Freyheit - Gleichheit

Vor zweihundert Jahren löste sieh Nohn von der Pfarrei Üxheim

Thomas Romes, N o h n / H i l l e s h e i m

Im September 2001 konnte die Pfarrgemeinde Nohn das zweihundertste Pfarrjubiläum begehen. Die Entstehungsgeschichte steht im direkten Zusammenhang mit den Auswirkungen der französischen Revolution. Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurde Nohn bereits als eigenständig betrachtet, wie wir den betreffenden Urkunden entnehmen können. Die offizielle Errichtung erfolgte aber erst auf Druck der französischen Verwaltung. In der »Geschichte der zum ehem. kölnischen Eifeldekanate gehörenden Pfarreien« heißt es dazu vielsagend: »Die Freiheitsbestrebungen, die 1789 von Frankreich ausgingen, aber oft missbraucht wurden, nützten in unserem Raum die Bewohner von Nohn aus, um ihre Dismembration von Uexheim, der uralten Eifelpfarrei, durchzusetzen.«

Die Eingabe der Gemeindevorsteher vom 27. Germinal des 9ten Jahres

Im Archiv des Erzbistum Köln haben sich die Gesuche der Bürger der Orte Nohn, Borler, Dankerath, Senscheid und Trierscheid aus dem 9. Jahr der französischen Republik (1801) erhalten, die einen neuen, revolutionären Geist atmen. Freyheit - Gleichheit, steht in großen Buchstaben über der Eingabe, die Parole der Revolution, die man beim Adressaten - der erzbischöflichen Behörde in Köln - nicht mit großer Begeisterung gelesen haben dürfte. Hatte man noch Ende des 18. Jahrhunderts Eingaben an die hochlöbliche Obrigkeit der geistlichen Herrschaft zu Köln

und der weltlichen zu Trier, in devoter, untertäniger Art formuliert, so zeugt das hier vorgestellte Gesuch um Loslösung aus dem Kirchspiel Üxheim, von einer demonstrativen Selbstsicherheit. Prägte 1798 Entsetzen den Alltag, weil die französischen Revolutionstruppen plünderten, die Kirche schlössen, öffentliche Begräbnisse und die Fronleichnamsprozession untersagten, so arrangierte man sich jetzt mit den neuen Machthabern. Die Erhebung Nohns zur Pfarrei wurde schließlich von der weltlichen Herrschaft betrieben. Die Eingabe lautete:

Freyheit Gleichheit

Heute Barweiler den 27. Germinal 9ten Jahres Erscheinen vor mir Caspar Manderfelt Maire (=Bürger-meister) der Maire Barweiler Arrondisement de Bonn, Rhein und Mosel departements der Bürger Heinrich Schwirzheim Vorsteher der Gemeinde Nohn, Peter Emmerichs Vorsteher der Gemeinde Borler, Niclas Metzen Vorsteher der Gemeinde Senscheid, Franz Schmitz Vorsteher der Gemeinde Dankerath und Johann Schwirzheim Vorsteher der Gemeinde Trierscheid und erklärten, dass alle Einwohner ihrer (...) Gemeinden katholischer Religion wären, dass der Hauptort der Pfarrey zu Üxheim im Canton Lissendorf Department von der Sare gelegen, und von ihnen (...) weit und zwar von der Gemeinde Nohn eine Stunde, von Borler, Senscheid, Danke-rath und Trierscheid 2 Stunden entfernt sey, dass dieser Umstand die Bürger Ihrer Gemeinden außer ordentlich in der Ausübung ihrer Gottesdienstlichen Verrichtungen hindere, und dass es zweckmäßiger seye wenn dieser Gottesdienst in der Kirche der Gemeinde Nohn, woselbst eine geräumige Kirche und Kirchhof vorhanden, ausschließlich könnte gehalten werden. - Da die oben bemelten Vorsteher ferner erklärten daß sie zwar nie die Absicht gehabt eine Trennung in der Pfarrey vorzunehmen, noch auf ihren wirklichen Pfarrer Christoph Ruth zu Üxem ohne erhebliche Ursachen von dem Dienst wofür er einmal angestellt sey, zu trennen, dass aber der besagte Chistoph Ruth selbst so billig gewesen (...) die Notwendigkeit dieser Maaßregel einzusehen im Falle ihm ein Taugliches Subject, und zwarn Namentlich, der Er. (Bürger) Peter Anton Hahn Caplan zu Nohn in der Seelsorge zur Seite gestellte werde.

