Wie die Herren von Daun die Vogtei im Kröver Reich verloren

Winfrid Blum

Dieser Beitrag stellt den entsprechenden Teil des folgenden Buches vor: Erwin Schaaf unter Mitarbeit von Johannes Mötsch: Beiträge zur Geschichte des Kröver Reiches. Bernkastel-Kues, Johnen-Druck 1998, 251 S. mit zahlreichen Zeichnungen und Abbildungen. Der hier interessierende Kernsatz aus dem genannten Buch (S. 73) sei vorangestellt: »Mit der Vogtei des Kröver Reichs waren die Herren von Daun erblich belehnt.« Und am Ende steht trocken notierend, daß Johann von Daun aus finanzieller Not mit Urkunde vom 11. April 1398 (S. 78) »endgültig auf die Vogtei des Kröver Reichs« verzichtet. Was dazwischen lag und geschah, ist unter vielem anderen Inhalt des gediegen und ansehnlich aufgemachten Buches. Zum Verständnis werden die rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, Grundlagen und Zusammenhänge kurz skizziert. Das Kröver Reich hielt sich als verfassungsrechtliches Unikum von seinen Ursprüngen in der Karolingerzeit bis zur Besetzung der Rheinlande 1794 durch die Franzosen. Diese territoriale Sondereinheit, umfassend die Dörfer Kröv, Bengel, Kinderbeuern, Kinheim, Kövenig und Reil blieb Reichsgut, also dem Kaiser oder König gehörend, an der Mittelmosel bis zum Jahre 1274, als König Rudolf von Habsburg es dem Grafen von Sponheim-Starkenburg verpfändete. Damit war dem Bestreben des Trierer Erzbischofs, sein Territorium entlang der Mosel auszudehnen, ein Riegel vorgeschoben; Unter- und Oberstift konnten hier nicht territorial verbunden werden.

Das Erzstift versuchte mit allen Mitteln, dem Sponheimer die Pfandschaft zu nehmen, hatte damit aber erst im Jahre 1398 Erfolg, als der Vogteiinhaber - Johann von Daun -endgültig verzichtete. Landesherr des Kröver Reichs war der König oder Kaiser, im Kröver Weistum »Römischer Vogt« genannt. Im Laufe der Jahrhunderte zogen die Pfalzgrafen (zu Aachen) die Stellung eines Souveräns immer mehr an sich, bis mit Pfalzgraf Wilhelm, der die Abtei Springiersbach (mit Reichsgut) reich beschenkt hatte, diese Dynastie 1140 ausstarb. König Konrad III. zog das heimgefallene Lehen ans Reich zurück. Dort blieb es bis zu der bereits erwähnten Verpfändung 1274. Alle Versuche Triers, die Pfalzgrafschaft einzulösen, fruchteten nicht, obwohl Erzbischof Baiduin, ein enger Verwandter der damaligen Kaiser, ansonsten bei der Stabilisierung und Abrundung seines Territoriums recht erfolgreich war. Er erreichte immerhin, dass König Heinrich VIII., sein Bruder, ihm die Einlösung des verpfändeten Reichsguts Cochem erlaubte (im Jahre 1309). 1332 stellte Kaiser Ludwig der Trierer Kirche ein Sammelprivileg aus, das ihm formal die Erlaubnis einräumte, die Kröver Pfandschaft auszulösen. Balduin versuchte es nun anders; er strebte die Vogtei im Kröver Reich an! Der Vogt war zwar dem »Römischen Vogt« nachgeordnet, bedeutete aber, einen »Fuß in der Tür« des Kröver Reichs zu haben. Seit wann die Herren von Daun erblich belehnte Vögte des Kröver Reichs waren, ist nicht bekannt. Nach Schaaf (S. 73) ist anzunehmen, dass sie dieses Amt ursprünglich als Reichsministeriale ausübten. Als Herren von Daun - nicht identisch mit den Edel-freien von Daun - führen sie im Wappen dasselbe Schräggitter, das auch die ritterbürtigen Familien zu Kröv und Kinheim benutzen. Schaaf vermutet daher, dass die mit der Kröver Vogtei betraute Dauner Familie ursprünglich in Kröv ansässig war.

