Ferienvergnügen

Mathilde Gros, Eltville

Vor dem zweiten Weltkrieg war es noch nicht üblich in Urlaub zu fahren. Da wurden die Sommerferien genutzt, um Heidelbeeren, die wir Gerolsteiner »Wolpere« nennen, zu pflücken. Auch Himbeeren und Brombeeren wurden in unseren Ferien gesammelt. Um sie zu finden, mussten wir ziemlich weit laufen, über Gees hinaus, Richtung Neroth. Die meisten »Broteckenkinder« gingen gemeinsam, bewaffnet mit alten Milchkannen und Eimerchen, manchmal einem Pflückgefäß, das vorgebunden wurde, so brauchte man den größeren Behälter nicht auf Schritt und Tritt mitzunehmen. Es war schon eine mühselige Arbeit, die Gefäße mit den kleinen Beerchen zu füllen. Damit es schneller ging, verzichteten wir sogar aufs Naschen zwischendurch. War das aber eine Freude, wenn wir abends stolz mit vollen Gefäßen nach Hause kamen. Eines Tages, es war freitags vor unserer Annenkirmes, wurden mein Bruder Peter und ich von unserer Mutter auch wieder »in die Wolperen« geschickt, denn Mutter wollte am nächsten Tag fürs Fest »Wolperekuchen« davon backen. Die Vorfreude auf diese Leckerei ließ uns mit eiligen Schritten den Weg in die »Moss« nehmen. Bald fand Peter heraus, dass viel weiter oben die dickst behangenen Beerenbüsche standen. Wir hatten für diesen Fall einen Geheimruf verabredet. Als er plötzlich rief: »Mathilde, hierher brauchst du nicht zu kommen, alles ist bereits gepflückt« lief ich spornstreichs zu ihm. Peter strahlte, die Stelle war eine unserer allerbesten Fundstellen und verhalf uns bereits am Spätnachmittag zu einem vollen fünf-Liter-Eimerchen. Weil es für mich zu schwer sei und ich es gar fallen lassen könnte, übernahm Peter den Heimtransport. Vom eifrigen Sammeln müde geworden, zog sich der Heimweg schließlich doch lange hin. Als wir oben am Geeser Berg ankamen, sahen wir unseren Mieter mit dem Motorrad kommen. Peter lief so schnell er konnte, um wenigstens das letzte Stück vom Motorrad mitgenommen zu werden. Doch am halben Berg stolperte er und unsere schönen »Wolperen« flogen in hohem Bogen ins Gras. Wir versuchten zu retten, was noch zu retten war; mit wenig Erfolg. Die kleinen Beeren lagen weitverstreut und ließen sich kaum mehr finden. Nicht mal der Boden des Eimerchens war bedeckt, als wir die Suche aufgaben. Bedrückt gingen wir heim. Mutter sah unseren Gesichtern das schon an der Haustür an, darum schimpfte sie auch nicht. Sie sagte bloß: »Nun, dann gibts diesmal eben keinen »Wolpe-renkuchen zur Kirmes«.

Anmerkungen

l Brotecken (Mundart Brutecke) ist der Stadtteil ab Gerolstein Richtung Pelm