Auf den Spuren einer Orgel

Barockorgel des Augustinerklosters in Hillesheim

Thomas Romes, Nohn

Die 1772 fertiggestellte Orgel der berühmten Hunsrücker Orgelbauer Joh. Philipp und Joh. Heinrich STUMM in der Pfarrkirche St. Martin war nicht die erste und einzige Hillesheimer Orgel1. Orgelspiel pflegten bereits die Augustiner in ihrer Klosterkirche vor den Toren des Städtchens. Die Klosterchronik 2 berichtet: »Anno 1707 sub priore P. Leonardo Jensen erectum est organum (...) per medium aunum magistro N. (omen) Bramers ex Cornely Münster«. Im Jahre 1707 gab Prior Leonhard JENSEN den Auftrag zum Bau einer Orgel, welche von Meister BRAMERS aus Kornelimünster errichtet wurde. Neben Wein und Verköstigung während des Aufbaues gab der Konvent zusätzlich bene 25 imperial, »gute« 25 Reichstaler. Ein Vertrag mit dem Orgelbauer, der die Disposition auflistete und die eigentlichen Kosten nannte, hat sich leider nicht erhalten. 1687 wurde die Klosterkirche geweiht, 1705 brannte das Kloster nieder.

Erstaunlich, dass man bereits zwei Jahre später Mittel für den »Luxusartikel« Orgel hatte. Sicherlich handelte es sich bei dem Instrument um ein sogenanntes Positiv: eine kleine, einmanualige Orgel. Obwohl 1705 ein toxal (Empore) in der Klosterkirche errichtet wurde, kann man aus den weiteren Vermerken des Chronisten schließen, dass sich ihr Standort im Chor der Kirche befunden hat. Damals fand sich in Hillesheim kein Organist. Diesen engagierte man eigens aus der Prümer Gegend (ex prum ariadus). Er

Orgelprospekt von Joh. Jakob Brammertz, luth. Kirche Stolberg

hieß Joes (= Johannes) Jaco-bus LINDEN. Sein untadeliger Lebenswandel ist in der Chronik festgehalten. Die Orgel diente den Mönchen vorrangig zur Begleitung der gregorianischen Gesänge. Man spielte sie alternierend, das heißt im Wechsel mit dem Mönchschor. Eine Begleitung der Kirchenlieder, wie wir sie heute kennen, wurde erst später üblich. Diese Praxis übernahm man von den protestantischen Gemeinden, in denen der Gemeindechoral eine zentrale Bedeutung hatte. Die Einführung des deutschsprachigen Gesanges war noch Ende des 18. Jahrhunderts umstritten. 1788 predigte ein Professor der Hillesheimer Klosterschule gegen den deutschen Gesang in der Kirche. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, in die sogar der Trierer Kurfürst (als Befürworter des deutschen Gesanges) gezogen wurde3.

Der Orgelbauer Joh. Jakob Brammertz (1668-1729) aus Kornelimünster

Das mächtige Benediktinerkloster Kornelimünster in der Nähe von Aachen beschäftigte hervorragende Künstler - im 18. Jahrhundert beispielsweise den berühmten Aachener Barockarchitekten Couven. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich dort auch geschickte Orgelbauer ansiedelten. Vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis etwa 1780 ist hier die Orgelbauerfamilie BRAMMERTZ-GIL-MANN nachweisbar4. Ihr erster bedeutender Meister war

Augustinerkloster Hillesheim, Stich aus dem 18. Jahrhundert

der auch in Hillesheim tätige Johann Jakob BRAMMERTZ. Die Schreibweise variiert in den Urkunden von BRAMERT über BRAMERS zu BRAMMERTZ. Was wir von ihm wissen, ist schnell aufgezählt: Taufe am 5. Juni 1668 und Beerdigung am 12. März 1729 in Kornelimünster. Er war mit Elisabeth Wollfs verheiratet, aus deren Ehe keine männlichen Nachkommen hervorgingen. Daher übernahm sein Schwiegersohn Laurentius GILMANN und später dessen Söhne Joh.Theodor und Anton die Werkstatt in Kornelimünster.

Von Joh. Jakob BRAMMERTZ sind nur wenige Arbeiten bekannt. Erhalten haben sich eine Orgel aus dem Jahre 1727, die sich heute in der Schloßkirche zu Brühl befindet und der Prospekt eines früheren Instrumentes in der luth. Kirche »am Vogelsang« in Stolberg (Rheinl.). Diesem Werk dürfte das Hillesheimer in Größe und Aussehen entsprochen haben. Sie wurde 1702, also in zeitlicher Nähe zu unserer Klosterorgel, fertiggestellt. Leider räumte man das originale Pfeifenwerk 1937 aus.

