Tabakdose mit Ringelschwanz

Einst sprach unser Lehrer nach dem Morgengebet: »Hört zu, ihr Kinder, wie das oft so geht,

meine silberne Tabakdose ist fort; ich verlor sie gestern beim Gang durch den Ort.«

So sprach unser Lehrer, wir liebten ihn

und wetteiferten in dem fleißigen Bemühn,

die Dose schnell wiederzufinden,

aus ganz eigennützigen Gründen.

Am Nachmittag spielten wir auf der Gass'. Was glänzte da unter der Hecke im Gras?

Die Tabakdose, das gute Stück, und morgen kriegt sie der Lehrer zurück.

Da kam einer mit der Idee daher:

»Die Dose, die ist ja völlig leer.

Wir schlachteten gestern unser Schwein,

und das Ringelschwänzchen muss noch wo sein!«

Auch ich machte mit beim dummen Spiel

und hatte im Magen ein flaues Gefühl.

Anderentags in den Augen des Lehrers das Glück,

die schmerzlich Vermisste war zurück.

Er öffnete sie und es ward still,

im Magen verstärkte sich das flaue Gefühl.

Er ließ seine Augen durch die Reihen geh'n:

»Ich dank' euch für's Finden, das war schön.«

Und das war alles? Das kann's doch nicht sein,

kein Wort übers Schwänzchen von unserem Schwein.

Keine Strafe, worüber man sich beschwert...

Da war doch der ganze Streich nichts wert!

Viel später hörte ich, dass Hierzuland

ein Nichtsnutz wird »Sauringel« genannt.

Das hat von uns damals keiner bedacht,

und der Lehrer hat uns nie einen Vorwurf gemacht.

Zum Streichespielen fehlte mir stets das Talent,

es ist gut, wenn man's früh genug erkennt.

Derlei Aktivitäten beschränkten sich ganz

auf eine Tabakdose mit Ringelschwanz.

Thekla Heinzen, Feusdorf