Tierisches in unserer Sprache

Einige Redewendungen mal anders gesehen

Josef Jakob, Jünkerath

Alter Ochse, dumme Gans, kleines Schäfchen... Die sprichwörtliche Schwerfälligkeit des männlichen Tieres wird beobachtet und auf Menschen übertragen, bei der dummen Gans hat die Beobachtung kaum Pate gestanden, denn der Sage nach erwies sie sich auf dem römischen Kapitol als äußerst hilfreich. Ihr Schnattern soll die dösenden Palastwächter vor den heranschleichenden Galliern gewarnt haben. (Die Ehre der Frauen gerettet!) Aber die wachsamen römischen Gänse wechselten bald ihre Rolle, haben später St. Martin durch ihr Schnattern verraten und müssen seitdem zum »Määrdesdaach« die Hälse hinhalten. In größeren Gänsescharen bekamen die lieben Gänschen gar Schuhe verpasst: Entweder lochte man ihnen die Schwimmhäute, oder ihre Füße bekamen Pechschuhe, damit man sie unterscheiden konnte. Wer schon einmal ein Lämmchen im Arm gehalten hat, kann nur sagen: »süß«. Hat es sich dann in ein Schaf verwandelt, wirkt es ausdruckslos, dümmlich, ist nun dummes Schaf.

Die Tiere, die den Menschen sehr nahe waren: Hund, Rind, Pferd, Schwein, Kuckuck, Spatz... fanden am ehesten Eingang in unseren Wortschatz.

Unsere Kleinen heißen Schmutzfink, bald sogar Schmierfink, Dreckspatz weil diese Vögel es lieben, im Dreck, Kot, Mist herumzustochern. Über die Suhle der Schweine muss man nicht viele Worte verlieren. Schweine sind eben Schweine! Wussten Sie, dass die Türken ihre Rösser mit Kastanien fütterten? Daher: die Rosskastanien.

Haben Sie schon einmal ein Pferd vom Schwanz her aufgezäumt, also ganz verkehrt herum gedacht oder gesprochen?

Sitzen Sie gelegentlich auf hohem Ross? Wer auf hohem Ross sitzt, benimmt sich wie hochmütiger Junker, der geringschätzig auf das niedere Fußvolk hinab schaut. Eine Rosskur (mit sehr starken Mitteln) ist keine Pferdekur. Dazu noch der Volksmund: »Mutigem Ross gehört starker Zaum, unwilligem muss man die Sporen geben.« Sie kennen den Amtsschimmel? Er aber hat mit einem Schimmel nichts gemeinsam. Er ist ein gebürtiger Österreicher. Deren Bürokraten hatten in ihren Formblättern »simile« stehen (lateinisch similis, deutsch dergleichen, ähnlich). Bei den korrekten Preußen wurde daraus der Amts-Schimmel.

Noch ein wenig über Kühe: Was geht auf keine (eine) Kuhhaut? Steckt dahinter das Tierfell (Pergament), das sich gegen eine Lügenmeldung zur Wehr setzt?

Anderer Deutung nach ist damit eine Tierhaut gemeint, auf der die Sünden der Menschen aufgeschrieben stehen und bis zum Jüngsten Gericht, dem Tag der Abrechnung, warten.

Eine heilige Kuh schlachten (ein Tabu brechen), eine Kuh vom Eis bringen (Schwierigkeit überwinden). Alte Kuh gar leicht vergisst, dass sie Kalb gewesen ist. Weiß der Kuckuck... Hol's der Kuckuck!