Da ferner von den ... Vorstehern erklärt worden, dass der ... Peter Anton Hahn das unbegränzte Zutrauen der Bürger der obbesagten katholischen Gemeinden besitze, und ... den Maire Barweiler ersucht haben, über diesen Gegenstand die eigentliche Gesinnung der Bürger aus den ... Gemeinden einzuholen ... . Da ... ich indeß den Antrag der Vorsteher ganz gegründet gefunden, so habe ich den Comparenten über ihr Gesucht Ackt ertheilt... Geschehen Barweiler am Tag, Monath, und Jahr wie oben.

Der Maire zu Barweiler Manderfelt

Heinrich Schwirtzheim Vorsteher zu Nohn Peter Emmerichs Vorstand zu borler Nicolas Mezen Vorsteher zu Senscheid Franz Schmitz Vorsteher Von danckerath Joes Schwirtzheim forrster zu trierscheit

»selbst einen Seelsorger herzustellen«

Dass man sich bereits als separate Pfarrei betrachtete, zumal Üxheim nicht - wie unsere fünf Dörfer - zum kurtrierischen Amt Daun gehörte, beweist das Schriftstück, das zwei Tage zuvor »am 25 ten Germinal Jahr neufoder 13ten april 1801 Alten stils« in Borler niedergeschrieben wurde und mit der Eingabe verbunden war. Der Text, noch ganz im umständlichbarocken »Alten stil« verfasst, ist revolutionär: man erachtet den Bürger Hahn als einen fleißigen Seelsorger, den man sich zum Pfarrer einer offiziell noch nicht existenten Pfarrei erwählt! Man habe sich bequemt »selbst einen Seelsorger herzustellen«, um »soviele mühseeligkeiten und umstände der pfaar nohn zu verbessern, allso wehlen (wählen) obgemelte ortschaf-en ihren gutdenken, Einen wohl dazu dügtigen (tüchtigen) undfleissigen Seelsorger herr hahn«. Ihm werde »sämblig vollmacht« erteilt. Dieser demokratische Vorgang wird mit einer Unterschriftenliste bekräftigt, »welche jeder Bürger Eigenhändig Unterzeignet«. Es sind dies die Unterschriften und Handzeichen aller Hausvorstände. Die letzte Unterschrift stammt vom Vater des neuen Pfarrers Michael Hahn, der seit 1775 als Lehrer und Küster in Nohn wirkte.

Nohn, Juli 1965. Rechts das alte Pfarrhaus, das 1802 für Pfarrer Hahn errichtet wurde; die Kirche (l 781, mit spätgotischem Turm) und das im Bau befindliche neue Pfarrhaus. Das alte spätbarocke Pfarrhaus wurde abgerissen. Foto: H. Esch, Nürburg

 

 

»Sie scheinen nicht das Heyl der Seelen zu suchen«

Eine Notiz vom 21. Mai 1801 zeigt deutlich, dass man im Kölner Generalvikariat von diesem Vorgang nicht begeistert war: » ... Die Aufsätze der gemeinde sind unförmlich. - Sie scheinen nicht das Heyl der Seelen zu suchen, sondern nur eigenen Nutzen. Sie wollen das wohl hergebrachte Recht des l.ten Pastoren schmälern suchenf,) sie meinen mit den anderen (gemeint sind wohl die Franzosen) und mit der gemeinde alles in Ordnung, Ruhe und friede zu erhalten.« Man handele in Nohn nicht nach den Worten der Bergpredigt »suchet zu erst das Reich Gottes, alles andere wird euch dazu gegeben« sondern, sie »Suchen (...) am ersten und meistens das was dort ist«

Bereits am 3. Juni wurde in Koblenz (15ten Prairial 9ten Jahres der franz. Republik) die Errichtungskurkunde der französischen Präfektur erstellt, das Generalvikariat vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Präfekt verweist auf die vorteilhaften Stellungnahmen des Unterpräfekten von Bonn und das Gutachten des Maire von Barweiler und entscheidet: »Die Wahl, wodurch die Einwohner (...) den Bürger Peter Anton Hahn als Pastor erwählt haben, ist und bleibt bestätigt (...) der gesagte Bürger Hahn ist also diesem nach autorisiert (...) die Amtsverrichtungen seines Ministeriums zu versehen«.

