Ohne junge Leute keine Zukunft

Dorferneuerung geht auch die nächste Generation an

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

»Kinder müssen mit großen Leuten viel Nachsicht haben« (A. de Saint-Exupery »Der kleine Prinz«)

»Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde über die in diesem Gesetz vorgesehene Beteiligung der Einwohner hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen«. (§ 16c der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz).

Im Landkreis Daun lebten 1999 etwa 11.000 Kinder unter 14 Jahren und fast 3.000 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Dies waren, zusammen genommen, 21,62 "/o der Kreisbevölkerung; der Landesdurchschnitt lag bei 19,76 %. Was hat dies mit der Dorferneuerung zu tun, wird sich mancher fragen. Die Dorferneuerung hat längst erkannt, dass neben den gestalterischen Aspekten auch die soziale Komponente, die auf die Einbeziehung und Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner setzt, von großer Bedeutung ist. Dabei stellen die Kinder und Jugendlichen eine wichtige Gruppe für die Zukunft der Ortsgemeinden dar. Folgerichtig hat das Land Rheinland-Pfalz 1999 das Thema »Kinder und Jugendliche in der Dorferneuerung« zum Leitthema einer zukunftsorientierten Dorferneuerungspolitik gemacht. Die Dorferneuerung ist das geeignetste Instrument, mit ihrem ganzeinheitlichen Ansatz die Belange der Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen. Diese Altersgruppen müssen als »Fachleute in eigener Sache« ernst genommen und frühzeitig in die Konzeption eingebunden werden. Auch wenn dies so manchem Ortsbürgermeister oder Ratsmitglied neu ist und schwer fällt. Doch es lohnt sich immer!

Dies hat eine Reihe von Projekten bewiesen, die bereits seit 1995 im Landkreis Daun ausgeführt wurden: In Winkel die Aktion »Kinder und Jugendliche sprechen mit«. Die konkreten und vorzeigbaren Ergebnisse sind in den Maßnahmenkatalog der Ortsgemeinde eingeflossen und zum Teil bereits umgesetzt worden.

Im Rahmen der Projektwoche 1997 des St. Matthias-Gymnasiums Gerolstein hat eine kleine Gruppe das Dorf als Lebensraum von Schülern untersucht. Die Ergebnisse wurden in Tabellen, Karten und Fotos dargestellt. In Dreis-Brück haben sich neben einer Erwachsenen- auch eine Kinder-Theatergruppe sowie die Krabbelstube »Flohhaufen« gegründet. In Kerpen planten (unter Betreuung des Architekten) und bauten sich Jugendliche ihr Haus selbst; mit starker Unterstützung der Ortsgemeinde und durch zahlreiche Spenden finanziert. In Üxheim-Niederehe wurde ein leer stehendes älteres Feuerwehrhaus mit Eigenleistung der Jugendlichen und älterer Bürger zum Jugendhaus umgebaut.

Die Ortsgemeinde Kradenbach hatte mit großem Erfolg alle Kinder eingeladen, Vorschläge für die Gestaltung eines Kinderspielplatzes zu machen. In der Ortsgemeinde Steffeln haben Kinder, Eltern und die Planerin gemeinsam einen naturnahen Spielplatz skizziert, der mit viel Eigenleistung errichtet wurde. Es lohnt sich, dieses Vorzeigeprojekt zu besichtigen. Kinder und Jugendliche sind in der neuen Theatergruppe tätig.

Die Dorfjugend von Sassen hat bei der Ausarbeitung des Dorferneuerungskonzeptes eine ganze Reihe von Vorschlägen, dargestellt in Texten und Zeichnungen, vorgelegt, die in den Maßnahmenkatalog des Konzeptes eingeflossen sind.

Eine aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bietet sich in folgenden Dorfentwicklungsbereichen an: Bauliche Projekte, zum Beispiel die Umnutzung alter, leer stehender Gebäude zu Kinder- und Jugendtreffpunkten, Neubau von Jugendhäusern. Spiel- und Freizeitflächen; vorhandene verbessern und naturnah gestalten, neue schaffen, Umgestaltung von Schulhofflächen, Bolzplätze. Verkehrssicherheit, Sicherheit des Schulweges und/oder beim Weg zur Bushaltestelle, Verkehrsberuhigung einschließlich Begrünung, Buswartehäuser (auch allgemein nutzbar), Vermeidung von Parkplätzen auf Gehwegen, Fuß- und Radwegenetz, Straßenspielfest organisieren. Dorfkultur: Dorfzeitung erarbeiten, Theatergruppe gründen, Dorfrallye »Wer kennt den Ort?«, »Jung interviewt Alt«, Erkundung örtlicher Besonderheiten, örtliche Handwerker besuchen, Dorfchronik schreiben, historische Bausubstanz erfassen, Mundart. Natur und Umwelt: Bachpatenschaften übernehmen, geführte Exkursionen, Nistkästen bauen, Baum- und Strauchpflanzungen, Heilkräuter sammeln, Früchte ernten und verarbeiten, Besuch beim Imker, Frühlingsfest mit Baum kennen lern Aktion.

Soziales, zum Beispiel alte und kranke Menschen besuchen, Hilfsdienste anbieten, Vermittlung von Tages-Omas, Babysitten, Betreuung durch Mütter für Kleinkinder, Krabbelstube gründen, Ferienprogramme, Integration von ausländischen Kindern und Jugendlichen.

Die Zusammenarbeit mit den Jugendpflegerinnen und -pflegern der Verbandsgemeinden und des Kreises hat sich bei vielen Aktionen und Maßnahmen bewährt. Von besonderer Bedeutung ist die Selbsthilfe und Eigeninitiative. Letztere stärken die Dorfgemeinschaft und die Identifizierung mit der Maßnahme.

Die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen und die aktive Betätigung bei Maßnahmen und Projekten weckt das Interesse für die (Kommunal-) Politik und fördert ihr politisches Engagement.

Das Land Rheinland-Pfalz hat zu dem Thema in diesem Jahr den Wettbewerb »Unser Dorf hat Zukunft - kinder- und jugendfreundliche Dorferneuerung« ausgeschrieben. Aus dem Landkreis Daun wurden dazu acht Projekte angemeldet. Die Entscheidung wird im August 2000 fallen. Die Themenbereiche der Dorferneuerung bieten sich zum Teil auch als ganz konkreten, überschaubaren und für die Schüler selbst erfahrbaren Unterrichtsstoff in Schulen an. Hier können bereits wichtige Grundlagen für den Dorferneuerungsprozess und die Sensibilisierung des Themas vermittelt werden. Es müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, junge Menschen, unter Beachtung ihrer Rechte und Interessen, für die aktive Beteiligung und Mitwirkung an der Entwicklung ihres Dorfes zu gewinnen. Dies kann nicht nur über die Zukunft des Dorfes, sondern auch über die Zukunft der Demokratie mit entscheiden. »Kinder und Jugendliche in der Dorferneuerung« - packen wir das Thema an! Kinder und Jugendliche: Mischt euch ein!