Wir über uns...

ein Paar Schuhe schreibt:

Otto Knie, Esch

Sehr geehrter Herr Schumachermeister!

Unser Herr hat uns beiden eine Kur in Ihrer Privatklinik genehmigt. Wir freuen uns, mal 'ne Woche, wenn's auch sein muss etwas langer in Ihrem Hause verweilen zu dürfen. Sie werden schnell die Diagnose gestellt haben, woran wir kranken. Wissen wir doch, dass wir so gerne gar nicht entbehrt werden. Unser Herr mag uns beide sehr, das spuren wir ganz genau und dies ist ja nichts Außergewöhnliches, geht es doch allen unseren Artgenossen, die beliebt, gut und schon sind so. Langeweilige, unbequeme und alte Berufskollegen haben da viel mehr Freizeit. Aber geliebt zu werden, ist eine Auszeichnung. Kommen wir doch aus gutem Hause. Wir sind die besten und beliebtesten »Treter« unseres Herrn, meinen wir jedenfalls. Umsonst nimmt er uns doch nicht so gerne mit, sogar auf Reisen. Warum wir uns da so sicher sind, begründen wir: Oft schaut er sich in allen möglichen Läden nach Ersatz oder Nachfolgern für uns um. Aber die Suche scheint nicht von Erfolg gekrönt zu werden. Seine fragenden, ja oft ratlos erscheinenden Blicke lassen ahnen, dass er uns nicht gerne verlieren will, bevor seine Wünsche, nach würdigen Nachfolgern in Erfüllung gehen. Dies stärkt natürlich unser Selbstwertgefühl enorm, spüren wir doch unseren Beliebtheitsgrad. Vor einiger Zeit hörten wir die Stimme unseres Herrn in einem Schuhladen: »Ich suche ein Paar gute Schuhe, innen groß, außen klein!« Diese Anforderungen scheinen wir beide zu erfüllen. Er lebt zwangsläufig auf etwas großem Fuß, trotzdem ist er sehr bescheiden. Seine Suche endete ergebnislos. So genießen wir es immer mehr, wenn er uns schonend behandelt, uns Tip-Top sauber hält, immer öfter werden wir fein eingecremt und poliert.

Als wir vor mehr als zehn Jahren in seine Obhut gelangten, war unser Teint wesentlich blasser. Wir spürten förmlich, dass er uns Bleichgesichter zuerst gar nicht richtig mochte. Brünette Typen hat er immer bevorzugt (auch bei Frauen). Er kam dann auf die Idee, uns mit dunklerer, guter, ja wirklich guter Creme zu pflegen. Dann entsprachen wir auch bald seinen Schönheitsidealen. Echte Freunde wurden wir und sind es auch geblieben. Sind wir an seinen Füßen in Diensten, überkommt uns das Gefühl, dass er sich in uns wohlfühlt. Ja, mit uns kann er sich sehen lassen, aber wir auch mit ihm.

Wir finden, dass er in letzter Zeit immer freundlicher wirkt. Bei seinem Alter schon verwunderlich! Ob da möglicherweise seine fast zweijährige Damenbekanntschaft dahinter steckt? Man weiß ja nie, was jemanden so verändern kann. Unser Herr fährt so alle drei bis vier Monate in eine kleinere Stadt bei Köln. Fahren wir dann nach Hause, werden wir das Gefühl nicht los, dass er ernorm beschwingt und glücklich wirkt. Wir sind da fast ganz sicher, dass ihm dort eine sehr tüchtige Dame hilft, seinen Gesundheitszustand wieder ins rechte Lot zu rücken. Dass er arg krank war, ist nicht nur uns bekannt. Nun scheint es ihm, seiner oft ausgelassenen Fröhlichkeit nach zu urteilen, wieder viel besser zu gehen. Wir gönnen es ihm von Herzen, hat er uns doch immer erstklassig behandelt. Dafür möchten wir auch noch lange seine guten, geliebten Schuhe bleiben. Lieber Herr Schuhmachermeister, nun kennen Sie unsere Vergangenheit. Für die Zukunft vertrauen wir uns Ihren sehr geschickten Händen an. Bringen Sie uns wieder in einen Zustand, der den Vorstellungen unseres Herrn nahe kommt. Unser Boss wird Sie in höchsten Tönen loben und von Ihnen schwärmen! Den Dank für Ihre Arbeit nehmen Sie bitte im Voraus entgegen. Geschätzt, gebraucht und geliebt zu werden baut auf - sogar uns Schuhe.