Heilige Quellen und Brunnen

- Kult und Mythos -

Hubert Pitzen, Stadtkyll

»Wasser ist FLO: Zwei Teile Wasserstoff, Ein Teil Sauerstoff. Und niemand weiß, was es ist.« D. H. Lawrence »Wasser ist das wertvollste Element in unserem Leben. Es ist ein Tänzer in mannigfaltiger Gestalt. Es bringt Geräusche in unterschiedlichen Tonhöhen hervor - leidenschaftlich, beruhigend und ätherisch. Die hypnotische Unschuld des Wassers verbirgt nichts, und trotzdem ist es ein Rätsel - voll von endlosen Assoziationen, heilig und profan, schöpferisch und zerstörerisch.« So schreibt A. L. Croutier im Vorwort ihres Buches »Wasser - Elixier des Lebens«. Was ist bloß dran am Wasser, dass wir etwa 65.000 Liter im Laufe unseres Lebens davon trinken? Wasser ist farblos und schmeckt nach nichts. Doch es läuft uns immer wieder über den Weg. Erst wenn das Nass nicht mehr da ist, merken wir, wie sehr es uns fehlt. Die Zeitschrift »Welt der Wunder« schreibt: »Wasser ist das Symbol des Lebens, denn ohne gäbe es überhaupt keins. Egal ob Pflanze, Tier oder Mensch - das Leben auf unserem Planeten braucht Wasser, sonst stirbt es. Die alten Griechen hielten es für den Urstoff, aus dem alle Körper bestehen. So ganz unrecht hatten sie damit nicht, denn der menschliche Körper besteht durchschnittlich zu 65 Prozent aus Wasser, ähnlich hoch ist der Anteil in der gesamten Flora und Fauna.« Zu alten Zeiten der Geschichte war das Wasser von existentieller Bedeutung für den Menschen. Es besaß spirituelle Kraft, und daher verehrte man Brunnen und Quellen. Bereits in antiker Zeit war das Wasser Quelle des Lebens und kosmischer Spiegel, der alles zurück zum Ursprung führte. Das Wasser als Spiegel des Universums drang in die Weltreligionen ein: »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser«, heißt es in der Bibel. Die Naturphilosophie sah im Wasser den Ursprung der Entstehungsprozesse des Lebens. Für Goethe war das Wasser DAS universelle Element, und Leonardo da Vinci forderte eine umfassende Methode zu seiner Erforschung. Die Stellen, wo das Wasser aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche drang, übten auf unsere Vorfahren einen eigenartigen Zauber aus. So erklärt es sich, dass man an Quellen und Brunnen geisterhafte Wesen verehrte. Quellen galten als Orte, worauf die Gottheit ihren Finger gelegt hatte. Die Brunnenanbetung wurde in unterschiedlichsten Weltreligionen zur alltäglichen Realität. So schrieb man den Quellen magische Eigenschaften zu und sah in ihnen den Wohnort von Wesen, die als Vermittler zwischen Göttern und Menschen fungierten. »Wo eine Quelle entspringt oder ein Wasser fließt«, erklärte der römische Philosoph Seneca, »dort sollten wir Altäre bauen und Opfer darbringen.« Ischtar, die babylonische Mondgöttin, war für Quellen und Fruchtbarkeit verantwortlich. Ihre Tempel lagen in diesen trockenen Gebieten oft in Grotten, deren Quellen den Ursprung des Lebens symbolisierten.

Die griechische und römische Mythologie hielt die Nymphen für übersinnliche Wesen. Sie waren göttliche Geister der Wälder, Flüsse und Gebirgsquellen, die die Erde mit Nahrung versorgten. Auch in der keltischen Mythologie waren die Gewässer von Geistern und Ungeheuern bewohnt. Diana wurde im elsässischen Niederbronn als Göttin der heiligen Brunnen verehrt. Noch heute tragen Frauen Wasser von Mineralquellen zu den nahegelegenen Bergen, wo sie es in kreisförmigen Mustern über die Steine gießen und den Wunsch nach Schwangerschaft äußern. Im Schweizer Kanton Aarau glaubten die Frauen, schwanger zu werden, wenn sie in der Quelle der Verena, einer Nachfolgerin der Diana, badeten. Wer Heilung von körperlichen Gebrechen suchte, nahte sich schweigsam der Quelle vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang. An mit Kränzen geschmückten Quellen legte man Opfergaben nieder. Wallfahrten machte man an heiligen Zeiten des Jahres, an denen das Wasser am heiligsten und heilkräftigsten war. Das Volk strömte an den berühmtesten Brunnen zusammen, deren Umgebung festlich mit Laub geschmückt war. Nach Trank- und Waschzeremonien Umschrift man dreimal den Brunnen.

