Heimat und Literatur

Wo, bitte, bleibt die Freude?

Marianne Schönberg, Jünkerath

Wenn ältere Menschen von früheren Zeiten erzählen, kommen unweigerlich die großen Feste des Jahres zur Sprache - Weihnachten, Ostern und beinahe einhellig ist die Meinung, das war so schön, von der Erwartungshaltung auf kleine Geschenke bis zu »Schmetterlingen im Bauch«, wenns dann endlich soweit war, zum Christbaum zu gehen oder Ostereier zu suchen.

Lebkuchen, Äpfel, Nüsse, Kerzen, Eier bemalt oder gefärbt, in Schokolade oder Marzipan... all diese Dinge gibts heute im Überfluss und das lange vor der Zeit. Gleich nach der Apfelernte im Herbst und einer Fülle schmackhafter Früchte wie Trauben und Maronen schleichen sich die ersten Lebkuchen in die Regale der Supermärkte, schokoladene Weihnachtsmänner folgen ihnen auf dem Fuß. Diese Dinge werden nicht nur angeboten, sie werden auch gekauft und - sie kommen auf den Tisch des Hauses. Wen wundert's, dass sie zu Weihnachten nicht mehr schmecken? In den grauen Wochen sollte man was Erfreuliches sehen, essen und da gibts eben Schokoladenlebkuchen in allen Variationen. Kommen die Weihnachtstage, mag man dies Gebäck nicht mehr sehen und von Freude keine Spur.

Thema Ostereier, bunte in fröhlichen Farben. Die gibts gleich nach Neujahr, da stehen sie im Kühlraum und... auch die werden gekauft; natürlich auch verzehrt. Schließlich kann man solche Produkte nicht verwahren. Und am Osterfest? Weder Mensch noch organisierte Gruppe kann sich am Ei erfreuen.

Da bereitet ein Wanderverein den Osterspaziergang durch den Wald vor. Doch, es kommen Wanderfreunde und auf gehts durch eine präparierte Strecke... kleine bunte Eier liegen am Wegesrand, mit viel Mühe dekoriert. Was geschieht? Die meisten bleiben liegen. Wer bückt sich heute nach einem kleinen Schokoei?

Der Überfluss hat uns arm gemacht, die Freude an den kleinen Dingen ging verloren und wir haben das nicht bemerkt. Als ich Kind war, sammelte Mutter Zwiebelschalen schon Wochen vor Ostern, damit färbte sie die Eier, denn bunte Farben gabs in den Kriegsjahren nicht zu kaufen und -Zwiebeleier waren schön, oft wie gebatikt, richtige kleine Kunstgebilde. Für meine Kinder hab ich die Technik wiederholt, die orange-braunen Ostereier waren etwas Besonderes, da kamen auch Nachbarskinder und bestaunten die Exemplare. Wie ich heute färbe? Mit Zwiebelschalen. In diesem Jahrwaren's dunkelrote, und das gab wieder eine andere Schattierung. Aus solchen Vorbereitungen entsteht Vorfreude aufs Fest, das ist wie mit dem Samenkorn, anfangs verborgen wächst es mit der Zeit. Wer das nicht nachvollziehen mag, alles Schöne sofort haben will (mit Geld kein Problem), tötet die Freude im Keim, denn die kann man nicht kaufen; man muss sie erfahren, erleben. Wer sich dafür keine Zeit nimmt, bleibt in der Fülle arm.