Die Gründerin des

Augustinerkonvents Springiersbach Benigna von Daun - oder von...?

Winfrid Blum

»Die Abtei Springiersbach, in der Nähe der Marienburg, in einem anmuthigen Seitenthale der Mosel gelegen, verdankt ihren Ursprung der frommen Dame Benigna, aus dem Geschlechte der Daun. Nach dem Tode ihres Gemahls Rudger (auch Rucker) im Anfange des 12. Jahrhunderts, eines Ministerialen des in Cochem residierenden Pfalzgrafen Siegfried von Ballenstedt, faßte sie den Entschluss, auf ihrem Gebiete Thermunt im Contelwalde ein Gotteshaus für Geistliche nach der Regel des hl. Augustinus zu gründen und daselbst in klösterlicher Einsamkeit den Rest ihrer Lebenstage zum Heile ihrer Seele in Bußübungen zuzubringen. Zu diesem frommen Vorhaben erhielt sie ohne Mühe die Einwilligung des Pfalzgrafen Siegfried, dem diese Gegend unterthänig war«. So beginnt der verdienstvolle Springiersbacher Pfarrer Johann Clausen (1870 bis 1891) sein 353 Seiten handgeschriebenes Manuskript »Urkundliche Geschichte der Abtei Springiersbach und deren Filialklöster St. Thomas, Lonnig, Marterthal, Marienburg und Stuben« deren Vorwort er am 1. Juli 1888 unterschreibt.

Die Aussage im zitierten ersten Satz klingt klar: Benigna gehörte dem adligen Geschlecht derer zu Daun an, war insoweit eine »Daunerin«. Allerdings äußerst der zuverlässige Pfarrer-Historiker in einer Fußnote selber Zweifel an seiner doch so eindeutig niedergelegten Auffassung und Aussage.

