Desserath -

verborgene Perle der Eifel

Heinz Schmitt, Trier

Wer in Meisburg die Bundesstraße 257 verlässt und in östlicher Richtung weiterfährt, erreicht nach etwa 2 km einen kleinen Ort, dessen Name mancher Leser hier zum ersten Mal hören dürfte, die Rede ist von Desserath. Eng an einen zum Salmbach abfallenden Südosthang geschmiegt liegen die wenigen Häuser hinter Bäumen gleichsam versteckt, so dass man aus allen Blickwinkeln immer nur einen Teil von ihnen sieht. Kirchlich wie verwaltungsmäßig gehört Desserath zur Gemeinde Deudesfeld. Die kleine Siedlung kann auf eine bereits Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken. Der Name weist Desserath zweifellos als Rodungsort aus. Nach einer ersten Rodungsperiode im 8. Jahrhundert setzte im 11. Jahrhundert eine zweite ein, die um 1300 ihren Abschluss fand. Seither sind Wald- und Landverteilung in unserer Heimat im wesentlichen unverändert geblieben. Träger der Rodungstätigkeit und des Landausbaues waren in erster Linie die großen Abteien und Klöster. So schreibt der Prümer Exabt Cäsarius im Jahre 1222, in den zurückliegenden drei Jahrhunderten seien »viele Wälder gerodet, Dörfer erbaut, die Zehnten vermehrt, viele Mühlen angelegt, Weinberge gepflanzt und große Landstriche urbar gemacht worden.« Einer solchen Rodungsmaßnahme verdankte auch Desserath seine Entstehung. Die Endung -rath gehört der zweiten Rodungsperiode an. Damals erstreckte sich noch von Büscheich im Norden bis etwa Niederkail im Süden ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet zu beiden Seiten der Salm. Dieser Salmwald besteht bis auf eingesprengte Rodungsflächen im wesentlichen bis heute. Deutlich ist auf den topographischen Karten die Rodungsinsel zu sehen, in der Desserath und Meisburg mit ihren Gemarkungen liegen und die sich nur nach Osten in Richtung Deudesfeld leicht öffnet. Ausgehend von Deudesfeld, das 1171 erstmals erwähnt wird und der Endung nach ebenfalls Rodungsort ist, wurde die Rodung nach Westen bis Meisburg vorangetrieben. Die älteste bekannte Nennung Desseraths stammt aus dem Jahre 1204. Damals hieß es Desselrode. Der Name bedeutet »Rodung des Dasilo oder Thassilo«. Thassilo hat auch die Formen Dessilo und Tessi-lo ausgebildet. Hierauf weisen die späteren Formen für Desserath wie Deselroed, Deissil-rot, Deissilroyde, Dessilroyde und Desselrait hin. Der belgische Historiker Maurits Gysseling konnte den Beleg »1204 Desselrode« vor vierzig Jahren noch nicht zuordnen und schrieb in seinem Namenbuch »unbekannt in der Eifel«. Es kann aber keinen Zweifel geben, dass es sich um unser Desserath handelt, wie dies Wolfgang Jungandreas auch zwei Jahre nach Gysseling belegt hat. Wir dürfen annehmen, dass Desserath im 12. Jahrhundert als Siedlung begründet wurde. Im folgenden sollen einige wichtige Daten zur Geschichte Desseraths in Regestform angeführt werden:

1204

Die Brüder Walter und Ludwig von Desserath (Desselrode) sind Zeugen, als Erzbischof Johann von Trier dem Kloster St. Thomas a. d. Kyll die Schenkungen des Rudolf, Herrn zu Malberg und seiner Frau Ida über ihr Eigengut zu Irsch (b. Bitburg) und das Pa-tronatsrecht der Kirche zu Neidenbach bestätigt, zu denen auch ihr Schwiegersohn Theoderich von Are und dessen Gemahlin Agnes, ihre Tochter, die Einwilligung gegeben haben. (LHAK 171, Nr. 7;MRUB1I, S. 260 Nr. 220, MRR II., S. 272 Nr. 985)

