Meine erste Arbeitsstelle in der Fremde

Angela Dingels, Salm

Zurückgezogen und bescheiden lebten wir in unseren stillen, abgelegenen Eifeldörfern. Man hatte wenig Erfahrung und war sehr weltfremd. Als junges Mädchen hatte ich das Bedürfnis nach Veränderung, etwas anderes kennen zu lernen, außerdem etwas Geld zu verdienen und einige geheime Wünsche zu erfüllen. Das Einkommen der Eltern war gering; die kleine Landwirtschaft in der kargen Eifel brachte keine großen Gewinne, daher musste man auf vieles verzichten. Mit 19 Jahren habe ich eine Stelle angenommen, in Leverkusen-Schlebusch in einem kinderlosen Arzthaushalt, als Haushaltsgehilfin; besser gesagt als Dienstmädchen. So kam ich zum erstenmal aus dem behüteten Elternhaus unter fremde Menschen - für wenig Geld viel leisten, wie es vor 50 Jahren üblich war. Welch eine Umstellung! Jetzt wurde mir der große Unterschied in den Lebensverhältnissen erst richtig bewusst. Ich kam mir vor wie in einer anderen Welt, im Stillen wünschte ich mir, wieder zu Hause zu sein. Der einzige Kontakt zur Heimat war Schreiben, da blieb Heimweh nicht aus, aber ich hatte den festen Vorsatz, durchzuhalten.

Ich war sehr erleichtert, als meine Vorgängerin noch einige Tage blieb, um mich einzuarbeiten. Ich bemühte mich und hatte wider Erwarten alles schnell im Griff, was die Chefin mir bestätigte. Die Eltern erlaubten mir, von meinem ersten Lohn einen geheimen Wunsch zu erfüllen; wie lange schon wollte ich eine Armbanduhr besitzen. Mein Monatslohn betrug 50 Mark, das war auch der Preis der Uhr.

Einen ganzen Monat arbeiten für eine Uhr - das ist heute unvorstellbar. Die Chefin war mir behilflich beim Kauf, da ich mich noch nicht auskannte. Sie beteiligte sich mit fünf Mark und ich war glücklich, dass noch etwas übrig blieb von meinem Lohn. Die Arbeit machte mir immer mehr Spaß und ich war bereits sehr selbständig im Haushalt. Vor allem hatte ich viel Neues gelernt beim Kochen, aber manches war mir fremd - zum Beispiel Kasseler Rippenspeer; ich hatte es vorher noch nie gehört. So war ich im Metzgerladen, wo ich öfters einkaufte, und verlangte l kg Kasseler. Man sagte: »Kommen Sie bitte in einer Stunde wieder. Es hängt noch im Rauch«.

Als ich zum zweitenmal vor der Theke stand, fragte die Verkäuferin: »Sie kommen doch für Rippenspeer?« »Nein«, sagte ich, »für Dr. Renzel«, so hieß der Arzt, wo ich angestellt war. »Möchten Sie kein Kasseler?« war die zweite Frage. »Doch«, sagte ich beschämt und schüchtern, ich stand da wie ein begossener Pudel, weil noch einige Kunden im Laden waren und mich erstaunt ansahen. Das Kasseler wurde mit einer guten Soße gebraten, dazu Sauerkraut und Pürree; ich war mächtig stolz auf die gelungene Mahlzeit und bereite das Gericht noch heute so, wie ich es vor 50 Jahren gelernt habe.

Mittlerweile führte ich den Haushalt fast selbständig und es machte mir immer mehr Spaß; es war ein gutes freundschaftliches Verhältnis auf beiden Seiten. Viele Impulse, Erfahrungen und Eindrücke habe ich gewonnen, es war eine Bereicherung für mein weiteres Leben.

Leider musste ich daran denken, die Stellung zu kündigen, denn ich wurde in den Sommermonaten zu Hause in der Landwirtschaft gebraucht. Viel lieber wäre ich geblieben, aber es war nicht zu ändern. Wie oft wollte ich es sagen, aber es fehlte mir der Mut, die Kündigung auszusprechen, und dann reagierte die Chefin sehr verärgert, ohne jedes Verständnis.

Die letzten Wochen habe ich nicht mehr in angenehmer Erinnerung.