Peter Blum -

aus Kriegsbriefen in die Heimat

Winfried Blum, Kloster Springiersbach

In diesem Kreisjahrbuch ehrt Alois Mayer Dr. Peter Blum (1896-1972) liebevoll mit einem eigenen Beitrag. Zur Person des Geehrten soll der folgende Artikel Gedanken beitragen, die sich aus Peter Blums Feldpost 1915-1918 ergeben. Das Bündel Kriegspost besteht aus Hunderten von Feldpostbriefen und -karten, gerichtet an Eltern, Geschwister, Schulfreunde. Er selbst hat es so mit der Überschrift bezeichnet, wie sie der Verfasser diesem Artikel vorangestellt hat. Die Briefe wurden im Elternhaus in Beinhausen aufgehoben, bekamen schließlich den Charakter eines Nachlassbündels im Privatarchiv des Verfassers. Dem Kriegsabitur 1914, am 26. 8. als Zeugnis der Reife zuerkannt »um in das Heer einzutreten« folgte aber erst ein gutes Jahr später (am 21. 9. 1915) die Einberufung zu dem Rekruten - Depot in Köln-Riehl. An der Universität Bonn hatte der Ersatz-Rekrut sich mittlerweile als »stud. phil.« einschreiben lassen, ungeachtet dessen begann er nach dem Krieg in Bonn sein Jurastudium. Bereits am 23. 9., also zwei Tage nach der Einberufung, schreibt der junge Soldat an einen Kölner Verwandten, der bereits Soldat auf dem Truppenübungsplatz Eisenborn war, er befinde sich jetzt auch in Kaisers Rock und möchte sich mit dem älteren Kameraden mal gründlich besprechen. Man kann davon ausgehen, dass der erfahrene Vetter dem Anfänger manch guten Rat gegeben hat; mit dem »Musketier« Blum bleibt er jedenfalls in Verbindung. Dieser (stolze?) Musketier in einer Maschinengewehr-Kompanie hatte den Beginn seines Soldatentums etlichen Verwandten und (Schul-)-freunden kaum mitgeteilt, er wartete ja auf die Einberufung. Da kommt im ersten Brief an die Eltern schon die Wendung auf: »nach ein paar Tagen Kohldampf schieben...«, daran anschließend aber eine ausführliche, launige Beschreibung des Betriebs in der Stube und das Eingeständnis, nach den reichlichen Portionen mittags und abends fühle man sich satt; das heimatliche Brot vermisst er! Da scheint das Paket, eines am Anfang einer langen Reihe, das mit Waffeln gefüllt bald ankam, die richtige Medizin gewesen zu sein. Post abschicken, Post von »allen Kanten« zurückzubekommen - das gefällt dem jungen Mann: er will unbedingt die enge Verbindung zum Elternhaus und dem Umfeld, das er nach dem Abitur bis zur Einberufung besonders pflegen konnte (mit Nachhilfe- und Vorbereitungsunterricht) aufrecht erhalten. Das ist ihm wesentlich, gehört bleibend und unwandelbar zu seinem Wesen. Deshalb freut ihn auch besonders die Kameradschaft mit den anderen Soldaten, unter denen viele Eifeler sind. Gemeinsam haben sie Spaß beim Erlernen des soldatischen Handwerks, treffen sich in freien Sonntagsstunden (neue Kleider zum Ausgehen sind mittlerweile ausgegeben worden), gehen gemeinsam zur Beichte und Kommunion. Die Ausbildung ist nach vier Wochen bis zu Schießübungen gediehen, P.B. hat in Abwesenheit des Unteroffiziers die Korporalschaft zu führen. In Nachbarkorporalschaften sind Bekannte aus Boxberg und Rengen, so dass man sich auch bei dienstlichen Anlässen trifft. Die ersten Photographien gehen nach Hause. Einen Brief der Mutter mit wohl einigen besorgten Fragen beantwortet der pflichtbewußte Sohn aus der Strut prompt; das frühe Aufstehen und der Dienst machen ihm nichts aus, an's Beten denkt er ohne Ermahnung, bis jetzt war er jeden Sonntag in der Kirche (mit Predigt!). Der katholische Sozialpolitiker Dr. Sonnenschein aus M.-Gladbach schickt ihm die Wochenschrift »Heimatgrüße für unsere Krieger«. Der Bruder soll »lustiges Wesen und Scherz« treiben, auch in Wirtschaften - aber nicht zu viel! Die ganze Palette des Familienlebens in der Strut spiegelt sich in vielen Briefen solcher Art wider.

