Et os alt üwerall ebbes

Auf Hochdeutsch: Alles Positive hat irgendwo einen Haken

Hildegard Dümmer, Hillesheim

Die Sonntagvormittage in meiner Kinder- und Jugendzeit sind mir wegen der vielen Geschichten und Diskussionen, die ich in unserer kleinen, gemütlichen Wohnküche erleben durfte, noch heute sehr präsent. Denn nach der Frühmesse pflegten sich die männlichen Mitglieder der Verwandtschaft (die weiblichen waren mit der Vorbereitung des Mittagessens beschäftigt) bei uns zu einem kurzen Plausch und einem Schnäpschen einzufinden. Es war für unsere beiden Großväter, die Brüder von Vater und Mutter, sowie unseren Großonkel, den wir alle »Patt« nannten, zur lieben Gewohnheit geworden, meiner Mutter und uns Kindern, denen der Mann und Vater fehlte - unser Vater war in Russland vermisst - auf diese Art zu zeigen, dass wir nicht alleine gelassen waren.

Bei diesen Treffen wurde oft politisiert, manchmal auch heftig diskutiert, während Mutter Kartoffeln schälte, Gemüse putzte, den Sonntagsbraten auf dem Herd bruzzeln ließ. Auch sie nahm häufig lebhaften Anteil an diesen Gesprächen und war so stets auf dem »Laufenden«.

Politische Debatten und Diskussionen über Krieg und Soldatenzeiten mochten wir Kinder nicht. Sie erinnerten uns zu sehr an die vergangenen Kriegsjahre, die Besetzung durch die Amerikaner und an unseren geliebten Vater, der vielleicht noch lebend oder sogar schon tot irgendwo in Russland oder Polen verschollen war und bis heute auch noch ist.

Viel lieber lauschten wir den lustigen und heiteren Geschichten und Begebenheiten aus dem Alltag der älteren Herren. Eine dieser amüsanten, aber auch etwas nachdenklichen Anekdoten aus dem Munde unseres Großonkels ist mir bis heute nicht entfallen. »Patt«, ein sehr gepflegter älterer Herr, zwar nicht groß von Gestalt, stets freundlich und aufgeschlossen, von Beruf Landwirt, nicht unvermögend, lebte im Haushalt meines Großvaters. Sonntags erschien er stets in Anzug mit weißem, gestärktem Hemd mit Krawatte, den schwarzen Hut auf dem Kopfe, die unvermeidliche, wohlriechende Zigarre im Mund, deren angenehmer Duft unser ganzes Haus erfüllte. Obwohl unverheiratet, war er doch in seiner Jugendzeit des öfteren auf Freiersfüßen unterwegs gewesen, um nach einer passenden Braut Ausschau zu halten. So gelangte er auch eines Tages in ein Dorf im Kreis Bitburg, wo er einen entfernten Verwandten besuchte. Vielleicht konnte dieser eine Vermittlerrolle übernehmen? Aber dieser Besuch sollte zu einem Schlüsselerlebnis für unseren geschätzten Onkel werden. Der Gastgeber, ein sogenannter »dicker Bauer«, wie sie ja in dieser Region häufig zu finden waren und noch sind, mit entsprechend großem Misthaufen, zeigte ihm voller Stolz seinen Besitz. Zuerst inspizierten die Beiden die Umgebung des Hauses. Garten und Hof waren in bester Ordnung, die wenigen Maschinen, die man damals besaß, standen sauber geputzt und eingefettet in Reih und Glied im angrenzenden Hangen (Schuppen). Die Scheune war vollgepackt mit Garben des besten Getreides, die Tenne sauber gefegt. Im Stall standen gut genährte Kühe wiederkäuend an ihren Plätzen, mindestens drei Dutzend an der Zahl. Auch Kälber und Schweine lagen wohl versorgt und satt in ihren Boxen. Zwei prächtige Zugpferde wieherten ihnen entgegen, als sie die Stalltüre öffneten; sogar ein junges Fohlen reckte neugierig seinen Kopf. Schließlich betraten sie das Wohnhaus, zu dem eine breite Treppe mit einem kunstvoll geschmiedeten Geländer hinaufführte. Im Wohnzimmer, das mit schweren Eichenmöbeln ausgestattet war, erwartete sie ein schön gedeckter Tisch, Duft von Kaffee und Kuchen durchzog das Haus. Alles blitzte vor Sauberkeit, Küche, Keller und Vorratsräume waren wohlbestellt, Reichtum und Wohlstand nicht zu übersehen. Voller Stolz nahm der Bauer das Lob seines Gastes entgegen. Schließlich führte er ihn in die Küche. Dort saß in einer dunklen Ecke ein hässliches altes Weib von grober Gestalt. Mit mürrischem Gesicht und nicht sehr freundlich begrüßte sie schließlich widerwillig den Gast und hieß ihn Platz zu nehmen. »Un datt oss meng Frau,« stellte sie der Bauer etwas verlegen vor. Sein Gesicht zur Seite drehend, murmelte er dann vor sich hin: »Joa, joa, et oss alt üwerall ebbes.« Ob mein Großonkel, geschockt von dieser Begegnung, die Suche nach einer entsprechenden Lebensgefährtin nun endgültig aufgegeben hatte, werden wir nie erfahren, er ist vor vielen Jahren im hohen Alter von 86 Jahren unbeweibt verstorben. Vielleicht ist er auch an diesem »Ebbes« gescheitert?