Zehn Mark zuviel

Marianne Schönberg, Jünkerath

0 du schlechte Welt, Lug und Trug scheinen Geschwister, wer den Nachbar nicht täuscht, gilt als törichter Zeitgenosse und zwischenmenschliche Kontakte bleiben immer mehr auf der Strecke -armes, reiches Land. Weil dies aber nur die halbe Wahrheit ist und jede Medaille zwei Seiten hat, soll die andere - der Vollständigkeit halber - auch beleuchtet werden, zumal sich da Silberstreifen zeigen, die den Tag so richtig schön machen können - falls man sie sehen mag. Seit dem Ende der Tante-Emma-Läden kauf ich im Supermarkt meine Siebensachen - wo sonst?

Der Anlauf vor Jahren war recht problematisch, danach widerfuhr mir Wunderliches. Zuerst lief ich ein wenig unsicher durch die vielen Gänge, suchte, fand (oder auch nicht), fragte, wurde mehr oder weniger freundlich informiert... kein guten Morgen; schade.

Beharrliches Grüßen von mir trug Früchte, nach langem Mühen kam in meinem SB erstmals ein Gruß vom Verkaufspersonal; ich fand's wunderschön. Heute sind solche Kinderkrankheiten ausgestanden, da wünschen sich die Leute vom Dienst ein Wiedersehen, den Kunden einen guten Tag und... die Kasse. Seit langer Zeit leg ich meine Geldbörse offen hin, wenns ums Wechselgeld geht, sag... suchen Sie mal, ob was zu brauchen ist... und das trug mir kürzlich von der nachfolgenden Kundin - sie war mir unbekannt - eine Frage ein; ich hörte dazwischen Warnendes. Ob ich immer mit meinem Geld so freizügig umgehe? Keineswegs, aber ich weiß - oder meine zu wissen - wem ich vertrauen kann. Noch nie haben mich die Kassiererinnen betrogen. Das erzählte ich weiter und bekam zu hören, so einfältiges Verhalten sei purer Unsinn in einer Zeit, da sich jeder selbst bedient und gar nicht geniert, den Menschen neben sich übers Ohr zu hauen. Es geschähe mir schon recht, wenn ich mal ordentlich auf den Bauch fiele. Dann dies - vorab muss ich sagen, die Summe meiner Einkäufe überschlage ich im Gedächtnis. Wenn der Korb sehr voll ist, bleibt da ein Vakuum. Natürlich bekomme ich einen Kassenzettel, aber den lese ich - wenn überhaupt -erst zuhause und kleine Schwankungen fallen mir kaum auf.

Der Tag X in (m)einem Markt. An der Kasse sitzt eine junge Frau, sie ist neu, ich hab sie noch nicht oft gesehen. Nun erklärt sie mir eindeutig, sie habe mir gestern aus Versehen zehn Mark zu viel abgenommen, sich verrechnet, das bemerkt, aber ich sei eben schon weg gewesen. Sie bat um Entschuldigung, schob mir den kleinen Blauen übers Band. 0 du schöne Welt! Da gibts noch Menschen, die des ändern Geld und Gut respektieren, Verantwortung zeigen und dem Nächsten geben, was sein ist. Mein Vertrauen ist spontan aufgebaut - doch, ich weiß, wie zerbrechlich diese Pflanze ist, möchte sie hegen, ihr Wachstum fördern; weiß um mein Unvermögen gegen den Strom der Zeit. Und nun fragen Sie mich nach meinem Markt? Suchen Sie mal - vielleicht ist er ganz in Ihrer Nähe.