Mit fortschreitender Jahreszeit - die Kartoffelernte ist Ende Oktober abgeschlossen -bekommen die jungen Musketiere in Köln-Riehl schon öfters Ausgang, wurden sogar schon einmal ins Kino geführt; Treffen mit ändern »Strödern« sind daher häufiger und leichter zu planen. In der Heimat steht die Ziehung des Geburtsjahrgangs 1897 an. Wer mag dann als Neuling ebenfalls nach Köln kommen? Ein Kurzurlaub zu Kirmes (Hubertus, 3. November) oder Allerheiligen (1. 11.) scheint möglich.

Danach steht die Verlegung zum Übungsplatz Eisenborn an. Post und Pakete, die regelmäßig hin und hergehen (Leergut zurück!) müssen also rechtzeitig dorthin adressiert werden. »Der Betrieb gefällt mir noch ganz gut«, schreibt P.B. in einem Brief von Mitte November 1915, in dem er gleichzeitig seiner Familie mitteilt, er habe den Eltern des jüngst gefallenen Verwandten einen Brief »zusammenzustellen versucht«. Soldaten- und Kriegsalltag, wobei diese Kölner Rekrutenkompanie vom Krieg als Kampf- und Frontgeschehen noch nichts mitbekommen hat.

Ein Kurzurlaub zu Hause macht Hunger auf das nächste Urlaubsgesuch. Aber statt dessen kommt eine Postsperre; rein darf alles, raus fast nichts, die Rekruten dürfen zehn Tage lang nicht aus der Kaserne. Da muss der Sohn seinen Eltern erklären, dass sie keine Sorge um ihn haben müssen. Der trauert allerdings dem sonntäglichen Ausgang nach, vertreibt sich die Zeit mit Weihnachtsvorbereitungen. Dabei wird er mit einem ändern Ströder »gestört« insofern, als er zur Aushilfe in der Küche kommandiert wird. Das ist ein Weg, um Post herauszuschmuggeln! Trotz Ausgehsperre ist ein Christbaum besorgt worden, jeder schafft irgendein weihnachtliches Zubehörteil herbei - trotz Vergleich mit dem gewohnten heimeligen Fest zu Hause kommt in P. B.'s Korporalschaft keine traurige Stimmung auf. Nur, er hätte gerne seinen älteren Bruder Josef, der - schon länger Soldat -Kurzurlaub zu Hause verbringen konnte, in Beinhausen getroffen.

Das Jahr 1916 bringt der Heimat strengere Bewirtschaftungs- und Ablieferungsregeln hinsichtlich des Brotgetreides. Bis 15. 1. muss ausgedroschen sein, dann befindet eine Kommission über die beim Bauer verbleibende Menge. Das Futter ist knapp, man hilft sich vorsorglich damit, Heide zu schneiden. Der Sohn, mal in Köln, mal in Eisenborn, kennt das Los des heimatlichen Bauernhauses. Die wechselnden Aufenthaltsorte führen aber zu Verzögerungen beim Erhalt der sehnlich erwarteten (Proviant-)Pakete von zu Hause. Die »alten« Ersatzrekruten richten in der Kaserne alles her für den bevorstehenden Einrücktermin der »jungen«, ein Teil der Korporalschaft ist schon nach Belgien verlegt. Unser »Einjähriger« kommt als solcher nach Lüttich, kann endlich »wieder ein bisschen studieren«. Diese Freude muss er gleich an das Elternhaus weiterreichen, auf zwei örtlichen Ansichtskarten diesmal. Ostern in Lüttich: Soldatengottesdienst in der Kathedrale, Osterhirtenbrief des Armeebischofs, Beichte; für die religiösen Bedürfnisse offenbar alles gern und anhänglich wahrgenommen. Für Bildung und Unterhaltung Besuch im Kino (besser als in Köln), Besichtigung von Umgebung, Citadelle, belgischen und deutschen Soldatengräbern. Angesichts der Viehfutterknappheit daheim schildert der Bauernjunge im Mai 1916 das viele Wiesenfutter auf den fetten belgischen Weiden, mit dem man daheim zur Heuernte schon reichlich zufrieden wäre. Der Eifeler Bauernsohn freut sich über das friedliche Landleben der »Feinde«. Er muss jetzt zwar zum Scharfschiessen üben nach Beverloo, wartet aber schon auf die »Heimkehr« in diese anheimelnde Landschaft, deren Vorzüge er seiner angestammten Strut hinzuwünscht. Aus der Heimat schreibt ihm die Mutter von der geringen Heuernte, den Butterhöchstpreisen, von dem Feld, das er noch gepflügt hat und sie nun mit Kohl bepflanzt haben, von seiner immer schwächer werdenden kranken Schwester. In der Heimat erscheinen wohl zunehmend russische Gefangene als Aushilfskräfte. Unser junger Soldat in Belgien empfiehlt seinen Eltern, sich diese Leute anzusehen, die gar nicht so übel seien und in deutschen Diensten von Russland bis hinter die Westfront »manches leisten«. Nach zehnmonatiger Ausbildung fühlen die Rekruten sich innerlich bereit, in eine »eisenhaltiger« Luft verlegt zu werden. Wo das sein wird? Der neue Absender, übrigens jetzt mal mit »Einj.« = Einjähriger, verrät nur »Westen«. In dieser Situation erinnert die Mutter den Sohn daran, er wolle mit seinen Schreiben immer alle ändern aufmuntern - er selbst höre dasselbe nun von ihr, seiner Mutter. Die Verlegung an den linken Flügel der 2. Armee ist, wie P.B. dann mitteilen kann, ein unverschämtes Glück, in einer vielbeneideten ruhigen Kante in Stellung gehen zu können. Hier denkt er über sein mögliches militärisches Vorwärtskommen nach, benennt dafür drei Referenzpersonen.

