Gimpel oder Dompfaff

Heinz Hürth, Auel

Dompfaff wird er wegen seines schwarzen Käppchens genannt, der Gimpel ist ein freundlicher Vertreter, der ohne Not seinen Lebensraum nicht verlässt und vor etwa hundert Jahren in keinem Handwerkerhaus als Stubenvogel fehlte. Er ist sehr zutraulich, war daher leicht zu fangen - ein DUMMER GIMPEL ist er nicht. Als vortrefflicher Imitator kann er leicht Melodien erlernen und seine Farben, sein ganzes Äußeres ist einfach schön. Schon im Januar suchen sich die Paare, hat das vorjährige Weibchen allen Nachstellungen widerstanden, wird der Hahn sein Balzspiel und seine ganze Aufmerksamkeit allein seiner alten Liebe schenken. Wie alle Vogelarten verteidigt auch unser Gimpel seine Allerliebste mit allen ihm möglichen Mitteln. Am frühen Morgen, wenn selten Winde durch die Buchen am Waldesrand wehen, hört man ein leises »diü diü«, wobei er sanft und nachdrücklich auf dem zweiten Ton verweilt. Lange braucht man nicht nach dem Rufer zu suchen, denn seine herrlich rote Brust leuchtet aus der noch unbelaubten Buche weithin sichtbar. Sein Locken und sein zärtliches »bütt bütt« wird nach kurzer Pause mit leisem Rufen beantwortet. Von nun an sind beide Vögel unzertrennlich, sogar am Futterkasten lässt er seine Braut nicht aus den Augen und wehe, ein Rivale taucht auf. Dann fliegen die Federn. Nur in der Paarungszeit sind Gimpel untereinander so kampfeslustig, ansonsten gibt es keine Vogelart, die so familiär lebt. Stirbt einer ihrer Art, geben die Tiere klagende Töne von sich und suchen regelrecht den Kontakt zum Menschen. Nach meinen über Jahrzehnte gemachten Erfahrungen gibt es keine andere Vogelart, die sich so an seinen Pfleger in Anhänglichkeit und Hingabe auszeichnet, ja ich möchte sagen, er hat ein inniges Freundschaftsverhältnis zu ihm; er jubelt in dessen Anwesenheit und trauert bei dessen Abwesenheit. Die Gimpelehe ist vorbildlich, die Anhänglichkeit bei Tag und Nacht sprichwörtlich wie bei keiner anderen Vogelart. Sommer wie Winter werden Zärtlichkeiten ausgetauscht, im Winter sind die Gefühle zwar gedämpft, doch auch in dieser harten Zeit sieht man bei keinem anderen Vogel so viel Gelassenheit und andauernde Heiterkeit. Ihre großen, etwas vortretenden schwarzen Augen verlieren niemals den freundlichen, etwas listigen Ausdruck. Der Frühling bringt den Trieb zur Begattung, das Schnäbeln findet dann kein Ende. In dieser Zeit füllt Sturm und Wildheit die Gimpelbrust, alle Sanftheit ist verflogen, hinter jedem, der nur in die Nähe des Weibchens kommt, stiebt er fauchend hinterher, damit die Seine in Ruhe das Nest bauen kann. Die Nachkommenschaft beendet das hitzige Treiben, das Weibchen verlangt nun Futter auf dem Nest, jetzt kommt eine ruhige Zeit. Nur wenige Meter vom Nest entfernt sitzt er und bewacht Brut und Henne, alle Melodien schlafen in seiner Brust.

Im vergangenen Sommer hatte ich öfter ein Dompfaffennest an einem Bach beobachtet und mir vorgenommen, wenn die Brut kurz vor dem Ausfliegen war, ein Bild zu machen. Als nach meinem Kenntnisstand die Zeit dazu gekommen war, ging ich mit meiner Kamera zum Standort der Fotomodelle. Das Nest war leider leer, aber ein Warnruf machte mir Hoffnung, denn aus Erfahrung wusste ich, dass die Jungen das Nest verlassen bevor sie flügge sind. Also ruhig bleiben und beobachten. Wie schon erwähnt war das Nest an einer feuchten Stelle gebaut, nämlich kurz am Bachrand in einem Erlengestrüpp. Auf der glitschigen Unterlage kam es wie es kommen musste, ich rutschte aus und stand im Bach. Nun war nicht nur nass, sondern auch mit verschiedenen Erdfarben geschmückt. Durch dieses Missgeschick hatte ich aber einen Gimpel beunruhigt, der Warnrufe ausstieß und mir so den ungefähren Standort verriet. Einige wenige Lockrufe genügten, um mir den kleinen, immer hungrigen Jungvogel vor die Kamera zu locken. Wie das Foto zeigt, war er sehr erstaunt, statt einem Elternteil einem ihm völlig fremden Lebewesen gegenüber zu sitzen. In solchen Lagen muss man schnell reagieren, sonst ist alles vorbei; zwei schöne Aufnahmen waren der Lohn für Nässe und Schmutz. Der Dompfaff ist dank seiner Brutfreudigkeit sehr häufig bei uns zu sehen. Als Jahres oder Standvogel bleiben ihm die Entbehrungen und Gefahren der Zugvögel erspart. Seine Zutraulichkeit zu uns Menschen lässt ihn im Winter nicht darben, denn kein Futterhaus wird ausgelassen um seinen Kröpf zu füllen.