1218

Der Kölner Erzbischof Engelbert bestätigt die Stiftung des Nonnenklosters Niederehe durch die Gebrüder Theoderich, Alexander und Albero von Kerpen und den inzwischen erworbenen Güterbesitz des Klosters, zu dem auch l Mansus Land in Desserath (Deselroed) aus dem Eigentum Walters von Malberg gehört. (MRUB III., S. 89 Nr. 90, MRR II., S. 381 Nr. 1391, KNIP-PING, III, 1,5.42 f. Nr. 284)

1318

Am 4. Juli trägt Ritter Friedrich von Hamm, der Sohn des Gerhard, dem Trierer Erzbischof für 100 Pfund Heller alle seine Güter, Hörigen und Gerichtsbarkeiten in den Dörfern Bermersbach, Desserath (deissilrot), Steinborn b. Kyllburg und Salm zu Lehen auf. (LHAK l B Nr. 2377, EIFFL ILL I, 2, S. 446, SCHMITT, S. 45-50)

1330

Das Kloster St. Thomas a. d. Kyll besitzt Güter in Desserath (deissilroyde). (LHAK 171 Nr. 476, S. 37v, JUNGANDREAS, S. 287)

1358

Graf Wilhelm von Manderscheid und sein gleichnamiger ältester Sohn tragen dem Trierer Erzbischof Boemund ihr Gut zu Desserath (Tesilroid) mit den daraufsitzenden Mannen Peter und Hermann zu Lehen auf und erhalten es nun vom Erzbischofais Lehen zurück. (SCHMITZ-KALLEN-BERG, S. 18).

1378

Das Kloster St. Thomas a. d. Kyll besitzt Güter in Desserath (dessilroyde). (LHAK 171 Nr. 476, S. 2v, JUNGANDREAS, S. 287)

Kapelle in Desserath

1385

Unter den Lehen des Grafen Dietrich von Manderscheid-Kail, die durch die Pest (in dy-esem sterven) unbesetzt geworden sind, befinden sich auch die Güter in Desserath (Desselrat) mit ihrem Zubehör. Sie erbringen dem Grafen ins Schloss zu Kail jährlich 11 Gulden, dazu Weinfahrt und Frondienste am Schloss. (SCHMITZ-KAL-LENBERG, S. 27)

1403

Jacob der mey(er) von Desserath (Desselroid) und Henkin (Heinrich) der schomecher von Gransdorfwerden Untertanen des Grafen Dietrich von Manderscheid für jährlich 6 bzw. 3 bzw. 4 Pfund Pfeffer. (SCHMITZ-KALLENBERG, S. H)

15. Jh.

Das Kloster St. Thomas a. d.

Kyll besitzt Güter in Desserath (Desselrait). (LHAK 171 Nr. 476, S. lr„ JUNGANDREAS, S. 287)

1503

Das Weistum von Meisburg vermerkt die Grenzziehung zur Gemarkung von Desserath (Deserath). (BECKER, GERHARD, S. 21, GERTEN/MORSBACH, S. 43)

1707

Im Weistum der Herrschaft Manderscheid-Kail wird Desserath als Desterter Hof bezeichnet. (LHAK 15 Nr. 271, GERTEN/MORSBACH, S. 44)

1730

Das Meisburger Gerichtsprotokoll nennt den Weg nach Desserath. (BECKER, S. 41, GERTEN/MORSBACH, S. 44)

1852

Desserath heißt jetzt Jakobshof. Er gehört zur Gemeinde Deudesfeld in der Bürgermeisterei Weidenbach.

 

In zwei Häusern leben 17 Einwohner. (EIFFL ILLIII, 2, l, S. 162, GERTEN/MORSBACH, S. 45)

1952

Desserath hat als Filiale der Pfarrei Deudesfeld 52 Kommunikanten. (SCHEMATISMUS, S. 538)

