit einem Bleuel, das war ein Holzschläger, wurde die Wäsche noch mal bearbeitet. Anschließend breitete man sie schön ordentlich auf der Wiese aus. Sobald sie etwas antrocknete, bei dem schönen Frühlingswetter ging das schnell, musste alles mit der Gießkanne nass gemacht werden. Kam man an verschiedene Stellen nicht ran, holten wir eine Schöpfkelle mit einem langen Stiel. Für meinen Vetter und mich waren das große Festtage. Da durften wir so richtig nach Herzenslust am Bach matschen. Es fiel uns immer was Neues zum Spielen ein. Fuhren wir nach getaner Arbeit heimwärts, waren wir noch lange nicht fertig. Wenn die Wäsche getrocknet war, kam »Jod«. Sie war die Patin meiner großen Schwester, unsere Tante, aber für uns Kinder halt die Jod. Sie fing an, viele weiße Sachen zu stärken und dann kam das große Bügeln. Ein schweres Bügeleisen wurde mit durchglühten Brikettkohlen gefüllt. Mit einem nassen Finger probierte sie die richtige Temperatur. Zuerst wurden die Stehkragen von der linken Seite gebügelt, auf der rechten Seite ganz vorsichtig von beiden Seiten zur Mitte hin. Mit dem Bügeleisen bekam der Kragen die Rundform. Damals trugen die Männer an Sonn- und Festtagen noch »Latze« über dem Hemd. Diese wurden ganz sorgfältig gebügelt und anschließend drückte Jod mit einem Schlüssel von der linken Seite die Ornamente ganz fest heraus. So waren unsere Väter für viele Gelegenheiten wieder richtig schick. Aber das Flicken der Wäsche musste auch noch sein. Dafür wurde die Nähmaschine an das Fenster geschoben. Ich setzte mich in ein Eckchen auf den Boden. Dabei konnte ich so gut die wippenden Füße von Jod beobachten. War sie aufgestanden, um am Tisch etwas herzurichten, machte ich mich heimlich an die Arbeit. Das klappte am besten, wenn der Riemen von der Nähmaschine ab war. Dann konnte ich so richtig mit Händen und Füßen den Rhythmus ausprobieren. Aber mein Können wurde gar nicht richtig eingeschätzt, bedurfte es doch wieder viel Fingerspitzengefühl, bis die Maschine so lief, wie die Anderen das haben wollten. Die Schuhe von Jod hatten mich auch fasziniert und weckten mein Interesse; sie hatten so viele Haken. Hatte sie Pantoffeln angezogen, konnte ich mich ganz gut damit beschäftigen. Den Schuhriemen wickelte ich um ein paar Haken. Nach Knoten versuchte ich die große Kunst, eine Schleife zu binden. Läuteten am anderen Morgen die Glocken zur Messe, wollte Jod schnell die Schuhe anziehen, aber oh weh, sämtliche Knoten mussten zuerst gelöst werden. Sie dachte dann wohl mit gemischten Gefühlen an mich und meine mühsame Arbeit. War die Messe dann zu Ende, hatte sich die Sachlage etwas entschärft, Mutter und Jod lachten dann heimlich über meine Einfalle. Für mich jedoch begann ein neuer, wertvoller Tag.