Der Frosch und die Eintagsfliege

Amanda Haagen, Gerolstein

Es war einmal ein wunderschöner grüner, dicker Laubfrosch. Am Uferrand an einem kleinen Waldsee hielt er sein Mittagsschläfchen, nachdem er sich so richtig an allerlei Gewürm hatte satt gefressen. Die Sonne meinte es gut an diesem Nachmittag. Deshalb kroch er schattensuchend unter einen großen Stein. An der Wasseroberfläche, die in der prallen Sonne nur so glitzerte und wie im Spiegel alles rundherum doppelt erscheinen ließ, spielte sich ein buntes Treiben ab. Das war ein Schwirren, Summen, Brummen und Flattern! Die Wasserspinne zog ihre Kreise, Heuschrecken hüpften um die Wette, gar lustig ging es zu. Am allerschönsten schimmerten die vibrierenden Flügel der Libelle, die bald da, bald dort ihren Rüssel ins Wasser tauchte, um die Fischlein zu necken. Eine Vielfalt von Geräuschen - Grillen zirpten, Hummeln, Fliegen und Bienen schwärmten, doch der dicke satte Laubfrosch bekam von alle- dem gar nichts mehr mit, denn der ist längst in einen wunderschönen Traum hinübergeschlummert. Oder war das kein Traum? Was war das denn, was seinen Rücken so zart und behutsam streichelte?...

Nanu?... Er rollte seine kugelrunden schwarzen Äuglein herüber und hinüber, doch was auf seinem Rücken saß, das konnte er unmöglich erkennen... »Ja, schlaf ich oder wach ich?« So quakte er einmal, quakte zweimal, doch da bekam es die hübsche kleine Eintagsfliege gleich mit der Angst zu tun, denn sie wusste gar nicht, dass sie auf dem Rücken eines Frosches saß. Schnell flog sie auf den nächsten Grashalm und wisperte leise: »Ach du lieber guter alter Laubfrosch, entschuldige, ich konnte ja nicht wissen... es war ein Irrtum, weil du genauso grün bist wie das Gras...«

»Quak, Quak, Quak« - nun war der Frosch erst richtig wach geworden. »Keine Ursache - im Gegenteil, du hast mich so lieb und zart gestreichelt« und seine kugelrunden schwarzen Äuglein quollen schier über. »Hab keine Angst, du kannst mich gerne wieder streicheln. Ich bin viel zu satt und müde und du bist viel zu schön, um gefressen zu werden.«

»Wirklich?«, flötete die kleine Fliege, »wir Eintagsfliegen leben ohnedies nur einen Tag und wenn du mir versprichst, dass du mir wirklich nichts zu leide tust, will ich dir gerne den Gefallen tun, mich wieder auf deinen Rücken zu setzen und dir auch noch ein Summ-Summ-Liedchen zu singen.« Gesagt, getan und die Fliege saß wieder auf dem Rücken des Frosches. Hat auch nicht lang gedauert. Vom Streicheln und Summen schlief der Frosch ganz schnell wieder ein. Ein leises Quak und noch ein Quak - schon fielen dem dicken Laubfrosch die Kulleraugen zu. Doch da geschah plötzlich etwas Erschreckendes! Aus der Höhe, mitten aus heiterem Himmel, ertönte ein lautes Klappern und Zischen. Fräulein Fliege spähte in die Luft und rettete sich schnell auf ein Blatt zwischen den Gänseblümchen. »Ach du großer Schreck!« Sie konnte grade noch beobachten, wie ein Storch im Sturzflug auf den Frosch zuflog, der gar nicht so schnell wach geworden war, um ins Wasser zu hopsen.

Den Frosch zwischen den Schnabel geklemmt, setzte der Storch zum Rückflug an. »Nein, so etwas darf doch nicht wahr sein«, dachte das Fliegenfräulein, überlegte nicht lange und flog dem Storch hinterher! Es setzte sich sofort in eines seiner Nasenlöcher. Oh je, das kitzelte und schon musste der Storch lauthals niesen! Dabei öffnete er den Schnabel und somit plumpste der Frosch nach unten mitten ins Wasser. Der Ärmste wusste erst gar nicht, wie ihm geschah. Schnell tauchte er wieder auf und schwamm erst einmal ans Ufer, um sich von dem Schrecken zu erholen. Da lachte das Fliegenfräulein neben ihm: »Hallo, weißt du, dass ich dir das Leben gerettet habe?« »Wie, du hast mir das Leben gerettet?« Ganz erstaunt hörte der Frosch, wie die Fliege das gemacht hatte. »Du bist ja wirklich ein ganz kluges und allerliebstes Geschöpf«, quakte er, »wir schließen auf ewig Freundschaft. Mit dir und mit all deinen Artgenossen. Ich werde gleich hinunter schwimmen in den See und werde es all meinen Verwandten erzählen. Die Froschfamilie wartet sowieso schon auf mich. Wir feiern nämlich eine Hochzeit und beim großen Froschkonzert darf mein tiefer Bass nicht fehlen. Und du darfst deinen Nachkommen berichten, dass ich versprochen habe, in Zukunft werde kein Frosch mehr eine Eintagsfliege verspeisen. Abgemacht, hab' nochmals tausend Dank für meine wunderbare Rettung, quak, quak«, dann machte er einen großen Sprung ins Wasser - die Fliege konnte nur noch kreisrunde Kringel an der Wasseroberfläche erkennen. Laut rufend flog sie dann von einem Grashalm zum ändern, um die große Neuigkeit allen Eintagsfliegen zu berichten. Mächtig stolz war sie, überall wurde sie bestaunt und beglückwünscht. Langsam wurde es Abend. Die Sonne war am Horizont nur noch zur Hälfte zu sehen. Als sie dann ganz und gar untergegangen war und der Silbermond am Nachthimmel mit all den Sternen auftauchte, da konnte man ganz deutlich einem wunderschönen Froschkonzert lauschen. Andächtig saßen alle Eintagsfliegen, bis sie ihren Tag beendet hatten. So friedlich und feierlich schliefen sie noch nie in die Nacht hinein wie dieses Mal. Aber nun wussten die Nachkommen der Eintagsfliegen Bescheid, vor einem Frosch brauchten sie sich nie mehr zu fürchten.