In der heimatlichen Pfarrei Hilgerath mehren sich nach bereits zwei Jahre dauerndem Krieg die Totenmessen für die Gefallenen. Es ist eine makabre Vorstellung, die Angehörigen in der Heimat teilen den (noch) Lebenden im Felde sozusagen die in der Heimat geführte Totenliste mit und fast alle kannten sich in den Nachbardörfern, aus Schule, Kirche oder von gemeinsamen Streichen her. die jungen Männer draußen, was denken sie? P. B., der die Unterkunft »Villa Morgenrot« nennt, schreibt distanziert und gewollt ungerührt am 31.7. 1916: »Unter Umständen können wir ja das dritte Jahr anschießen«. Ein Brief vom 19.9. 1916, also fast genau ein Jahr nach der Einberufung, zeigt den Schützen Blum mit der eigenen und der seines Bruders Josef Soldaten-Mentalität: »Wir beide machen keine Dummheiten, die zum Heldentod führen können. Wozu man uns kommandiert, das wird gemacht und das genügt.« Er weiß aber sehr wohl, dass er »von dem mörderischen Treiben an der Somme und bei Verdun« vollständig unbehelligt geblieben ist; er nennt zugleich die fünf Gymnasialkollegen, die in letzter Zeit gefallen sind. -Umorganisation in der Kompanie: P. B. landet in der »l« mit ordnungsmäßigem Stand von 85 Mann. Jede Woche sollen davon fünf Mann in Urlaub fahren... Allerheiligen 1916 ist ein bedrückender Tag, immer mehr Tote und der jüngere Bruder, Jakob, muss wohl zur Infanterie. Auf den Vater kommt statt Entlastung immer mehr Arbeit zu.

Skeptische Friedenshoffnung keimt vor Weihnachten 1916 auf, aber der Vergleich mit der vorjährigen Weihnachtszeit fällt eindeutig negativ aus. P. B., der die Kriegsausgabe der Kölnischen Volkszeitung täglich bezieht, ist über das politische Geschehen in der Welt wie in der Heimat informiert; auch er ist hinsichtlich eines Friedens pessimistisch.

Die Stimmung »im Graben« gibt ein Brief vom 1. 1. 1917 an eine der Schwestern wieder: Viel Post erhalten, Briefe und Päckchen; am letzten Tag des alten Jahres Gefreiter geworden und Urlaub steht bevor. So ein Silvesterabend musste »bespült..., angeschossen und angesungen werden«. Dankbar vermerkt der junge Gefreite, dass sein Bruder Jo-