»gegen alle Separation protestiere«

Pfarrer Ruth von Üxheim war natürlich nicht von den Separationsbestrebungen erbaut, seine Einkünfte wurden erheblich geschmälert. Er schrieb am 3. April 1801, dass er »zwar gegn alle Separation protestiere, fals sie aber doch damit durchsetzen wollen, so erkläre ich, dass ich mich mit allen Kräften dawieder setzen, und wegen rechtens ihr Verfahren werde zu vermitlen suchen, fals die Wahl wider meinen Willen, das ist auf einen anderen als auf den Herrn Hahn verfallen sollte.« Wegen des Pfarreinkommens erhob Ruth jedoch Klage beim Friedensgericht in Adenau, man hatte in Nohn argumentiert mit den Einnahmen des Widemhofes müsse der Pastor von Üxheim ohnehin die Kaplanstelle in Nohn unterhalten (s.u.). 1802 kam es zu einem Vergleich, nachdem Pfarrer Ruth auf das Einkommen des Widemhofes gegen Zahlung von 1108 franc, verzichtete.

Der »ohnsinnige Hauptort« Üxheim liegt im fremden Department

Eine Untertänige Vorstellung namens der Ortschaften, die sich bei den Akten des Generalvikariats befindet, geht auf die Umstände der Pastorenwahl und die Beweggründe der Einwohner näher ein. Dem Generalvikar wurde gemeldet, dass die Bedingung des Üxheimer Pfarrers, durch die Wahl des Peter Anton Hahn erfüllt sei. Hahn, sei zu Nohn gebürtig, wohne bei seinen Eltern und verfüge über »alle gute Eigenschaften und talente«. Zudem hätte er »wegen seinerfähigkeit und exemplarischen lebenswandel die allgemeine Zuneigung und volles zutrauen ... erworben«. Man bitte nun, nachdem der »Ober Präsident« des Rhein- und Moseldepartments, seine Zustimmung geben hatte, um Bestätigung der Wahl und Errichtung der Pfarrei durch die geistliche Obrigkeit. Fünf Gründe werden für die Notwendigkeit der Separation angeführt: »Erstens: bei der Verteilung der departmente der hiesig vermengter Landen war Üxheim, der ohnsinnige (!) Hauptort unserer Pfarrei dem Saar - departement zugeteilt wohingegen unsere Ortschaften zu jenem des Rhein und der Mosel gehören.« Man sorgt sich um die Krankenseelsorge: »Zweitens: aus unseren Ortschaften sind ein und sechzig familien von Üxheim zwei volle stunden endlegen, fällt also für jemanden ... diesen ein Notfall vor, wo einem Kranken mit den heiligen Sakramenten zu Hilfe zu springen wäre, dann erfordert es für hin- und hergehen einen Zeitraum von Vier Stunden, ohn dem Verlangen des Kranken genüge geschehen. Drittens: Nohn ist zwar nur eine stunde von Üxheim entfernt, wie auch hier der Zeitraum von Zween stunden mit hergehen und rückkommen erfordert wird um einem Kranken den nötigen geistlichen Beistand zu leisten, so ist dieses ebenfalls für Nohn, welches doch drey und sechzig familien in sich faßt, ein ganz wichtiger grund gewesen mit den obigen Ortschaften einen eigenen Pfarrer zu verlangen. Viertens: diese Notwendigkeit war für alle obbenannte fünf Ortschaften in gleichem grade nach ein so dringlicher, da zwischen jenen und Uxheim ein Wasserfluß liegt, der bei Winter Zeit auch öfters (...) den Zugang unmöglich macht.« Etwas übertrieben erscheint uns dieser Grund, ob es damals keine Brücke über den relativ schmalen Ahbach gegeben hat? Weiter heißt es: »fünftens: gewis war es bei dieser Entfernung Pflicht für die Familien-Väter auch auf das zeitliche Seelen-Wohl ihrer Kinder zu denken, da, wo sonst der Kapellan gewöhnlich zu Uxheim wohnte, da ging es unseren Kindern um der nötigen instruction in der Religion und an aller guter anführung als das einzige Mittel um sie zu frommen Kristen (!) zu machen und zur Seeligkeit zu führen wohingegen wir uns jetzt für unsere Nachkommen freuen, dass dieselben immer einen geistlichen Lehrer und Seelsorger besitzen.« Den Priestermangel, der uns heute wieder mit Uxheim zu einer Seelsorgeeinheit zusammengeführt hat, konnte man damals noch nicht voraussehen. Endlich heißt es: Hochwürdiger Herr! Auch wird dem Pastoren zu Uxheim nicht das mindeste seiner dortigen Nutzungen geschmälert, immer wurden alle Kirchen- und Seelendienste in unseren Ortschaften ganz separiert von Uxheim verrichtet, kein tag war im jähr, wo jemand von uns gebunden gewesen wäre, etwas in Uxheim zu verrichten, selbst um Ostern empfingen wir bei uns selbst das heilige Abendmal.