Weissagung und Erforschung der Zukunft knüpfte man an die Beobachtung der Quellen und Gewässer. Bewegungen der Wellen, Töne aus der Tiefe, hoher oder tiefer Wasserstand und das vorübergehende Versiegen einer Quelle boten verschiedenartige Deutungsmöglichkeiten. Wenn sich im Ulmener Maar die großen Hechte zeigten, so starb nach der »Cosmographia« Sebastian Münsters ein Erbe des Hauses Ulmen. Als sich das Christentum durchsetzte, wurde die Quellenverehrung streng verboten. Doch da die Menschen sich an die überlieferten Bräuche weiterhin hielten, arrangierte sich die Kirche und gab dem Wasser eine neue christliche Weihe. An vielen Orten entstanden Kirchen, Kapellen und Altäre in der Nähe von Quellen. Nun waren es keine mythischen Wesen mehr, die man verehrte, sondern Kirchenheilige, die in Dürrezeiten ihren Stab in die Erde stießen, um dem Menschen und Vieh heilkräftiges Wasser zu verschaffen. Der Volksglaube vieler Kulturen verfügt über einen Quell der Jugend und Unsterblichkeit oder einen Brunnen der Erkenntnis. So wird zum Beispiel das Heilige Grab in der frühchristlichen Liturgie als Quelle des Lebens und der Auferstehung beschrieben. Das »shiwaja woda« (= »lebendiges Wasser«) der Slawen ist Weihwasser, das Tote zum Leben erwecken soll. Was als heidnische Tradition begann, wurde vom Christentum übernommen. Wir hören heute vom »lebendigen Wasser«, das die Kranken heilen, das Augenlicht wiederherstellen und zerstückelte Körper zusammenfügen kann. Besondere Heilkraft hatte das Wasser am Fest Johannes des Täufers (24. 6.). Petrarca (1304-1374) schildert folgendes: Als er am Johannistag, den er in Köln verbrachte, den Rhein aufsuchte, sah er die Ufer des Flusses mit Scharen von Frauen besetzt, die mit Blumen bekränzt ihre Arme in den Strom tauchten und dabei Gebete murmelten. Von heiligen Quellen im Eifelraum berichtet J. Dietz im Eifelvereinsblatt: »Die Willibrordusbrunnen: Nach St. Willibrordus, der in der Basilika von Echternach ruht, sind viele Quellen der Eifel benannt, noch mehr in Luxemburg. Auf seiner Reise von Utrecht nach Echternach kam der hl. Missionar nach Ederen (Kreis Jülich) und dann nach Kirdorf (Kreis Bergheim). An beiden Orten segnete er die Brunnen. Später errichteten die Bewohner da selbst eine Kapelle. Bei Neuenhausen auf dem Weichenberg stand ein Tempel des Götzen Walchus, dessen Bild vier Arme und vier Beine gehabt haben soll. St. Willibrordus zerstörte furchtlos das Götzenbild. In der Mitte des Berges entsprang auf sein Gebet ein Brunnlein, dessen Wasser alljährlich gesegnet wird. Bei seiner Wanderung durch das Waldland der Eifel ließ er sich in Lommersweiler bei St. Vith nieder und lehrte das Volk. Allda grub er auch selbst einen Brunnen, der noch heute »Wölwertsborn« genannt wird. Dann ging er in die Gegend von Prüm und baute da, wo das Dörfchen »Wolwert« steht, ein Häuschen. Auch in Weinsheim wird ein von ihm errichtetes Gebäude »Wolwerts« genannt. Ebenda trieb er in den Fels einen Brunnen... Als der Heilige in der Schneifel das Evangelium predigte, hörten die Bewohner nicht auf ihn. Beim Abschied stieß Willibrord seinen Stab auf die Erde und rief: »Da sollt ihr leiden.« An derselben Stelle trat ein Quell hervor. Der Ort aber erhielt nach seinem Wort den Namen Daleiden. Später entstand auch hier neben dem Brunnen eine Kapelle. Wallfahrer aber besuchten

 

seit alters den Heilquell und waschen mit dem Wasser den Kindern, die an Wildfeuer (=Kopfausschlag) leiden, den Kopf...

