Wie's früher war im Bauernbad

Gertrud Knobloch, Bonn

Wenn die heiße Luft über dem Bach oder Weiher dick zum Schneiden glitzerte, die Hühner unter den Holunderstauden schläfrig blinzelten in der Mittagszeit und sich ihrerseits eine Badekuhle aus trockenem Lehm scharrten, dann sprang vielleicht auch so mancher leichtbekleidete Bursche schnell mal ohne Unterhose ins kühle Nass, weil vom weiblichen Geschlecht um diese Zeit weit und breit nichts zu sehen war. Zwar hatten auch die Damen hier weidlich beim Aufstauen geholfen, wenn die Wassertiefe nicht ausreichte, hatten Holz und Äste angetragen, aber an den heißen Erntenachmittagen blieb der Badebetrieb bedeutungslos. Denn da hieß es, im eigenen Saft baden bei der Heu- oder Getreideernte und höchstens ein paar Sommerfrischler boten tagsüber den Mücken ihre geröteten Schlüsselbeine zur Punktierung an. Das waren meistens Zeltler, denn der Camping-Run begann erst später. Doch in den Ferien wimmelte es im Schilf oft schon mächtig, falls der Badeplatz nicht allzu primitiv war. Und wenn es Abend wurde, dann rollten von weniger begünstigten Nachbardörfern die Drahtesel an.

Als Schwimmhilfsmittel dienten bei besser Betuchten höchstens Korkschwimmgürtel. Vereinzelt rückte man sogar noch mit luftgefüllten Schweineblasen aus der letzten Hausschlachtung an. Der Clou und gleichzeitig schon Bootersatz aber war ein ausrangierter Auto-Innenreifen, bis zum Platzen mit Luft gefüllt. Auch mit der Badekleidung war es nicht berühmt, denn kurz nach der Währungsreform fehlte das Geld für Überflüssiges vollends. Wer von den Mädchen mithalten wollte, der musste entweder Ideen haben oder gut stricken können. Auch die Nähbegabten kamen unter Verwendung von zweckentfremdeten Röcken und dazu passenden bunten Resten aus der Flickenkiste bestimmt zu einem einmaligen Badeanzug. Die Kleinsten, vor allem männlichen Geschlechts, hatten es da leichter. Oft genügte für sie, wenn sie aus der Turnhose des großen Bruders an passender Stelle den Gummi lang zogen und das faltige Beinkleid an ihm dann einfach um den Hals legten, worauf es plötzlich passte, auch wenn noch mehrere der kreischenden Nerventöter darin Platz gehabt hätten. Jedenfalls konnte sich auf diese Weise das Beinkleid nicht mehr selbständig machen. Diese Art von Badegästen tummelte sich auch schon am Nachmittag im Bauernbad, vor allem, wenn es ihnen nicht über die Schultern reichte, dass die Eltern sie sorglos sich selber überlassen konnten, während der Abend mehr der mittleren Generation gehörte.

Da kamen Franz und Karl-Heinz und Dieter und Helmut, stiegen aus ihrer fast selbststehenden Drillichhose in die Bermudas und stürzten sich ins Wasser. Erst mal kühlte man sich gründlich ab, bis sich allmählich die Lebensgeister wieder soweit einstellten, dass man auch zu Scherz und Schabernack neigte, vor allem, wenn auch Mädchen auftauchten.

Für diese war die Nutzung des Bauernbades nicht ganz unproblematisch, denn es herrschten strenge Sitten und leicht konnte man in Verruf kommen, wenn man sich allzu großzügig präsentierte. Dazu allerdings war die selbstgefertigte Badekleidung in den allerwenigsten Fällen angetan, sie wirkte vielmehr eher als »Liebestöter«. Trotzdem konnte man froh sein, wenn keine missgünstigen Mauerblümchen einem die Lust am Badspaß durch hässliches Gerede madig machten. Es war ja zu einer Zeit, wo noch »Rügebräuche« voll im Schwange waren, wie beispielsweise statt »Maien« Kirschreiser zu setzen, was heißen sollte, dass diejenige wie ein Kirschbaum sei, der von jedem geplündert wurde...; nicht weniger Ausdruck von »Nächstenliebe« war der Brauch, einer als etwas »locker« verschrieenen Schönen am Hochzeitstag in aller Frühe und Heimlichkeit statt Blumen Spreu zu streuen, beides Dinge, mit denen sich auch abgewiesene Freier zu gegebener Zeit für den Korb rächten, den sie bekommen hatten. Woran man sieht, dass auch nicht alles Brauchtum als erhaltenswert gelten muss! Selbst vom sportlichen Gesichtspunkt her konnte man als Mädchen nicht allen alles recht machen. Nur wer als solches alle scheinmoralischen Bedenken hinten anstellte, konnte wirklich schwimmen lernen und sich im Bad nicht nur der erfrischenden Abkühlung erfreuen. Wie immer waren die Jungens bedenkenloser und mutiger, die meisten konnten trotz Wassermangel schwimmen wie die Fische, aber als Mädchen scheute man das Wasserschlucken wie die Blamage. Nur wer einen Bruder, Freund oder Vater hatte, der die Geduld aufbrachte, einen mit Handtuch um den Bauch festzuhalten und im Schwimmen zu trainieren, hatte eine Chance und lernte es auch im aufgestauten Bach.

Da mag man schwärmen von den alten Zeiten - so ideal waren sie auch wieder nicht und ganz besonders nicht für Mädchen auf dem Lande, denn die wurden von Nachbarn und böswilligen Gleichaltrigen mit Argusaugen bewacht, vor allem, wenn sie wagten, sich im Bach oder Weiher zu tummeln.

Wie gut, dass es so etwas heute nicht mehr gibt und auch die schwere Feldarbeit von einst den Maschinen überlassen bleibt.