 

Die Rechtsstellung der (Dauner) Vögte wurde durch die Verpfändung nur insoweit berührt, als die Grafen von Sponheim an die Stelle des Kaisers oder Königs getreten waren, mithin den Vögten übergeordnet. Auf den Seiten 74 ff. führt Schaaf ausführlich die vogteilichen Rechte und Einkünfte auf, weil Erzbischof Balduin 1324 den Ägidius von Daun soweit bekam, dass er dem Verkauf der Vogtei an das Erzstift zumindest vorläufig zustimmte. Die vogteilichen Rechte und Aufgaben wurden in das Kröver Weis-tum geschrieben, die Einkünfte des Vogts schließlich zusammengefasst und die Lehn- und Dienstleute des Vogts im Kröver Reich aufgeführt. Die Dienstleute, Unfreie, waren den Vögten zu Diensten verpflichtet, wobei die Verpflichtung durch die Mutter auf ihre Kinder übertragen wurde.

Ägidius von Daun und seine Ehefrau Kunigunde versprechen, Balduin die Kröver Vogtei für 1000 Pfund Heller zu verkaufen, beurkundet wird dieser Vorgang unter dem 2. Oktober 1324. Erstaunlich ist die Feststellung Schaafs, dass Balduin niemals als Inhaber der Kröver Vogtei auftritt. Sein Verhältnis zu dem Vertragspartner Ägidius war offenbar dermaßen schlecht, dass es 1352 zu streitigen Auseinandersetzungen kam. Balduin eroberte - mit dem Kölner Erzbischof als Bundesgenossen - die Dauner Burg und teilte sich mit dem Kölner den Besitz der Herrschaft Daun. Die Kröver Vogtei blieb sonderbarerweise trotz der Unterwerfung des widerspenstigen Ägidius bei Daun. Erst nach dem Tod der beiden zerstrittenen Partner konnte Erzbischof Boemund II. von Trier die Kröver Vogtei von Heinrich von Daun auf fünf Jahre für 600 kleine Gulden kaufen. Auf dem Reichstag zu Nürnberg 1356 wurde endlich das Erzstift Trier durch Kaiser Karl IV. mit der Feste Daun und der Vogtei Kröv belehnt.

Der Streit zwischen Trier und Sponheim ging heftig weiter, bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Nachdem die Vogtei nach Fristablauf wieder an Heinrich von Daun zurückgefallen war, dieser dem Sponheimer versprechen musste, die Vogtei an niemanden mehr zu verpfänden oder zu verkaufen, außer an die Sponheimer, belehnte Erzbischof Kuno von Trier 1378 denselben Heinrich von Daun als Afterlehen mit dem trierischen Teil an Feste und Herrschaft Daun - sowie der Kröver Vogtei! Begründung: das Reichslehen Daun war 1356 an das Erzstift Trier übergegangen, das die Kröver Vogtei umfasste. Erzbischof Kuno übertrug im Jahre 1382 dieses Lehen auf Heinrichs Sohn Johann von Daun. Dieser verkaufte aus finanzieller Not seine restlichen Güter an den Erzbischof und verzichtete 1389, wie anfangs erwähnt, endgültig auf die Vogtei im Kröver Reich. Der Erzbischof setzte zum Verwalter seiner Rechte Ritter Dietrich von Kesselstatt als Vogt ein. Der vorstehend geschilderte Komplex, das sei dem »Suchenden« noch zur Erleichterung mitgeteilt, ist Gegenstand eines Beitrags von Erwin Schaaf in den Landeskundlichen Vierteljahresblättern Jahrgang 41 (1995) S. 181 ff. Das erwähnte Buch von Schaaf-Mötsch ist, das zeigt das vorstehende Beispiel, eine Fundgrube. Kurz sei noch erwähnt, daß das Buch im ersten Kapitel aus der Feder von Mötsch Überlieferung, Datierung, Text und Übersetzung des Weistums mit Kommentar bringt (Hier sei auf die vorangehende Veröffentlichung Mötschs hingewiesen in den Rheinischen Vierteljahresblättern Jahrgang 61 - 1997 -S. 96 ff.). Die praktische Bedeutung ist vergleichbar der Übersetzung und Kommentierung des Prümer Urbars von 893/1222 in der Festschrift »1100 Jahre Prümer Urbar« aus dem Jahre 1993: dem suchenden Forscher, Lehrer, Schreiber, Nachschlagenden stehen lesbare Texte aktuellen Forschungsstandards für die Tagesarbeit griffbereit in handlicher Form zur Verfügung. Und das auch noch in »schönen« Büchern!