Mädchenversteigerung

und Radscheiben in Gerolstein

Wilma Herzog, Gerolstein

Werden Bräuche nicht mehr gepflegt, geraten sie bald in Vergessenheit. Darum ist es schon interessant, ein paar verflossene in Erinnerung zu bringen, als Gerolstein noch etwas »ländlicher« war als heute. N. Koch jr. erzählt in seinem Heft »Gerolstein und Umgebung« aus dem Jahr 1896 davon. Von ihm erfahren wir, dass es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch den alten Brauch der Mädchenversteigerung gab. Dazu versammelten sich die jungen Burschen an einem Abend vor der Annenkirmes. Auf einer Liste waren alle Mädchen ab 18 Jahren verzeichnet. Nach Tugend und Schönheit hatte man sie bewertet. Je nachdem wurde ein Mädchen zwischen 10 und 20 Groschen taxiert. Gab es mehrere Interessenten für ein Mädchen, ging der Steigpreis auch schon mal darüber hinaus. Vom Erlös der Versteigerung zahlten die jungen Männer die Zeche am Abend, später die bei der Kirmes und auch beim Radscheiben. Der Steigerer erwarb sich das Privileg, sein Mädchen an den Kirmestages zum Tanze zu führen. Niemand durfte ohne seine ausdrückliche Erlaubnis mit dem Mädchen tanzen.

Am Abend der Versteigerung wurden aber auch vier Burschen gewählt, die »Gendarme« hießen. Sie überwachten den ordnungsgemäßen Ablauf der Tanzveranstaltungen, führten aber auch jene Mädchen zum Tanz, die nicht gesteigert wurden. Damit war vorgesorgt, dass es keine Mauerblümchen gab. Das Radscheiben fand am ersten Fastensonntag statt. Von »Leutischfeld« wurde ein dick mit Stroh umwickeltes Rad bis in die Kyll gerollt. Hierfür wurde das Stroh von Kindern bei den Bauern, nach der Nachmittagsandacht, gesammelt. Der Mann, der zuletzt im Ort geheiratet hatte, war verpflichtet, das Wagenrad zu stellen. Auf der mittleren Burgwiese wurde es vorbereitet. Mit soviel Stroh wurde es fest umwickelt, bis drei Pferde nötig waren, es den Berg von »Leutischfeld« hinauf zu schleppen. Sobald es dunkel geworden war, entzündete man das Rad. Die Musikkapelle spielte. Dann tanzten die jungen Männer ums Rad und ließen es den Berg hinabrollen, begleitet von zwei mit Stangen bewaffneten Burschen. Sobald es irgendwo liegen blieb, brachten sie es schnell wieder in Bewegung. War das Rad in der Kyll angekommen, wurde es sofort gelöscht. Denn verbrannte das Rad, mussten es die Burschen dem Besitzer bezahlen. Während die Burschen das Rad umflochten, beschäftigten sich die Mädchen mit Backen und wetteiferten dabei um das leckerste Backwerk. Das brachten sie in den Schulsaal, während das Rad den Berg hinunterrollte. Danach gingen sie zum Sauerwasserbrunnen. Dort warteten sie auf die Rückkehr der Burschen.

Gemeinsam gingen sie in den Schulsaal, wo sie Backwerk mit Wein zu Musik und Tanz verzehrten. Den Wein hatten die jungen Männer vom Erlös der Mädchenversteigerung gekauft. Diese Festlichkeiten dauerten von Sonntag bis Mittwoch. An diesem letzten Tag gab es vormittags zunächst einen Gottesdienst. Danach ging ein lustiger Zug durch die Stadt. Ein paar Burschen liefen dem Zug mit einem Knochen oder einer Kuhklaue hinterher. Sie ließen die Leute, an denen sie vorbeikamen, daran riechen. Für diesen »Genuß« verlangten sie eine Steuer.

Manchmal schwärzten sie auch die Zuschauer. Einige Burschen hatten einen Eimer Wasser und einen Strohwisch dabei, womit sie die Umstehenden bespritzten. Wenn der Zug durch den Ort gezogen war, wurde noch eine Rede gehalten und die Fastnachtslustbarkeiten hatten damit ein Ende.