Einer, der seinen Namen deutlich ausruft, steht nicht im besten Rufe; muss er sich doch gegen die schlechte Ansicht wehren, Nesträuber und Plünderer zu sein »Lieber Kuckuck«, sag mir doch; wie viel Jahre leb ich noch?« Dann zählt man die zu erwartenden Lebensjahre. Ledige Mädchen erwarten Auskunft über die Dauer des Wartens bis zur Hochzeit. Später dann hofft der Ehemann, im Nest kein Kuckucksei zu finden. Kein Vogel hat in der christlich geprägten Vorstellungswelt so deutliche Spuren hinterlassen wie er, der Zugvogel, dessen Rückkehr Aussaat und Erntetermine empfehlen. In Sachsen bestimmt der Kuckuck sogar die Anzahl der Hautmale: Beim ersten Ruf an einen Teich gehen, sich waschen und dazu rufen: »Kukuk, ich bitte dich, meine Sprossen warten auf dich.« Noch ein Vogel mahnt, droht, deutet an: das Käuzchen, auch Totenvogel genannt. Sein Kiwitt erinnert an Komm mit. Licht an einem Fenster lockt ihn an. Wo Licht in der Nacht brennt, hilft wer einem kranken Menschen, begleitet ihn im Todeskampf. So deutet es die Volksweisheit. Kein Wunder also, dass der Vogel auch Totenvogel, Leichenvogel, Sterbekauz gerufen wird. Noch ein seltsamer Vogel: der Pirol. Um 1555 hieß er noch Bierolf, Pirholer, Bülau, Bülow. Franzosen nennen ihn Gevatter Loriot. Wer kennt ihn nicht, den Karikaturenzeichner Loriot (von Bülow), dem wir die Menschen mit Knollennasen und Fernsehreihen verdanken. Vögel haben Flügel, dichterisch Fittiche genannt. Da liegt es nahe, sie Schlagfittiche zu nennen. Und schon sind wir auch beim Schlafittchen. Ehemals waren damit die niederdeutschen Gewandzipfel, Rockschöße gemeint. Gänse packt man zum Rupfen oder Schlachten beim »Slafitt-je«. Verwandt damit: das Flittchen!!

Flügel haben Federn, Federn einen Kiel. Der war hohl und eignete sich, ihn mit Tinte oder Tusche zu füllen, dann damit zu schreiben. Dann kamen stählerne Schreibgeräte auf, die aber immer noch Federn blieben.

Zurück zu den Unbefederten: Ein ungeleckter Bär beruht auf der Vorstellung des Mittelalters, der Bär werde als gestaltloses unförmiges Stück Fleisch geboren und von der Mutter in die rechte Form geleckt. Jemand, der wie ein Bär brummt, ist bärbeißig. Jemandem Bärendienst erweisen, will sagen: ungefragte, unzweckmäßige Hilfe leisten. Dem Nachbarn einen Bären aufbinden, kommt aus dem Jägerlatein und bedeutet, dass man ihn für einen Leichtgläubigen hält. Meister Petz lässt sich nicht so einfach aufbinden (anbinden). Ob es stimmt, dass der Backfisch ein unreifer Fisch ist, der sich lediglich zum Backen eignet, was man auch auf einen Studenten-Anfänger übertragen kann? Oder ist er bei den Engländern in die Lehre gegangen und wurde seiner Winzigkeit wegen ins Meer zurück (back) geworfen? Beides könnte richtig sein! Kennt man sich sehr gut, erlaubt man sich gelegentlich, einander mit armer oder dummer Hund zu bezeichnen. Einen blinden Hund nennen die Studenten eine Suppe, aus der kein Fettauge herausschaut. Der »dicke Hund« kommt aus der Schule und meint einen haarsträubenden Fehler.

Man kann auf den Hund kommen: Adlige Missetäter mussten zur Strafe öffentlich einen Hund tragen. Wie ein bunter Hund bekannt sein, das heißt, irgendwie auffällig sein. Einen Hund unter dem Ofen hervor locken: (ältere Öfen standen auf Beinen). Aus der Jägersprache: Vor die Hunde geht Wild, das verludert ist und keine Widerstandskraft mehr hat. Hundstage (Juli-August) sind schwüle Tage, nach dem Sternzeichen Hund (Sirius) so genannt.

Vom Hasen sollte man wissen, wie er läuft. Der Jäger stellt seine Lauf-Richtung fest und wird so treffsicherer. Wo er danach endet und liegt, im Pfeffer vielleicht (als Hasenpfeffer), das hat man schon um 1500 herum gewusst. Das Hasenpanier ergreifen meint, die Flucht ergreifen und dabei das helle Fleckchen unter dem Kurzschwanz (Panier) zeigen.

»Mein Name ist Hase« behauptete ein Heidelberger Student mit dem Namen Hase. Er hatte seinen Kommilitonen im Duell erschossen und seinen Ausweis verloren. Beim Verhör vor Gericht gab er an, Hase zu heißen. Das glaubte man ihm aber nicht, und trotzdem blieb sein Ausspruch bis heute ein geflügeltes Wort.