Die Quirinusbrannen: Der Märtyrer St. Quirinus wurde gegen Kropfleiden, Geschwüre und Blattern angerufen. So wird alljährlich am 4. Sonntag nach Ostern die Heilquelle St. Quirin im Petrustal (bei Luxemburg) gesegnet und ihr Wasser zur Heilung der genannten Krankheiten verwandt. Im nördlichen Vorland der Eifel wird der Heilige vor allem bei Pferdekrankheiten angerufen. In Neuß und Umgebung, in Sistig und Melaten bei Aachen wurden ehedem die Pferde mit Quirinswasser getränkt, ja die Fuhrleute führten auch während des Jahres ihre Pferde dorthin. Der St.-Helena-Brunnen bei Euren: Nach St. Helena, der Mutter Kaiser Konstantins, ist der Brunnen bei Euren genannt. Von ihm berichtet die Legende:

Daselbst stand vor Zeiten ein Palast St. Helenas. Als er schon lange in Trümmer gesunken war, spielten einmal Kinder an einem Quell im Wald. Als sie Blumen ins Wasser warfen, da sahen sie tief im Born eine Jungfrau mit güldener Krone sitzen. Sie lächelte den Kindern freundlich zu.

Erschrocken liefen diese fort und erzählten es ihren Eltern. Und nun strömte das ganze Dorf zu dem Brunnen und sah die Jungfrau im Wasser. Da sagten die Alten: Das ist St. Helena! Darauf schleppten sie Steine von den Trümmern des Palastes herbei und erbauten in der Nähe des Borns eine schöne Brunnenfassung. Als das Werk fertig war und man das Wasser dorthin führte, kehrte es immer zu seiner alten Stelle zurück. Erst als eine Prozession dreimal um den Brunnenkranz gezogen war und der Pfarrer ihn gesegnet hatte, blieb das Wasser dort... Der St. Edeltrudis-Brunnen in Niederöfflingen: Im Osten von Niederöfflingen liegt der St. Edeltrudis-Brunnen. In seiner Nähe lebte vor Zeiten St. Edeltrudis, Tochter des Königs von Ostangeln. In Einsamkeit und Armut sang sie mit ihren Gefährtinnen Gottes Lob bei Tag und Nacht. Ihr treuer Begleiter war St. Wilfried. Eines Tage fehlte es in der Klause an Wasser. Da stieß der Heilige mit seinem Stabe in die Aschengrube. Siehe, da entsprang dem Boden ein Born, dessen Wasser aschgrau war. Das Wunder wurde bekannt. Durch Jahrhunderte wallten am Feste des Heiligen (23. Juni) die Bewohner der Umgegend zu dem heiligen Born. Wer kranke Augen hatte, wusch sie unter dem heiligen Born, und mancher ward geheilt.« Eine Sage vom Grafen von Daun zeigt die besondere Bedeutung der Pferde bei der Quellenentstehung. Pferde waren in der Germanenzeit Wodan geweiht und wurden als heilige Tiere angesehen. »Als dem Grafen von Daun auf der Jagd die Nachricht gebracht wurde, sein Schloß sei samt Frau, Kindern und Gesinde versunken, habe er ungläubig ausgerufen: »Das ist so unmöglich, als dass mein Falchert (falbes Ross), auf dem ich sitze, hier einen Born ausscharrt.« Doch das Pferd scharrte wirklich eine Quelle aus der Erde, die noch heute der »Falchertsborn« heißt. Sie sprudelt unweit Daun in der Eifel. Eine andere Sage berichtet, dass beim Bau der Kirche von Münstermaifeld zwei durstige Zugochsen bei großer Hitze eine Strecke fortliefen und eine Quelle ausscharrten, die man den St.-Severus-Born hieß.«

Wie bereits erwähnt, galt das Wasser im Frühjahr als besonders heilkräftig. Daher zog man in Prozessionen auch um das Pulvermaar bei Gillenfeld. Als sie einmal unterblieb, wurde das Maar sehr unruhig und drohte, das Land zu überfluten. Ein Hirte sah es, der zufällig in der Nähe Schafe hütete, und zog nun singend und betend mit seinen Schafen um den See, indem er als Fahne seinen Hut auf den Stock steckte. Daraufhin beruhigte sich das Wasser.

Literaturangabe:

Bründl G., Heilige Quellen im

Rheinland.

In: Eifelvereinsblatt 1937, Nr. 3

Croutier A. L., Wasser -

Elixier des Lebens.

München 1992

Dietz J., Heilige Quellen im Eifel-

land. In: Eifelvereinsblatt 1932,

Nr. 9/10