Wenn du mal in die Schloatt kommst

Peter Scheid, Bodenbach

Die Geschichte, die ich Ihnen heute erzählen möchte, hat sich in der Vorkriegszeit zu Bodenbach ereignet. Sie ist mündlich überliefert. Daher möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser bitten, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Die kleine Episode handelt von dem Ackerer Kaspar Zenzen und seinem Nachbarn, dem Schneidermeister Peter Schmitz. Kaspar Zenzen bewirtschaftete eine kleine Landwirtschaft. Er besaß zwei Felder und zwei Wiesen. Eine lag in der Schloatt (Flurname) am westlichen Ende der Gemarkung Bodenbach gleich an der Grenze zu Borler, eine sehr abschüssige Hanglage, die das Bewirtschaften mit einem Fuhrwerk kaum möglich machte. Seine zweite Wiese lag genau entgegengesetzt an der Ostgrenze, zur Rothenbacher Gemarkung hin auf dem Rinderstall (Flurname). Sie war zwar eben, wenigstens teilweise - doch um sie zu erreichen, musste er an der Wiese seines Nachbarn Peter Schmitz vorbei, ein sehr steil ansteigender oder abschüssiger Weg, je nachdem, von welcher Seite man ihn befuhr.

An einem schönen Sommertag im Heumonat hatte Kaspar Zenzen auf dem Rinderstall (Flurname) eine Fuhre Heu trocken. Deshalb spannte er seine beiden Kühe an den Wagen, um dieses heimzuholen. Nachdem er das Heu aufgeladen hatte, sicherte er seine Ladung mit einem »Wiesbaum«. Dieser wurde vorne am Wagen in die Heuleiter gesteckt und am hinteren Ende des Wagens mit einem Seil am Langfurt befestigt. Um die nötige Festigkeit seiner Ladung zu erreichen, zwirbelte er mit einem Knebel das Seil so lange, bis der Wiesbaum sich fest ins Heu drückte und somit ein Verschütten der Ladung vermieden wurde. Kaspar Zenzen machte sich auf den Heimweg. Er musste sich sputen, denn ein dumpfes Grollen am Himmel verriet ihm, dass ein Gewitter im Anzug war. Als er dann an seines Nachbarn Peter Schmitz' Wiese ankam - wir erinnern uns, wo der Weg sehr steil hinunter führte - verließ ihn sein Fuhrmannsmut. Weder wollte er sein Kuhgespann in Gefahr bringen noch war ihm daran gelegen, das Heu zu verschütten. Da kam ihm die erlösende Idee. Er lenkte sein Fuhrwerk auf Nachbar Schmitz' Wiese, zog eine große Schleife und kam so wohlbehütet am anderen Ende des Tals an. Schneidermeister Schmitz hatte schnell bemerkt, dass ihm da jemand im großen Bogen über seine Wiese gefahren war und somit das ganze Gras platt gewalzt hatte. Auch brauchte er nicht lange zu überlegen, wer diese Missetat begangen hatte. Daher stellte er den Missetäter gleich zur Rede. »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was fällt dir ein, mir mein ganzes Gras platt zu walzen, das lässt sich doch nicht mehr mähen!« Kaspar Zenzen entgegnete ruhig mit einem verschmitzten Lächeln: »Wenn du mal in die Schloatt kommen solltest, kannst du mir auch dadurch fahren.«