Clausen selbst räumt ein, die Annahme, Benigna stamme aus adeligem Geschlecht, gehe zwar aus der Stiftungsurkunde nicht hervor, die »stete Tradition des Klosters« spreche aber dafür und namhafte Geschichtsschreiber hielten die vornehme adelige Herkunft mindestens für wahrscheinlich. Demgemäss wird Benigna in den zahlreichen späteren Schriften über Springiersbach bis hin zu den »Kunstdenkmälern des Kreises Wittlich« von Clemen-Wackenroder dem Dauner Geschlecht zugerechnet. Gegen diese Ansicht formulieren insbesondere Jakob Schumacher (Trierisches Jahrbuch 9, 1958 S. 76-79) und ihm folgend Ferdinand Pauly (Rhein.Viertelj.Blätter 26, 1961 S. 242 ff. und in: Springiersbach, Geschichte des Kanonikerstifts und....,1962) eingehend begründete Argumente und plädieren im Ergebnis für die Umbenennung in Benigna und entsprechend Richard von Springiersbach. Für das Werk der Gründerin und dessen achtungsgebietende Würdigung spielt diese fachwissenschaftliche Erörterung wahrlich keine Rolle - auch wenn die Stadt Daun seinerzeit eine Straße nach dem Abt Richard benannt hat. Von bleibendem Interesse -und das besteht unabhängig von dem an der historischen Richtigkeit - sind aber die Überlegungen, die zu der Ansichtsänderung führen. Sie greifen in die hochinteressante, bewegte allgemeine Geschichte zu Beginn des 12. Jahrhunderts zurück, als Gesellschafts-, Verwaltungs- und Hoheitsstrukturen in den Regionen an den Grenzen des »Kröver Reichs«1 noch nicht endgültig verfestigt waren. Die Überlegungen der beiden genannten Autoren finden sich im Folgenden inhaltlich wieder, so dass nicht für jedes Detail im einzelnen der Bezug hergestellt werden muss. Als Benigna, Witwe des pfalzgräflichen Ministerialen Rucker, sich um das Jahr 1100 auf Eigenbesitz (Witwengut?) im Kondelwald (Besitz- und Lagebezeichnung: Thermunt) zurückzieht, war der Reichswald Kondel noch nicht von der Landnahme erfasst, sondern gehörte zum Kröver Reich. Der Wald befand sich zu jener Zeit als Amtsausstattung in den Händen der lothringisch - rheinischen Pfalzgrafen, damals Pfalzgraf Siegfried, Herr auch über die Ministerialen Benigna und ehemals deren Gatten Rucker. Benignas Besitz sollte nach ihren Vorstellungen Grundlage eines Kanonikerkonvents werden. Den so in eine klösterliche Zelle umgewandelten Gutshof der Benigna weihte vielleicht noch im Jahre 1102 Erzbischof Bruno von Trier auf den heiligen Petrus. Eine zweite Übertragung durch die Hand von Benignas Herrn, den Pfalzgrafen, wurde kurze Zeit später im Bischofssitz Altrich an der Lieser vorgenommen. Die feierliche Übertragung, bei der auch alles schriftlich niedergelegt wurde, war Gegenstand der Diözesansynode im Jahre 1107. In Gegenwart des Pfalzgrafen Siegfried, der auf Benignas Wunsch die Vogtei über den jungen Konvent vom Erzbischof erhielt, und des Adels von Mosel und Mittelrhein wurde Benignas Gründung unter Zustimmung des Pfalzgrafen und der Verwandten Benignas bestätigt. Als Adelige werden im einzelnen genannt: die Grafen Wilhelm von Luxemburg, Heinrich von Limburg, Theoderich von Ähre, Ludwig von Arnstein, Hermann von Virneburg, Adalbert von Dill, Emicho von Schmittburg, Gerlach von Rommersdorf und Adelbero von Daun. Benignas Bruder Richard stimmte im Namen seiner Söhne und Schwiegersöhne der Schenkung zu. Benigna wird, so kann man aus den Wörtern »bonae memoriae« schließen, bei dieser feierlichen Bestätigung ihrer Klostergründung schon verstorben gewesen sein. Im übrigen wird sie als Frau »von angesehenen Eltern« abstammend erwähnt - aber im Gegensatz zu den oben aufgeführten Adeligen ohne jeden Zusatz, der auf einen Ort oder eine Dynastie schließen lässt. 1107 waren die Kinder Benignas (Sohn Richard und Tochter Texwindis) wohl noch minderjährig, da sie in der Urkunde nicht erwähnt werden. Auffallend nun ist an dieser so wichtigen, grundlegenden Urkunde die strenge formale Unterscheidung: hier die mit ihren Geschlechternamen benannten Edlen und dort andererseits die nur mit dem Vornamen erwähnten Ministerialen. Unter den adligen Zeugen erscheint zudem ausdrücklich ein Adalbero von Daun; nichts hätte näher gelegen, auch Benigna so zu klassifizieren - wenn sie denn zu dieser Klasse gehört hätte! Zudem wird Benigna als Ministerialin des Pfalzgrafen bezeichnet, ein Hinweis darauf, dass ihr Ehemann Rucker pfalzgräflicher Dienstmann war. Damit ist auch ausgeschlossen, dass Rucker (und/oder sie) Ministeriale der Edelherren von Daun war, da für diese Zeit noch keine Ministerialen Eifeler Adels nachzuweisen sind. Zu der irrtümlichen Zuordnung der Benigna zum Dauner Geschlecht kam es möglicherweise verfrüht durch die weitere Entwicklung: das freiadelige Geschlecht de Dune war 1136 ausgestorben. Den dadurch heimgefallenen Besitz hatte der Pfalzgraf an sich gebracht und einem seiner Dienstmannen namens Richard zur Verwaltung übertragen. Dieser Richard gilt als Vater des Reichsministerialen-und späteren Herrengeschlechts von Daun. Jedenfalls ist das Burgmannentum in Daun erst nach 1107 entstanden. Zur weiteren Entwicklung sei hier noch erwähnt, dass spätere Ministeriale die Vogtei im Kröver Reich besaßen, wahrscheinlich aus der Linie von Benignas Bruder Richard. Nur trägt diese Entwicklung nicht die Bezeichnung »von Daun» bezogen auf Benigna und ihren Sohn Richard! Abt Richard wird daher gemäß Pauly sinnvoller Weise »Richard von Springiersbach« zu nennen sein, wie auch seine Mutter. Die Bezeichnung »Benigna von Springiersbach« trägt der eingangs erwähnte Aufsatz von J. Schumacher als Überschrift. In diesem Zusammenhang ist ein Briefwechsel interessant, den Wolfgang Peters in »Kanonikerreform in der Eifel - Springiersbach«2 wiedergibt. Benignas Tochter Texwindis (oder Tenxwind), Leiterin des 1127 von Springiersbach nach Andernach verlegten Frauenklosters, schrieb an die berühmte Hildegard von Ringen, ebenfalls Leiterin ihres Frauenklosters auf dem Disibodenberg. Unter anderem stößt Texwindis sich an der sozialen Zusammensetzung des Hildegard'schen Klosters, die »in adliger Exklusivität verharre«, und wirft Hildegard vor, weniger Reiche nicht aufzunehmen; Christus als Vorbild habe Fischer, Niedrige und Arme auserwählt. Hinter diesen gegensätzlichen Anschauungen stehen auch abstammungsbedingte Einstellungen: Hildegard war selbst adliger Herkunft, während Texwindis, einer Ministerialenfamilie entstammend, nicht adelig reagiert und in ihrem Kloster, entsprechend der Springiersbacher Reform, den religiösen Raum für andere gesellschaftliche Schichten geöffnet wissen will. Peters nennt es geradezu ein Beispiel, wie in der »Ministerialengründung« eine aufsteigende gesellschaftliche Gruppe als Träger und Verbreiter der Kanonikerreform erscheint.