»Dass dich das Mäuslein beißt«, hat eigentlich nichts mit der Maus zu tun, sondern kommt von »Meisel«, der »Meiselsucht« und meint den unheilbaren tödlichen Aussatz, wörtlich also, »Dass dich die Mieselsucht befalle!«. »Arm wie eine Kirchenmaus sein«: gemeint waren die Mäuse und Ratten, die zu ihrem eigenen Leidwesen in der Kirche keine Küche fanden und somit oftmals elend verhungern mussten. »Da beißt (k)eine Maus (kleinen Faden ab«. Diese Redensart bezieht sich auf den Namenstag der heiligen Gertrud, der am 17. März ist. Früher ging man davon aus, dass ab diesem Tag keine Frau mehr am Spinnrad arbeiten sollte. Wenn am Gertrudentag noch gesponnen wurde, hätten die Fäden jahreszeitbedingt schon von den Mäusen zerbissen werden können. Was ein »gerissener Fuchs« ist, weiß eigentlich ein jeder. Wenn der Fuchs aber ausgerechnet den Gänsen eine Predigt hält, dann wird er unglaubwürdig, weil gerade die Gänse auf seiner Speisekarte stehen. Auf Menschen wird dieses Sprichwort übertragen, wenn man ausdrücken möchte, dass jemand ein Heuchler ist.

Wenn jemand fuchsteufelswild ist, dann muss er nicht wild wie ein Fuchs sein, denn dieses Sprichwort hat mit dem Fuchs wenig zu tun. Es geht eher zurück auf das ältere »fucken« (hin und her laufen).

Fuchs und Wolf passen an sich nicht zusammen; sie vertragen sich nämlich nicht. Gelegentlich sagt man, der Wolf könne keine Schafe hüten, weil sie zu seiner Leibspeise zählen. In der Beziehung ähneln sich Wolf und Fuchs.

»Oft aus Lammeshaut, Wolfes Tücke schaut« will sagen, dass jemand sich zwar als harmloses Lamm ausgibt, in Wirklichkeit aber ein hinterhältiger Wolf geblieben ist; er will ganz einfach täuschen. Man sieht an all diesen Beispielen, dass wir viele Elemente in unserer Sprache haben, deren Herkunft oft im Dunkeln liegt oder nur schwer zu erschließen ist. Trotzdem haben sich gerade diese »tierischen Aussprüche« ihren festen Platz in unserem Sprachschatz bewahrt. Oft ist es wirklich interessant, so manchem Sprichwort auf den Grund zu gehen, und man wundert sich, welche Hintergründe aufgedeckt werden können.

Content-Disposition: form-data; name="hjb2001.92.htm"; filename="M:\A0\HJB_Internet\HJB_Volltexte\hjb2001\Et_os_alt_ueweall_ebbes.htm" Content-Type: text/html Niederbettingen

Et os alt üwerall ebbes

Auf Hochdeutsch: Alles Positive hat irgendwo einen Haken

Hildegard Dümmer, Hillesheim

Die Sonntagvormittage in meiner Kinder- und Jugendzeit sind mir wegen der vielen Geschichten und Diskussionen, die ich in unserer kleinen, gemütlichen Wohnküche erleben durfte, noch heute sehr präsent. Denn nach der Frühmesse pflegten sich die männlichen Mitglieder der Verwandtschaft (die weiblichen waren mit der Vorbereitung des Mittagessens beschäftigt) bei uns zu einem kurzen Plausch und einem Schnäpschen einzufinden. Es war für unsere beiden Großväter, die Brüder von Vater und Mutter, sowie unseren Großonkel, den wir alle »Patt« nannten, zur lieben Gewohnheit geworden, meiner Mutter und uns Kindern, denen der Mann und Vater fehlte - unser Vater war in Russland vermisst - auf diese Art zu zeigen, dass wir nicht alleine gelassen waren.

Bei diesen Treffen wurde oft politisiert, manchmal auch heftig diskutiert, während Mutter Kartoffeln schälte, Gemüse putzte, den Sonntagsbraten auf dem Herd bruzzeln ließ. Auch sie nahm häufig lebhaften Anteil an diesen Gesprächen und war so stets auf dem »Laufenden«.

