Rückkehr in die Heimat nach mehr als 40 Jahren

Anita Becker, D a u n

1997 bin ich ins Elternhaus in Daun zurückgekehrt, das meine Eltern 1939 bezogen hatten. Mein Vater zog dann in den Krieg. Mit fast sieben Jahren sah ich ihn zum ersten Mal bewusst. Es existieren Fotos, wo er auf Heimaturlaub war. An diese Begegnungen kann ich mich fast nicht mehr erinnern. Etwa 1946 kam er aus dem Krieg zurück, hatte aber nur noch ein Bein. Ich war erfreut über seine Rückkehr. Immerhin hatten die meisten in meiner Klasse keinen Vater mehr! Bei meinem jetzigen Wiedereinzug in die Dauner Wohnung begleiteten mich viele Erinnerungen: Die Einschulung 1943, die Fliegeralarme, die wir in der Schule in einem Luftschutzraum durchstanden, den ersten Bombenabwurf über Daun, den ich als Augenzeugin erlebte. Auch heute noch ist mir das im Gedächtnis, als sei es erst gestern geschehen. Vor weiteren Bombenangriffen suchten wir Schutz in unserem Keller. Nachbarn kamen auch noch dazu. Oft gingen wir auf den Wehrbüsch, in die Bunker, in den Wald. Einmal kam ein Benzinkanister aus einem Flugzeug direkt neben uns herab.

An den Einmarsch der Amerikaner kann ich mich gut erinnern. Wir Kinder hatten weniger Angst als die Erwachsenen. Durch Kaugummi waren wir schnell mit den Soldaten befreundet, erst mit den Amerikanern, später mit den Franzosen, und lernten auch schnell ein paar Brocken in deren Sprachen. Als die Schulen nach dem Krieg wieder öffneten, gab es in Daun nur die Volksschule. Erst etwa 1951 begann die Handelsschule neben dem Cafe Schuler. Diese besuchte ich von 1952 bis 1954 und fand sofort eine Bürostelle in Köln, wo ich bis 1960 wohnte. Zwischendurch (1957/58) war ich eine kurze Zeit in Daun, um für die Vorbereitung auf die staatl. Lehrerprüfung an der Handelsschule Daun und Gerolstein zu hospitieren und zu unterrichten. Von Köln ging es nach Kapstadt (Südafrika), wo ich 16 Jahre wohnte und nach der Geburt unserer Söhne arbeitete. Ein kurzer Aufenthalt in Ndola, Sambia (neun km von der Grenze zu Zaire) erweiterte die Erfahrung auf dem schwarzen Kontinent. 1976 lockte das Schwabenländle, wo an einem Beruflichen Schulzentrum noch eine Lehrkraft benötigt wurde. Zum Glück habe ich mich auch in der Nähe des Bodensees gut eingelebt. Ab 1983 unterrichtete ich dort Datenverarbeitung, von der die Jugendlichen immer mehr begeistert waren, je mehr die Personalcomputer Einzug hielten.

Meine Eltern hatten inzwischen das Bekleidungshaus aufgegeben und ihren Ruhestand genießen können. So war ich in allen Schulferien in Daun, nahm an Klassentreffen teil und konnte alte Freundschaften wiederbeleben.

Nun bin ich wieder ganz in Daun, nach mehr als 40 Jahren! Viele liebe Menschen begrüßen mich auf der Straße und sprechen mich auch an. Viele erkenne ich sofort, bei manchen dauert es ein wenig länger. Alle haben Verständnis dafür.

Es ist schön, den Lebensabend in einer Gemeinschaft lieber Bekannter, Verwandter und neuer Freunde zu verbringen. Viele laden mich ein oder besuchen mich. Man trifft sich auch bei Wanderungen, Spaziergängen, Ausflügen und Kursen. Es gibt aber auch viele Besuche von Bekannten aus Köln, Kapstadt oder Baden-Württemberg, die von der Eifel genauso begeistert sind wie ich.

In einer Kleinstadt wie Daun kann man alles erleben, was eine Großstadt bietet. Es gibt zahlreiche Konzerte und andere Veranstaltungen im Forum, in den Kirchen oder auf den Burgen und Schlössern der Umgebung. Die sommerlichen Kurkonzerte in der Stadthalle mit den verschiedenen Orchestern sind sehr willkommen. Einige Chöre und Musikvereine bieten ihre Kunst an.

Mit dem Bus, aber auch privat, kann man zum Theater nach Trier, Köln, Koblenz oder Bonn fahren. Fast alle Schularten sind in Daun vertreten. Reisebüros bieten Fahrten und Flüge in die ganze Welt an, Bahn und Busse bringen einen zu interessanten Stätten. Vereine und Organisationen locken mit abwechslungsreichen Unter-haltungs- und Bildungsprogrammen. Ich sehne mich überhaupt nicht mehr nach den großen Städten mit ihrer Vielfalt aber auch der Anonymität und den unterschiedlichsten Gefahren. Ich bin froh und zufrieden, wieder in meine Heimatstadt zurückgekehrt zu sein.