Das, was der Pastor zu Uxheim aus den Nohner Nutzungen zu ziehen hatte, dies zog er auch nur zu dem Ende, damit Er für die haltung eines Kapellans entschädiget wäre und hievon ist Er ja nun enthoben, es geschieht Ihm also gar keine Beeinträchtigung. Aus obigen gewis wichtigen gründen bitten wir also namens der gemeinheiten... Eur hochwürden untertänig, hochdieselben geruhen unsere Vorkehrungen zu begnädigen (unleserl.) und dem zu unserem Pfarrer gewählten weltgeistlichen herrn Hahn in solche Eigenschaft großgünstig zu bestattigen.

Eur hochwürden

untertänige

Peter :frings

Peter Jacob Backes

Das Generalvikar ließ am 18. Juni 1801 in Nohn nachfragen, ob der Unterhalt des neuen Pfarrers sowie die Ausrüstung der Kirche genüge. In der »Antwort auf die von der Hochlöblichen Geistlichen Obrigkeit (...) zugeschickten Fragstücken« führte man aus, dass die Kirche erst 20 Jahre zuvor neu errichtet sei. Die Filialkirche war bedeutend größer als die alte Pfarrkirche in Uxheim. Zur Frage nach den Mitteln heißt es lapidar: »dass dieselbe Mitteln genug haben, um daraus unterhalten zu werden.« Die Einkünfte des Pfarrers bestünden aus dem Ertrag des Widemhofes, dem Anlass zum Rechtstreit mit dem Üxheimer Pfarrer. Die Gemeinden versprachen zudem 24 Malter Hafer und 24 Malter Korn (köln. Malter = 143,28 Liter) dem neuen Pfarrer zu liefern. Diese Leistung erbrachte man stellvertretend für die Zehntherren, von denen die Vorsteher melden das diese »flüchtig« seien. «Ferner dass der neu erwählte Pastor annoch bey seinen Aeltern eine gute Wohnung habet, die Pfarr erklärt sich aber mit Versprech, dass sie augenblicklich schier bereit seye, Ihme eine taugliche Wohnung aufzurichten.« Das Pfarrhaus wurde bereits 1802 errichtet.

Am 28. Juni 1801, nur zwei Monate nach Eingang des Gesuchs, stellte der Kölner Generalvikar Prof. Joh. Werner Marx, die Errichtungsurkunde der Pfarrei St. Martin, Nohn aus. Die demokratischen Parolen von »Freyheit und Gleichheit« und das Recht auf freie Wahl, wollte man sich in Köln jedoch nicht zu eigen machen.

Quellen:

Historisches Archiv des Erzbistum Köln (AEK), Generalvikariatsprotokolle (GW) 134, 812 ff (1801) Lagerbuch/Chronik Nohn 111 Schug, Peter, Geschichte der zum ehemaligen kölnischen Eifelgaudekanat gehörenden Pfarreien, Trier 1956 Reuter, Matthias, Beiträge zur Geschichte der Hocheifel, Wimbach/Schleiden 1979, Conraths, Nicolaus, Handschrift/Tagebuch des 18. Jh., im Besitz des Herrn H.-J. Fabritius, Trierscheid, Auszüge in Pfarrchronik Nohn 1981 und Heimatjahrbuch Daun 1999