Weihnachtsabend 1944

Anita Heck, Mehren

Es war sehr kalt, und die Eifellandschaft von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Der unselige Krieg dauerte nun schon über fünf Jahre. Die Bomber der Alliierten flogen pausenlos ihre Angriffe gegen unsere Städte und Nachschubeinrichtungen. An diesem »Heiligen Abend« waren die Kreisstädte und Verkehrsknotenpunkte der Eifel Ziel der Bombardierungen. Unsere nahe Kreisstadt Daun wurde an jenem 24. Dezember 1944 angegriffen, so dass viele Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen waren. Der Krieg war eben unerbittlich. Wir erlebten die sechste Kriegsweihnacht, aber je länger der Krieg dauerte, um so größer waren die Entbehrungen. Als Kinder freuten wir uns immer auf die Bescherung am Heiligen Abend, auf Geschenke wie Spielsachen und Süßigkeiten. Das Wenige, das es gab, waren selbstgestrickte Wollsachen oder selbstgebackene Plätzchen. Die Frauen, deren Männer, Brüder oder Söhne an der Front standen oder sogar gefallen waren, haben große Opfer gebracht. Aber nun war wieder Heiliger Abend. Einige Frauen aus der Nachbarschaft taten sich zusammen und kamen zu mir, baten mich, für ihre Kinder das Christkind darzustellen. Ich war selbst erst 16 Jahre alt und weiß heute nicht mehr, woher ich den Mut nahm, doch ich habe den Frauen spontan zugesagt. Einige Gardinen hielten her, um mich als Christkind zu verkleiden, und ein Glöckchen wurde auch noch gefunden. Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass das Christkind unterwegs sei, und so wurde ich von Haus zu Haus durch das halbe Dorf geleitet. Auch in späteren Jahren habe ich das Christkind dargestellt, aber die Kriegsweihnacht 1944 werde ich nie vergessen können.