Nachruf

Am Brunnen vor dem Tore, stand einst ein Lindenbaum. Er weckt in meiner Seele, noch heute manchen Traum.

In meines Dorfes Straße, die Linden Baum an Baum, mit großen Kronen boten, gar vielen Dingen Raum.

Das Grün der jungen Blätter, erfreute unser Herz. Im Duft der Lindenblüten, schmolz mancher Seelenschmerz.

Zu munteren Spielen fanden, wir Kinder gern uns ein, im Schatten ihrer Kronen. Wir waren nicht allein.

Es summte und es webte, im ganzen Kronbereich. Mensch, Tier und Pflanze lebte, noch paradiesesgleich.

Einander nicht entfremdet, sich nah und noch vertraut, nicht alles ward verwendet, nicht alles zugebaut.

Dann kam ein neues Denken, ein neuer Zukunftstraum. Man setzte an die Säge und fällte Baum um Baum.

Entleert steht nun die Straße, kein Schatten, keine Zier, Insekten, Vögel, Falter und Kinder fehlen mir.

Wo kann nun sommerabends, man beieinander stehn, und miteinander scherzen, in sanften Abendwehn?

Wo soll der Wind nun rasten, dass er zum Sturm nicht schwillt?

Wo wird der Seele Hunger, in unserer Zeit gestillt.

Am Brunnen vor dem Tore, stand einst ein Lindenbaum. Er weckt in meiner Seele, noch heute manchen Traum.

Kommt,

lasst uns alle träumen,

von neuen Lindenbäumen.

Elisabeth Badura-Zenz, Trier