Die Steuerlisten des Amtes Manderscheid aus dem 17./l8. Jahrhundert weisen keinen Beleg für Desserath aus. Zwar ist es denkbar, dass eventuelle Bewohner ohne besonderen Hinweis unter Deudesfeld geführt wurden, aber eher unwahrscheinlich. Wir müssen vielmehr von einem Wüstwerden Desseraths in der Kriegs- und Pestzeit des Dreißigjährigen Krieges ausgehen. Damals starben zahlreiche Dörfer und Weiler der Eifel für immer aus, wie beispielsweise das benachbarte Dorf Rackenbach, an das nur noch eine Kapelle erinnert. Als in der napoleonischen Zeit zu Beginn des vorigen Jahrhunderts französische Vermessungsoffiziere mit einer Landesaufnahme der Gebiete links des Rheins begannen, ist von Desserath nur noch eine Flurbezeichnung geblieben. Auf dem 1810/11 durch Ingenieur Geograph Raffy aufgenommenen Blatt 179: Wallenborn heißt die Flur östlich der heutigen Ortslage »Deserat«, doch finden sich keine Spuren von irgendwelchen Baulichkeiten bis auf die heute noch bestehenden Binzen-, Mausen- und Turnermühle. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde Desserath dann wieder neu besiedelt und entging dem Schicksal Rackenbachs. 1852 hieß die aus zwei Häusern bestehende Siedlung »Jakobshof« wohl nach ihrem ersten Bewohner. Heute trägt Desserath wieder seinen angestammten Namen. In einem vor kurzem erschienenen Buch über die Salm und ihre Anwohner früher und heute hat Erich Gerten auch Desserath vorgestellt. Mit Recht bemerkt er, dass die früheren »Hinterbüschdörfer« Meisburg, Desserath, Weidenbach und Deudesfeld längst aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht sind. Alle haben am Aufblühen des Fremdenverkehrs seit dem zweiten Weltkrieg teilgehabt und machen mit Naturschönheiten wett, was an gewerblichen und industriellen Möglichkeiten fehlt.

So findet man in dem kleinen 50-Einwohnerort Desserath zwei große Hotels, die zusammen fast 200 Betten für ihre Gäste zur Verfügung stellen können.

Die überwiegende Zahl der Gäste kommt aus dem nordrhein-westfälischen Ballungsgebiet. Abseits vom Getriebe der Großstadt finden sie in Desserath und Umgebung Ruhe und Erholung. Ausgedehnte Rad- und Wanderwege im Salmwald bis nach Bettenfeld und zum Merfelder Maar hin erschließen eine überreiche Landschaft.

In der Abgeschiedenheit der Eifel mag Desserath vielen Besuchern in der Tat wie eine verborgene Perle vorkommen. Mit seinen Gästen kann Desserath in drei Jahren in Stolz und Dankbarkeit sein 800-jähriges Bestehen feiern.

Quellen und Literatur: BECKER, GERHARD, Meisbrecht, Meisemburg, Meisburg - Aus der Geschichte eines Eifeldorfes, Daun 1971

BEYER, HEINR1CH/ELTESTER, LEO-POLD/GOERZ, ADAM, Urkundenbuch der jetzt die preußischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien (MRUB), Koblenz 1860-74, 3 Bde.

GERTEN, ERICH/MORSBACH, MANFRED, Die Salm. Geschichte und Geschichten um einen Eifeler Wasserlauf, o.O. (Neuerburg/Eifel) 1998

GOERZ, ADAM, Mittelrheinische Regesten oder chronologische Zusammenstellung des Quellen-Materials für die Geschichte der Territorien der beiden Regierungsbezirke Coblenz und Trier (MRR), Koblenz 1876-86, 4 Bde.

GYSSELING, MAURITS, Topony-misch woordenboek van Belgie, Nederland, Luxemburg, Nordfrankrig en West-Duitsland, Tongern 1960 JUNGANDREAS, WOLFGANG, Historisches Lexikon der Siedlungsund Ortsnamen des Mosellandes, Trier 1962

SCHANNAT, JOHANN FRIEDRICH/BARSCH, GEORG, Eifflia Illu-strata oder geographisch historische Beschreibung der Eifel (EIFEL ILL), Aachen/Leipzig 1824-55, 3 Bde.

SCHEMATISMUS des Bistums Trier 1952, Trier 1952 SCHM1TT, HEINZ, Ortschronik Steinborn, Steinborn 1999 SCHMITZ-KALLENBERG, Ludwig, Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen, Bd. I Regierungsbezirk Münster, Heft IVa: Kreis Coesfeld (Nachträge), Münster 1908 (= Veröff. Hist. Komm. Prov. Westfalen)