Eine Mühlenfahrt

Mathilde Gros, Eltville

Mutter buk unser Brot selbst. Alle zwei Wochen zwölf große Laibe. Der Backofen war in unserem Keller eingebaut. Das Mehl hierzu holten wir in Pelm, von der Pinten-Mühle. Wieder war es so weit, wir mussten mit dem Handwagen nach Pelm fahren, um einen halben Zentner Weißmehl und ebensoviel Roggenmehl einzukaufen. Dafür gab Mutter, Peter, dem Älteren, die sieben Mark mit, denn soviel kostete damals ein Zentner Mehl. Wir fuhren mit dem Handwagen los. Bis vor Pelm mussten wir ihn ziehen. Dann aber kam der Spaß, auf den wir uns bei unseren Mühlenfahrten immer so freuten, der da anfing, wo es bergab geht. Dort setzten wir uns ins Handwägelchen. Peter saß vorn, lenkte mit ausgestreckten Beinen die Deichsel, ich saß andersherum hinten, wo ich zur Not mit den Füßen über dem Boden bremsen konnte. Heißa, ging's bergab. Wir bekamen ein ziemliches Tempo, sahen schon unten links Richtung Pinten-Mühle die scharfe Kurve. Die müssen wir packen! Die Räder hoben sich auf der rechten Seite. Fast wären wir umgekippt, hätte ich mich nicht nach dieser Seite gelehnt und gegengehalten. »Gut reagiert!«, rief Peter mir sein Lob zu, dann knirschten die eisenbereiften Räder schon über das Pflaster vor der Mühle. Herr Finten, in seiner weißen Arbeitskluft, hob mahnend den Zeigefinger, als er uns kommen sah. Er kannte seit langem den gefährlichen Kinderspaß, wog das Mehl ab und lud es auf. Als es ans Bezahlen ging, suchte Peter vergeblich in seinen Hosentaschen. Nichts! Das Geld war weg. Es war wohl bei der scharfen Kurve ins dichte Gebüsch am Hang geflogen. Unauffindbar. Was war zu machen? Der Müller kannte meine Eltern gut, er wusste, dass sie stets bezahlten, also ließ er uns mit dem Mehl nach Hause fahren.

Doch der Schreck war groß für Mutter, als sie von unserem Pech erfuhr. Sieben Reichsmark! Das war eine Menge Geld. Vater erfuhr zum Glück nichts davon. Mutter hatte das verlorene Mehlgeld sicher an anderen Stellen wieder eingespart.