Birkenjahr

Winter

Birke, schlanke Freundin du, stehst so still in Winterruh. Schnee umspielt dich silberweiß, gibt nicht dein Geheimnis preis.

Frühling

Birke, meine Freundin du, vorbei ist nun die Winterruh. Wie braune Haare wehn im Wind die Zweige, die voll Blüten sind. Und sanftes Grün mischen darein die Blätter, noch so winzig klein. Dies Festkleid dir der Frühling schafft, so zart, so lind und mädchenhaft.

Sommer

Birke, wiegst nun so beschwingt dein sattes Grün im Sommerwind. Schatten spendet uns dein Kleid in Sommersonnenherrlichkeit. Hoch über dir und Moor und Au wölbt sich der Himmelskuppel Blau.

Herbst

Birke, bist in Gold gehüllt,

wenn das Herbstlicht dich erfüllt.

Dein Stamm so schwarz und silberweiß

genarbt, zahlt deiner Schönheit Preis.

Die Zweige lösen sich alsbald

vom Gold. Schon sind die Nächte kalt.

Und auf der Erde liegt gebreitet

der goldne Teppich. Ihn beschreitet

gar oft ein Mensch so unbedacht,

gedankenlos bei Tag, zur Nacht.

So sinkt in die Vergessenheit,

was Schönheit war und Herrlichkeit.

Alter Baum

Birke, alte Freundin du, im Sommerwind, zur Winterruh, mit Frühlingswehen, Herbstesgold warst du ein Leben lang mir hold. Dein weißer Stamm, er wurde grau, die Zweige hart. Im Morgentau wehn sie nicht mehr wie braunes Haar. Nun stehst du still durchs ganze Jahr.

Ingeborg Freisinger, Bad Reichenhall