Brief an einen Freund

Marianne Schönberg, Jünkerath

Die Geschichte ist eine erlebte und ich hab sie im Bekanntenkreis schon oft erzählt, immer wurde sie mit beinahe ungläubigem Staunen gehört, denn wo gibt es einen Freund, den man vorher nicht kannte, dessen Namen man nie gehört hat bis zum Tag X? Zur Vorgeschichte. Nein, es geht nicht um aufregende Dinge, NUR um ein Buch, eigentlich ein Büchlein und das schrieb die Mundartdichterin Lina Sommer zu Beginn der dreißiger Jahre. Gedichte sind drin, kleine Geschichten und sie nannte ihre letzte Ausgabe die PÄLZISCH HAUSAPOTHEK. Mein Vater kaufte die Neuerscheinung als ich noch Schulkind war, wir lasen mit Freude von der APPELFRAA, dem LEWWER-WÄRSCHDEL, vom BABBA, der verreist iss; ich freute mich am Reim, an den Themen. Dass die Gedichte einen tieferen Sinn hatten, eben als Medizin gedacht waren, das begriff ich erst später und da war die HAUSAPOTHEK nicht mehr auffindbar. In den wirren Jahren nach dem Krieg und bei der Übersiedlung kam sie wohl unter die Räder, einige Verse hatte ich im Gedächtnis, aber lückenhaft, immerzu fehlte eine Zeile. Als sich meine finanzielle Situation stabilisiert hatte, sollte eine neue HAUSAPOTHEK her. Alle Nachfragen in vielen Buchhandlungen war ergebnislos, nein, das haben wir nicht, wird wohl nicht mehr aufgelegt, fragen Sie mal im Antiquariat.

Ich fragte - nichts. Viele Jahre versuchten liebe Bekannte in der Pfalz, das Büchlein zu bekommen, alles negativ. Schließlich schrieb ich mir die Trauer um die alten Verse vom Herzen, in einem Text um die Schriftstellerin Lina Sommer in einem Heimatbüchlein. Genau den las MEIN FREUND. Er wusste um Archive, die alte Bücher aufbewahren, sprach mit seiner Frau über meinen Wunsch und beide meinten, mir könne geholfen werden. Warum?

Ich weiß es nicht, einfach so, aus einem guten Gefühl für einen Fremden. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass es so etwas gibt. Da sucht und findet ein Mensch vergessene Literatur, kopiert Seite für Seite, heftet das Ganze und schickte es in die Eifel. Das war wenige Tage vor Weihnachten. Im Begleitbrief stand... »ein Gruß vom Pfälzer Christkind«. Ist das ein Geschenk?

Es ist DIE Gabe und ich spürte, da war mir jemand FREUNDLICH zugetan, fragte nicht nach woher und warum, tat etwas - etwas Wunderschönes. Nein, das ist kein Märchen.