PeterBlum 1916

sef zur Zeit ebenfalls an einer ruhigen Kante stationiert ist -betrübt, dass Bruder Jakob, inzwischen auch beim Militär, in dem bevorstehenden Urlaub nicht zu Hause anzutreffen sein wird. Vielmehr muss er dann den jüngeren Bruder im Lazarett in Trier aufsuchen, »unsern jungen Vaterlandsverteidiger« schreibt der ältere Bruder herablassend. Der ist nach dem Kurzurlaub wieder am belgischen Frontabschnitt, in Stellung, im Graben - mit Interesse für den Offizierskursus. Die Anschriften und Absender der Soldaten werden »vereinfacht«: Name, Regiment, Bataillon, Kompanie. Mehr kann also ein etwaiger »Späher« nicht daraus ersehen. Aus der Perspektive eines spöttisch so genannten »Winterfeldzugs« hofft der Gefreite P. B., der endlich uneingeschränkte U-Bootkrieg könnte die Fronten - der Gegner natürlich - ins Wackeln bringen. So kam es dann ja auch - aber anders herum! Da klingt eine Benachrichtigung der Universität Bonn direkt friedlich, zivil: P. B. wird als beurlaubt geltender Studierender gezählt. Der Student im Urlaub nutzt die relative Ruhe im Stellungskrieg mit Lesen (auch des Eifelvereinsblatts), mit vielem Schreiben, so dass an manchen Tagen die Rückpost bis ein Dutzend Sendungen ausmacht. Diese greifbare, verfestigte Form der Verbindung zur Heimat hält die Stimmung gleichbleibend positiv und vorwärts schauend, getragen von Gottvertrauen.

Der Stellungskrieg: die Kompanie hat im Pfarrhaus eines Dörfchens einen schusssicheren Unterstand eingerichtet, 300 Meter vom »Franzmann« entfernt, gedeckt und geschützt von der schweren Artillerie. Die Soldaten werden Ende März/Anfang April 1917 an die Ostfront verlegt; wohin genau, können sie nur ahnen. Jedenfalls schreibt P. B. munter und aufmunternd wie immer wenn irgendwie möglich während der Verlegungsfahrt Karten in die Strut. Einen Nachteil spürt der Gefreite Blum hautnah aus seiner neuen Berufsbezeichnung »Student«; die »Landwirte« kommen bevorzugt in den Genuss von Urlaub, um im »Aushungerungskrieg« zu Hause eingesetzt zu werden. Die Kompanie wird über Brest-Litowsk nach einer langen Fahrt durch Wolhynien in die Gegend von Pinsk verlegt, begrüßt dankbar wieder die »deutsche« Feldküche. Man richtet sich gemütlich in einem Blockhaus ein. P. B. hat Telefondienst und fängt an, polnisch zu lernen. In diese friedlich zu nennende Frühlingsumgebung kommt eine Karte, an Bruder Josef im Westen geschrieben, zurück mit dem Vermerk »Auf dem Felde der Ehre gefallen«. Zunächst die Hoffnung auf den Irrtum, dann die offizielle Bestätigung. P. B. tröstet sich um die Eltern mit Hiob: Der Herr hat's gegeben... Urlaub gibt es nicht für die Trauerfeier. Der Schlag sitzt bleibend tief. Die Wendung »falls ich aus dem Krieg glücklich heimkomme« kehrt in die nach wie vor aufmunternden Briefe des Soldaten Blum ein. Und dann kommt Zug um Zug die Post von zu Hause, die vor Kenntnis des Schicksal Schlags geschrieben wurde. Hiob allein reicht da nicht mehr!

