Erinnerungen an letzte Kriegstage

Maria Prämaßing , Müsch

Noch jedes Jahr kommen mir im März die Geschehnisse der letzten Kriegstage in Erinnerung.

Die Front rückte immer näher, man hörte das Grollen der Geschütze und in dem Wiesental bei Berndorf konnte man von Loogh aus die Einschläge der Granaten sehen. Wenn ich heute daran denke, wundere ich mich, dass ich damals kein Angstgefühl spürte. In unserem kleinen Dorf hatte eine ganze Kompanie Soldaten einschließlich des Generals Quartier eingenommen. Über Tag blieb es ruhig, doch in der Nacht zum 6. März gegen 21 Uhr hörte man plötzlich um unser Haus das Einschlagen von Granaten. Unser Haus war voll von Soldaten. Da wir einen gewölbten Keller hatten, den mein Vater vorsorglich im Herbst noch zusätzlich abstützte, haben wir dort übernachtet. Eine Familie aus der Nachbarschaft kam ebenfalls zu uns in den Keller. Wir schliefen so gut es ging, mit Decken auf den Kartoffeln, die dort gelagert waren. Wenn es etwas ruhiger wurde, schaute mein Vater nach draußen, um zu sehen, wie weit die Einschläge der Granaten von den Häusern entfernt waren. Es war noch kein Haus getroffen worden, an Schlaf war nicht zu denken. Meine Großmutter saß neben einem alten Kanonenofen und betete unaufhörlich den Rosenkranz. Gegen Morgen ließ der Kanonendonner nach und es blieb auch am darauffolgenden Tag ruhig. Nachts ging es von Neuem los. Die Soldaten waren immer noch im Dorf und verhielten sich unauffällig. Draußen war es dunkel und unheimlich, nur wenn eine Granate einschlug, wurde es plötzlich für einen Moment hell. Ab und zu kam ein Soldat zu uns in den Keller um sich aufzuwärmen. So gegen vier Uhr kam ein Soldat und sagte zu meinem Vater: »Ich darf Ihnen gratulieren, Sie haben den Krieg gewonnen.« Es soll der Feldwebel gewesen sein. Zuerst konnte ich mir nicht erklären, was diese Aussage zu bedeuten hatte.

Noch ehe der Morgen dämmerte, hatten die Soldaten den Rückzug angetreten in Richtung Rhein, der Abschuss der Granaten ließ nach. Unser Dorf war gerettet, kein Haus getroffen.

Die Bewohner schauten sich am anderen Tag die Einschläge an, es sollen über 80 gewesen sein. Nun begriff ich auch die Worte, die der Soldat in der Nacht zu meinem Vater gesagt hatte.

Ein paar Tage später kamen die Amerikaner mit ihren Panzern. Nach kurzem Aufenthalt in der Dorfmitte sind sie dann in Richtung Niederehe weitergefahren. Ich war damals zwölf Jahre alt.