Wenn damit auch nur eine »Fußnote der Geschichte« berichtigt wurde, die keineswegs eine Herabstufung der handelnden Personen bedeutet, so weist die deutliche Unterscheidung zwischen Freien und Ministerialen hin auf die zunehmende Bedeutung des Ministerialenstandes3. Seit dem 11. Jahrhundert setzten die Salier und Staufer, aus der breiten Schicht der »hörigen» Verwaltungsbeamten schöpfend, zur Verwaltung des Reichsguts besonders geeignete Personen auf herausgehobene Stellen. Es waren mit Sicherheit nicht die Ungeschicktesten und nicht die Dümmsten, die sich für höhere Verwaltungsaufgaben qualifizierten. Und ihre Tätigkeit gerade auf den neuen Posten führte dazu, dass sie ihre Stellung mit der Zeit auch rechtlich ausbauten, ein eigenes Dienstrecht entwickeln konnten und schließlich selbst in den niederen Adel aufrückten. Es passt auch in das geschichtliche Bild, dass Benigna genügend Vermögen besaß, um mit Hilfe »ihres« Pfalzgrafen und weiterer Gönner einen neuen Konvent begründen konnte, der reich dotiert und von Bischöfen, Königen und Päpsten geschützt und gefördert wurde. Die Lebensleistung dieser tüchtigen Frau und ihres bedeutenden Sohnes hängt nicht von einer Orts- oder Geschlechterangabe ab. Die Tatsache, dass kurze Zeit nach Benigna bereits ein Dienstmann namens Richard (ihr Bruder?) vom Pfalzgraf mit dem Erbe des ausgestorbenen Geschlechts der Freien von Daun betreut wurde, sich in der (alten) Herrschaft Daun etablierte, sich »de Duna« nannte, bringt Schumacher zu dem Schluss, dass dieser Richard als Stammvater des Reichsministerialen- und späteren Herrengeschlechts von Daun gilt und dass dieses Geschlecht Ende des 13. Jahrhunderts dem früheren freien Adel in der Eifel ebenbürtig war.

Der zweite Abt (1158 bis 1170) von Springiersbach Richard II., ist ein Neffe des ersten Abts Richard, lebt also zur gleichen Zeit wie (sein Verwandter?) Richard in Daun. Mag auf Grund verwandtschaftlicher/ persönlicher Beziehungen in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts eine enge Verbindung zwischen den handelnden Personen bestanden haben -, eine enge von Ort zu Ort bestand seit längerem. Alois Mayer4 konstatiert für die Zeit Ende des 11. / Anfang des 12. Jahrhunderts, dass alte Pfarrberichte Wallfahrten von Weinfeld und Daun nach Springiersbach bestätigen. Vielleicht tun sich hier noch alte Quellen auf, die das Verhältnis Daun/Springiersbach unter neuen Aspekten erscheinen lassen. Solche Forschungen können weitere Einzelheiten - wie die herkunftsbestimmende Ortsangabe - bestätigen oder verändern: Benignas bleibendes Verdienst war die Gründung des Reformkonvents Springiersbach, der seinerseits unter ihrem Sohn Richard als erstem Abt Anstoß zu weitgehenden klösterlichen Reformen gab. Dazu sei hier zum Abschluss auf die neuere Arbeit von Wolfgang Peters »Kanonikerreform in der Eifel« - Springiersbach hingewiesen.

Lit:

Schaaf - Mötsch, Beiträge zur Geschichte des Kröver Reiches, Bernkastei - Kues 1998

2 Mötsch Johannes und Schoebel Martin, Eiflia Sacra, Studien einer Klosterlandschaft, Mainz 1999

1 Wesel Uwe, Geschichte des Rechts, München 1977

1 Mayer Alois, Klöster, Stifte, Orden der Eifel - gestern und heute, Bd. I, Aachen 2000

Blum Peter, 50 Jahre Pfarrkirche in Bengel, Euskirchen 1955