Woher er kam, wusste keiner so genau. Was er beruflich gemacht hatte, war ebenfalls nebulös. TINO M. war eine Art »schwarzes Schaf« der gehobenen Gesellschaft, soviel konnte man erfahren. Durch das Kriegsgeschehen entwurzelt, wurde er nach 1945 Gärtner in Gerolstein. Er war ein gebildeter, vornehmer Mensch von schlankem, hohem Wuchs, hatte weißes Haar, meist bedeckt von einer hellen Fliegerkappe, und das Mysteriöse für mich war das schwarze Monokel vor seinem rechten Auge. Er rauchte arabische Zigaretten, EMIR und KYRIAZI, diese waren oval und nicht rund und lagen in einer bunten Blechdose. Er fuhr zu alledem nur ein altes Fahrrad mit Pappkarton oder einem Spankorb auf dem Gepäckträger und trug bei seinen Ausfahrten weiße Handschuhe. Diese bedeckten die Schrammen und Furchen seiner Arbeitshände; es war wohl ein Zeichen seiner Eitelkeit. Geld spielte für ihn keine wesentliche Rolle, er war immer von nobler, kultivierter Art. Tino schätzte die Gesellschaft meines Vaters, eines hochdekorierten Offiziers, um das Kriegsgeschehen von allen Seiten zu beleuchten und die politischen Ereignisse zu debattieren. Er brachte uns herrlich knackige Radieschen, frischen Salat und Gemüse (einmal nebst einer Maus, die

uns drei Tage und Nächte in Atem hielt!). Das Gemüse wurde dann in Naturalien verrechnet.

Er hatte auch eine Frau, genannt »Peter«, die ab und zu aus Berlin anreiste, wo sie bei einer obersten Dienststelle beschäftigt war. Übernachten musste sie im Hotel KAISERHOF, da sein winziges Domizil an der Sarresdorfer Straße neben den Beeten und Glashäusern keine zweite Person beherbergen konnte. Einmal durfte ich einen Blick in Tino's Wohnstätte werfen. In Erinnerung geblieben ist mir eine dunkle Kommode mit aufgeplatzter Deckplatte. In diese Ritzen hatte er dicht an dicht ausländische Silber-^^^^^ münzen gesteckt. Das war derart faszinierend für mich, dass ich für- der hin meine »Kultfigur« noch ehrfürchtiger betrachtete, zeugte diese Dekoration doch von Reichtum und Exklusivität!