Das Markuskreuz auf dem Steffelberg

Werner Grasediek, Steffeln

Besuchern des Vulkangartens Steffelnkopf wird neuerdings ein Kreuz auffallen, das unmittelbar neben dem Weg steht, der über die Anhöhe westlich des Vulkangartens führt. Ein Missverständnis wäre es jedoch, dieses Kreuz als Bestandteil des Vulkangartens anzusehen. Das aus dem heimischen Lavatuffstein gefertigte, 1,35 m hohe Balkenkreuz ist viel älter und vermutlich in das 17. Jahrhundert zu datieren. Eine Inschrift oder Jahreszahl fehlt ebenso wie eine ornamentale Gestaltung, da der grobkörnige Tuff sich nicht für kunstvolle Darstellungen eignet.

Am 25. April, dem Festtag des heiligen Markus, ist das Kreuz das Ziel der Steffelner Markusprozession. Sie ist wie die Prozessionen an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt ein feierlicher Umgang durch die Feldflur, um vom. Schöpfer Segen für die Erde zu erbitten. Die Witterungsverhältnisse im Monat Mai sind entscheidend für das Gedeihen der Saat und der Feldfrüchte. Für die bäuerliche Bevölkerung hing davon in früherer Zeit die Existenz eines ganzen Jahres ab. Während des Umzuges durch die eingesäten Felder wird die Litanei von allen Heiligen gesungen. Eine Bitte lautet: Utfructus terrae dare et conservare digneris - »Dass Du die Früchte der Erde geben und erhalten wollest!« (vgl. Andreas Heinz 1999, S. 324). Wegen der Allerheiligenlitanei hießen die Bittprozessionen in der römischen Liturgiesprache »Litaniae«, wobei die Markusprozession wegen der größeren Feierlichkeit als »Litania maior« bezeichnet wurde. Inhaltlich gibt es keinen Bezug zu St. Markus. Nur zufällig ist es der Festag des Heiligen. Der Ursprung liegt in vorchristlicher Zeit: Der 25. April ist das Datum eines

Foto: Willi Schroden

 

heidnisch-römischen Flurumganges, der sogenannten Robigalia, um Schutz gegen Robigo, den Dämon des Getreiderostes, zu erhalten. In Rom wurde die Flurprozession schon vor Papst Gregor d. Gr. (um 600) in das christliche Brauchtum übernommen (Balthasar Fischer, 1958, Sp. 518f.). Sie wird deshalb auch als prozessio Romana oder Gregoriana bezeichnet (vgl. Nikolaus Kyll, 1961, S. 60J?.). Obwohl also von der Liturgie her nicht begründet, hat die Kirche durch die christliche Umdeutung der heidnischen Flurumgänge ein vitales Anliegen der Landbevölkerung aufgegriffen. In Deutschland ist die Markusprozession seit dem 9. Jahrhundert bekannt. Wegen der Prozession am 25. 4. wurde der hl. Markus zum »Wetterherrn«: Die Liturgie bittet um »reichen und fruchtbaren Regen, dass die Erde Früchte hervorbringen und große Fruchtbarkeit zeigen könne« (zit. nach Adam Wrede, 1932/33, Sp. 1705). Das erklärt wohl auch den Standort des Markuskreuzes westlich des Dorfes, auf der Wetterund Regenseite. Die anderen drei Bittprozessionen führen in die drei anderen Himmelsrichtungen.

Die Markusprozession wurde im Zuge der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils bei der Reform des liturgischen Kalenders (1969) offiziell aufgegeben. Nach dem Willen der Bischöfe der deutschsprachigen Gebiete sollen die Bittprozessionen jedoch nach Möglichkeit beibehalten werden; ihre Intention ist auf alle »wesentlichen Bereiche und Gefährdungen des gegenwärtigen Lebens« erweitert worden (Andreas Heinz, 1994, Sp. 513). Damit gewinnt die Markusprozession in der heutigen Zeit eine neue Bedeutung in der Sorge um die Bewahrung der Schöpfung. Mit voller Berechtigung halten daher die Steffelner an der Markusprozession fest. Früher begann sie um sechs Uhr morgens; damals ging aus jedem Haus einer mit. - Das zeigt die Bedeutung der Prozession. Ihren Anfang nimmt sie an der Pfarrkirche St. Michael, die auf einem Tufffelsen über dem Dorf thront. Zunächst geht sie durch die Lindenstraße und Brunnenstraße, dann durch die Feldflur. Über den Seitert erreicht man den Steffelberg (oder amtlich Steffelnkopf). Ehedem führte der Weg dann in Serpentinen fast bis zur Bergspitze, denn bis vor rund 30 Jahren stand das Kreuz wenig unterhalb der damals buchenbestandenen, markanten Kuppe des 607 m hohen Steffelberges.