Kontrast zu der Westfront, zu Verdun; hier in Galizien wird nicht mehr gekämpft, nur noch gesichert. Russische Offiziere kommen zu ihren deutschen Gegenüber, um aus den Zeitungen zu erfahren, was »gespielt« wird. Ist es verwunderlich, dass an solch einer »Front« die Hoffnung auf Frieden wächst? Aber der Krieg geht weiter, die Arbeit des Bauern zu Hause ebenso. Zu dem Schmerz über den Tod kommt noch die Nachricht, dass eine Granate den Sohn/Bruder zerfetzt hat, also nicht einmal ein Grab angelegt werden konnte. Der Herbsturlaub geht schnell vorbei, wird abgekürzt, weil der Gefreite P. B. zum Kursus für Offiziers-Aspiranten zieht, in die Feldschule 581. Den Eltern teilt er von da den genauen Stundenplan mit, und riesig ist die Freude, endlich wieder lernen zu können; und reiten. Die mehr zivile Lebensweise schmeckt dem feldgrauen Soldaten ersichtlich bis hin zum gemütlichen Kasinoabend mit den Offizieren. Aber diese Art Leben kostet auch mehr; der Offiziersaspirant ist blank! Ein Höhepunkt des Kurses ist die Besichtigung der Festung Brest-Litowsk. Der Kurs ist noch nicht zu Ende, da wird P. B. mit sofortiger Wirkung zur Dolmetscherschule nach Berlin abkommandiert. Bringt die »Sprachenschule« selbst auch nicht viel - die große Stadt mit ihren Anziehungspunkten wiegt das bei weitem auf. Nach Kurs ende geht es Mitte Februar 1918 wieder in Stellung zur Kompanie. Trotz Ablaufs des Waffenstillstands bleibt es an diesem Frontabschnitt der Ukraine ruhig. Erstmals kommt der Hinweis auf bolschewistische Truppen der Russen. Die freudige Mitteilung der Gefreiten; am 19.2. ist er als Unteroffizier zum Offiziersaspiranten ernannt worden! Davor steht noch ein Kurs in Döberitz bei Berlin, der in der Regel ein Vierteljahr dauert. Fünf Tage Urlaub kann er zwischendurch noch mitnehmen und dabei eine Menge Leute in der Heimat treffen oder besuchen, mal wieder die Fronleichnamsprozession mitmachen - vier Soldaten, die dabei den Himmel getragen haben. Die Division schickt ihm das EK II nach, den Kursus in Döberitz verlässt er als »Vize« (-feldwebel), für den Kurzurlaub darf er wieder nach Hause. Danach, Ende August 1918 geht P. B. zurück zu seinem alten Regiment im Osten. Dort droht keine Gefahr, nur das Leben wird unruhiger. Der Vizefeldwebel muss einen Transport nach Belgien begleiten, kann daran einige Tage Urlaub in Beinhausen anschließen. Der Lärm der »Westschlacht« ist bis dahin zu hören.

P. B. muss zurück in den Osten (Konotop) und teilt unter dem 23. 11. 1918 seine Hoffnung mit, als linker Rheinländer mit Geburtsjahr 1896 unter einen Teil der Demobilisierung zu fallen und bald entlassen zu werden. Zeit zum Schreiben bleibt bei Rückführung der Truppen kaum, die Post läuft auch auf Irr-, Um- und Verlustwegen. Die vorstehenden Seiten zeigen: die Briefe berichten nicht von großen Schlachten, nicht von herausragenden heldenhaften Taten oder heroischem Leiden mit dem Briefschreiber mitten drin. Der stellt sogar ganz nüchtern fest, dass er mit seiner Maschinengewehrkompanie in einer ruhigen Kante des aufreibenden Stellungskriegs liegt - anders als der dann später gefallene Bruder Josef; er kommt zu einem Zeitpunkt an die Ostfront, als in Russland der Zar schon gestürzt ist und eine schwache Regierung unter Alexander Kerenski zwar versucht, in Galizien die Truppen zu einer Offensive zu bewegen, aber am 7. 11. 1917 endgültig die Macht an Lenins Arbeiter- und Soldatenräte (Sowjets) übergeben muss. Diese Stimmungslage an der Front und in der Heimat spiegeln die Briefe aus dem Krieg wider, in der Sprache eines »home de lettres«, der im Schreiben und Lesen sich wappnete, diese verkehrte Welt bis zum Ende durchzustehen. Beides wurde ihm, je länger die Soldatenzeit dauerte, zur unentbehrlichen, ja existentiellen Lebensbedingung. Man kann sogar von einer gewissen Verharmlosung im Text der Briefe sprechen, wenn flotte Ausdrücke und Sprüche sich unbemerkt aufs Papier schleichen. Das mag für den Briefschreiber ein Stück Flucht vor der Realität sein, ist mit Sicherheit aber das Bestreben, den Angehörigen zu Hause Mut zu machen, sie zu schonen. Auf jeden Fall ist es ein Verhaltensmuster, das für's Überleben und das eigene Innenleben unverzichtbar ist. Wie lässt P. B. den Kopf hängen, wenn die sonst so zahlreiche Feldpost einige Tage ausbleibt - auch, weil er dann keinen Anstoß hat, auf diese Post schnell zu antworten. Die Sprache in Kriegsbriefen bleibt verräterisch. Das zivile Leben des Peter Blum aus Beinhausen nimmt von der Strut aus seinen weiteren Verlauf, geprägt bleibt es von den Kriegsjahren.