Politische Debatten und Diskussionen über Krieg und Soldatenzeiten mochten wir Kinder nicht. Sie erinnerten uns zu sehr an die vergangenen Kriegsjahre, die Besetzung durch die Amerikaner und an unseren geliebten Vater, der vielleicht noch lebend oder sogar schon tot irgendwo in Russland oder Polen verschollen war und bis heute auch noch ist.

Viel lieber lauschten wir den lustigen und heiteren Geschichten und Begebenheiten aus dem Alltag der älteren Herren. Eine dieser amüsanten, aber auch etwas nachdenklichen Anekdoten aus dem Munde unseres Großonkels ist mir bis heute nicht entfallen. »Patt«, ein sehr gepflegter älterer Herr, zwar nicht groß von Gestalt, stets freundlich und aufgeschlossen, von Beruf Landwirt, nicht unvermögend, lebte im Haushalt meines Großvaters. Sonntags erschien er stets in Anzug mit weißem, gestärktem Hemd mit Krawatte, den schwarzen Hut auf dem Kopfe, die unvermeidliche, wohlriechende Zigarre im Mund, deren angenehmer Duft unser ganzes Haus erfüllte. Obwohl unverheiratet, war er doch in seiner Jugendzeit des öfteren auf Freiersfüßen unterwegs gewesen, um nach einer passenden Braut Ausschau zu halten. So gelangte er auch eines Tages in ein Dorf im Kreis Bitburg, wo er einen entfernten Verwandten besuchte. Vielleicht konnte dieser eine Vermittlerrolle übernehmen? Aber dieser Besuch sollte zu einem Schlüsselerlebnis für unseren geschätzten Onkel werden. Der Gastgeber, ein sogenannter »dicker Bauer«, wie sie ja in dieser Region häufig zu finden waren und noch sind, mit entsprechend großem Misthaufen, zeigte ihm voller Stolz seinen Besitz. Zuerst inspizierten die Beiden die Umgebung des Hauses. Garten und Hof waren in bester Ordnung, die wenigen Maschinen, die man damals besaß, standen sauber geputzt und eingefettet in Reih und Glied im angrenzenden Hangen (Schuppen). Die Scheune war vollgepackt mit Garben des besten Getreides, die Tenne sauber gefegt. Im Stall standen gut genährte Kühe wiederkäuend an ihren Plätzen, mindestens drei Dutzend an der Zahl. Auch Kälber und Schweine lagen wohl versorgt und satt in ihren Boxen. Zwei prächtige Zugpferde wieherten ihnen entgegen, als sie die Stalltüre öffneten; sogar ein junges Fohlen reckte neugierig seinen Kopf. Schließlich betraten sie das Wohnhaus, zu dem eine breite Treppe mit einem kunstvoll geschmiedeten Geländer hinaufführte. Im Wohnzimmer, das mit schweren Eichenmöbeln ausgestattet war, erwartete sie ein schön gedeckter Tisch, Duft von Kaffee und Kuchen durchzog das Haus. Alles blitzte vor Sauberkeit, Küche, Keller und Vorratsräume waren wohlbestellt, Reichtum und Wohlstand nicht zu übersehen. Voller Stolz nahm der Bauer das Lob seines Gastes entgegen. Schließlich führte er ihn in die Küche. Dort saß in einer dunklen Ecke ein hässliches altes Weib von grober Gestalt. Mit mürrischem Gesicht und nicht sehr freundlich begrüßte sie schließlich widerwillig den Gast und hieß ihn Platz zu nehmen. »Un datt oss meng Frau,« stellte sie der Bauer etwas verlegen vor. Sein Gesicht zur Seite drehend, murmelte er dann vor sich hin: »Joa, joa, et oss alt üwerall ebbes.« Ob mein Großonkel, geschockt von dieser Begegnung, die Suche nach einer entsprechenden Lebensgefährtin nun endgültig aufgegeben hatte, werden wir nie erfahren, er ist vor vielen Jahren im hohen Alter von 86 Jahren unbeweibt verstorben. Vielleicht ist er auch an diesem »Ebbes« gescheitert?