Einige Jahre, nachdem man 1969 mit dem Abtragen des Vulkankegels begonnen hatte, musste das Kreuz dem Lavaabbau weichen. Es fand einen neuen Platz am Südostabhang des Steffelberges. Als nach Einstellung des Lavaabbaues die Rekultivierungsarbeiten zum Umbau der Lavagrube zum Vulkangarten Steffelnkopf abgeschlossen waren, regten die Eifelvereinsortsgruppe Steffeln und einige Einwohner an, das Kreuz doch wieder auf der Berghöhe aufzustellen. Der Gemeinderat folgte den Anregungen mit Beschluss vom 1. Dezember 1999. Es dauerte jedoch noch mehr als ein Jahr, bis man sich auf einen geeigneten Standort am Rande des leicht geneigten Bergplateaus verständigt hatte. Am 24. März 2001 versetzten Willi Blameuser und Friedhelm Finken das Kreuz schließlich auf seinen jetzigen, hoffentlich endgültigen Platz. Wegen des Abbaues der Kuppe steht es nun auf 552 m ü. NN und damit rund vierzig Meter tiefer als vordem. Nach der sagenhaften Überlieferung soll das Markuskreuz errichtet worden sein, um von einer Hungernot befreit zuwerden (Georg Jakob Meyer, Bl 223). Das Motiv der Bitte um den Erntesegen scheint in diese Sage eingeflossen zu sein. In diesen Zusammenhang fügt sich auf die ehemals landläufige Vorstellung, dass man vom Markustag und der Prozession eine günstige Wendung des Wetters erwartete (AdamWre-de, 1932/33, Sp. 1704). Mit dem Markuskreuz ist eine weitere Sage verbunden: »Vor vielen Jahren diente in dem Haus, das den Hausnamen Feien hat, eine Magd. Diese verabredete sich mit den Dorfjungen von Steffeln, dass sie noch am Abend auf den Steffelberg ginge. Sie wollte damit ihren Mut beweisen. Als sie nun an den Steffelberg zum Katzenbaum (Flurname) kam, begegnete ihr eine schwarze Katze. Sie nahm das Tier auf den Arm und schleppte es mit auf den Berg. Plötzlich stand hinter dem Markuskreuz eine weiße Gestalt und schrie: >Hättest du nicht die Kitzel, die Katzel, hätte ich dich zerfitzelt und zerfatzelt.< Da erschrak sie sehr und lief eilends den Berg hinab. Unter dem Katzenbaum sprang ihr die Katze vom Arm, und sie lief genau so fort, wie sie gekommen war. Die Magd lief nach Hause und musste sich zu Bett legen. Sie starb an den Folgen des Schreckens auf dem Steffelberg.« (Georg Jakob Meyer, Bl. 223).

Quellen und Literatur

Fischer, Balthasar: Bittprozession. In:

Lexikon für Theologie und Kirche

2. Aufl., Freiburg i. Br. 1958, Sp. 518f.

Heinz, Andreas: Bittprozession. In: Lexikon für Theologie und Kirche

3. Aufl. Freiburg i. Br./Basel/Rom/ Wien 1994, Sp. 512-514

Heinz, Andreas: Vom Wettersegen im Mai zur Marien-Maiandacht. Wandlungen eines Volksgebets im Bereich des alten Erzbistums Trier. In: Kurtrierisches Jahrbuch 39, 1999, S. 323-341

Kyll, Nikolaus: Zur Entstehung der Bittprozessionen besonders im Trierer Bistum. In: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 7, H. 4 (1961), S. 60-68 Meyer, Georg Jakob: Wegekreuze und Bildstöcke im Kreis Prüm. 3 Bde. Trier o. J.

Meyer, Georg Jakob / Freckmann, Klaus: Wegekreuze und Bildstöcke in der Eifel, an der Mosel und im Huns-rück. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 23 (1977), S. 226-278, 25 (1979/80), S. 35-79, 26/27(1981/82), S. 153-175

Wrede, Adam: Markus. In: Hanns Bächtold-Stäubli (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Bd. V, Berlin/Leipzig 1932/33, Sp. 1703-1706 (Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde: Abt. l, Aberglaube)