Die Irrfahrt der Augustiner-Orgel beginnt

Bis zur Aufhebung des Klosters durch die Franzosen im Jahre 1803 blieb die Orgel in der Hillesheimer Klosterkirche. Die Klostergebäude und das Inventar wurden verkauft, viele arme Dorfpfarreien kamen nun in den Besitz einer Orgel. Für die BRAMMERTZ-Orgel interessierte sich die Pfarrei Gillenfeld. Die »Kunstdenkmäler der Rheinprovinz5« berichten dazu: »Eine kleine Orgel aus der Kirche des Augustinerklosters Hillesheim gelangte durch Ankauf (206 Taler) i.J. 1803 nach Gillenfeld.« So konnte die 1780 neu errichtete Kirche in Gillenfeld relativ schnell und günstig

 

Puffo der Brammertz-Orgel aus dem ehemaligen Kloster (?)

mit einer Orgel ausgestattet werden. Ein Kaufvertrag wurde leider nicht aufgefunden. Lediglich von einer Umsetzung des Instrumentes innerhalb der alten Kirche wird berichtet: »... hat der Herr Commissar bei der Orgel bemerkt, selbe sei 1851 über den Altar gesetzt worden. Die Orgel ist nun aber hinter den Altar und über die Sakristei gesetzt worden, wo sie ursprünglich stand und allein auch paßt.« Dann, 1861, setzte man die Kirche instand und beseitigte die Orgel im darauffolgenden Jahr, angeblich wegen »zu hoher Reparaturkosten«. Vermutlich wurde sie in Gillenfeld eingelagert, denn ihre Irrfahrt geht gut 30 Jahre später von hier aus weiter: Sie wird »i.J. 1894 an Herrn Non (sie.) in Waldhilbersheim bei Kreuznach verkauft, wo sie sich noch befindet. (!)«Die letzte Feststellung stammt aus den 1920er Jahren, als das Inventar der Kunstdenkmäler des Kreises Daun erstellt wurde. Sie spricht für eine solide Bauweise des alten Werkes. Es hätte sich sonst auch kaum ein Käufer gefunden.

Odyssee, zweiter Teil: Fragen und Hypothesen

Noch einmal wandert also die alte Orgel, nun aber bis zur Nahe. Wer war dieser Herr No(h)n, der sich dem alten Instrument erbarmt? Wohl kaum ein spleeniger Instrumentenliebhaber, der eine abgeschriebene Orgel über hundert Kilometer weit transportieren lässt. Existiert die Hil-lesheimer Augustiner Orgel noch - hat sie den Zweiten Weltkrieg überstanden? Gibt es den Namen No(h)n noch heute im Ort Waldhilbersheim? Diesen Fragen bin ich, auch aus »lokalpatriotischen« Gründen (Nohn), nachgegangen. So erfuhr ich von einem Herrn Heinrich Nohn aus Lü-denscheid, dass er ein Nachfahre des Orgelkäufers sei. Sein Ahn sei ein wohlhabender Weinhändler in Waldhilbersheim gewesen. Aber über das weitere Schicksal der Orgel konnte er zu seinem großen Bedauern nichts sagen. Größeres Interesse hatte Herrn Nohn aber am Ortsnamen Nohn, die Vorfahren stammten aus der Eifel. Die Nohn-Sippe habe den (vermeintlichen) Ursprungsort schon besucht (...). Also doch nur eine, wenn auch interessante, Randnotiz? - Vielleicht sind wir dennoch auf der richtigen Spur: Es ist denkbar, dass Herr Nohn aus Gillenfeld stammte, (der Name Nohn existiert dort noch heute) und durch verwandtschaftliche Beziehungen vom Orgelangebot erfuhr. Wahrscheinlich erwarb Herrn Nohn die BRAM-MERTZ-Orgel für die katholische Kirche in Waldhilbers-heim, wenn sich auch dazu bisher kein Beleg finden lässt. In der dortigen Martinskirche (1774/75 errichtet) ist ein barockes Orgelgehäuse vorhanden.. . unsere Orgel? Laut Philipp de Lorenzi6 stammten jedoch Orgel und Hochaltar in Waldhilbersheim aus der Minoritenkirche in Oberwesel. Diese Angabe bezieht sich auf den Stand von 1877. In Waldhilbersheim hatte man sich 1831 um eine Orgel bemüht; wahrscheinlich das erwähnte Instrument aus Oberwesel. 1894 könnte man dann dieses alte Werk durch die Hillesheimer Orgel ersetzt oder beide Werke zusammengefügt haben.

Nachweislich errichtete 1925 der Orgelbauer Klein aus Obersteinebach in Waldhilbersheim ein neues Instrument hinter der alten barocken Schauseite, dessen Pfeifenwerk ausgerechnet wenige Tage vor der geplanten Einweihung einem Brand zum Opfer fiel. Beim Wiederaufbau 1926 konnte die alte Orgelfront mit dem barocken Schnitzwerk nochmals übernommen werden. Nur diese -mit Putten versehene -Schauseite hat sich erhalten. Dieser Prospekt stimmt in einigen Details mit der vormals erwähnten Orgel des Joh. Jakob BRAMMERTZ in Stolberg überein. Es könnte tatsächlich der spärliche Rest der Hillesheimer Klosterorgel sein. Vielleicht taucht irgendwann ein weiteres Puzzlestück in diesem Ratespiel auf?

Quellennachweis

1 Siehe auch Beiträge von Herbert Wagner im HJB 1975 und Matthias Thömmes 1984 ff

2 Landeshauptarchiv Koblenz (LHA), Abt. 95, Nr. 81

3 Hermann Meyer, Hillesheim/ Die Geschichte eines Eifelstädtchens, Trier 1990

4 Martin Blindow. Die Bedeutung Kornelimünsters für die Orgelgeschichte des Niederrheins, Zeitschrift Aachener Geschichtsverein 1974/75, Herrn Kantor Josef P. Eich sei für den freundlichen Hinweis und die Überlassung des Artikels herzlich gedankt!

5 Die Kulturdenkmäler der Rheinprovinz, Der Kreis Daun, Düsseldorf 19

6 Beiträge 7.11 r Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diöcese Trier, Regierungsbezirk Koblenz, Trier 1877