Der keltisch-römische Tempel

bei Horperath

und der Uesser Weihestein

Erich Mertes, Kolverath

Bei Horperath stand vor fast 2000 Jahren ein keltischrömischer Tempel, und im Pfarrsaal in Uess befindet sich der entsprechende Weihestein dazu. Beide drohen in Vergessenheit zu geraten. Das Jahr 2002 ist sicher ein gutes Datum, um die Ereignisse von damals im Heimatjahrbuch einem interessierten Leserkreis unserer Heimat noch einmal vorzutragen. Bisher ging man nur von Vermutungen aus: ob, vielleicht, möglicherweise, der Weihestein in Uess zum Tempel nach Horperath gehöre oder nicht. Inzwischen bestehen an der Zusammengehörigkeit keine Zweifel mehr, und die neuere Forschung liefert Beweise dafür.

In der Flur »An den vier Bäumen«, Gemarkung Horperath, wurde 1935 vom Landesmuseum Bonn ein kleiner Tempelbezirk untersucht. Innerhalb des 47 x 34 m großen, umfriedeten Bezirkes konnten damals ein Quadrattempel (4x4 m) und ein Rechteckbau (?) freigelegt werden. Das Fundmaterial datierte vorwiegend ins zweite bis frühe vierte Jahrhundert. Zu späteren Lesefunden gehören neben spätrömischer Keramik auch ein republikanischer Quinar (Q. Titius, 88 v. Chr. in Rom) und ein abgegriffenes As des 1./2. Jahrhunderts. An der Süd-Ost-Ecke des Tempelbezirks barg Oberlehrer Alfons Poss von Uess (1914-1991) in den Jahren 1955/1956 Reste mehrerer hallstattzeitlicher Brandgräber, Hallstattzeit C, etwa 700 v. Chr. Siehe Trierer Zeitschrift (TZ), 43./44. Jahrgang, 1980/81, S. 405-438, Rheinisches Landesmuseum Trier, e. m. Ill

Im Pfarrsaal der Kirche in Uess wird ein Weihestein (Votivstein) aufbewahrt, der über viele Jahrhunderte in Zweitverwendung als Tischplatte des christlichen Altares in Uess gedient hat. Die Übersetzung der römischen Inschrift lautet: »Zu Ehren des kaiserlichen Hauses weiht dem Gott Mercurius Excingiorix und der Rosmerta Caius Saturnius Viriaucus ein Opfer gern, freudig, wie es sich gebührt. Den Göttern schenkt er einen Tempel«. Die Römer waren den verschiedenen Religionen gegenüber tolerant, wenn diese sich nicht in ihre Politik einmischten und die römischen Gesetze achteten. Von dieser Toleranz ist der Uesser Weihestein ein beredtes Zeugnis. Er wurde den Göttern Mercurius (Merkur, römischer Gott des Handels) und den keltischen Gottheiten Excingiorigiatus und Rosmerta gewidmet. Von diesen keltischen Göttern und Göttinnen wissen wir heute so gut wie nichts mehr. Es gab eine ganze Reihe einheimischer Ortsgötter oder Götterpaare wie Mercurius und Rosmerta, schreibt Michael Zender als Herausgeber im Eifel-Heimatbuch 1924/1925,5. 138. Der ortsansässige Römer/ Kelte Caius Saturnius Viriaucus stiftete diesen Göttern der Kelten und Römer einen Tempel bei Horperath. Er mag ein pensionierter römischer Legionär gewesen sein (vielleicht ein Offizier?), es kann aber auch ein Handel treibender Kelte gewesen sein (vielleicht ein Viehhändler?), der die römische Staatsbürgerschaft hatte wie der heilige Paulus. Wir wissen es nicht. Jedenfalls war er kein armer Mann und konnte sich vor fast 2000 Jahren die Anlage eines Tempels bei Horperath leisten, um sein Seelenheil im Jenseits abzusichern. So ähnlich geschah es ja auch noch im christlichen Mittelalter. Warum aber soll der Weihestein in der Kirche Uess zum Tempel bei Horperath gehören?

Zunächst einmal, weil es naheliegend ist. Deutungen wie, »der Stein sei vom Transport aus dem Brohltal zur Mosel in Uess verblieben«, sind nicht nur zu weit hergeholt, ja, sie scheinen an den Haaren herbeigezogen zu sein. Niemand weiß, wer diese Mär in die Literatur eingebracht hat; sie ist aber sicher genauso falsch wie die Mär von den Schweden im Kreis Daun beziehungsweise in der kurtrierischen Eifel (siehe Heimatjahrbuch Kreis Daun 1986, S. 224 ff, e. m.). Unabhängig voneinander haben wissenschaftliche Untersuchungen eine Übereinstimmung ergeben: _L Die Eingangsformel des Weihesteins in der Pfarrkirche Uess I(n) h(honorem) d(omus) d(ivinae) ist erst seit der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts üblich, schreiben die Wissenschaftler im Bonner Jahrbuch 139/1934, S. 225. 2. Das Fundmaterial aus dem Tempel bei Horperath datierte vorwiegend ins 2. bis frühe 4. Jahrhundert, heißt es in der Trierer Zeitschrift (TZ) 1980/81, S. 417. Diese wissenschaftliche Übereinstimmung von Funden und Text ist eindeutig und wird durch weitere Bodenfunde im Bezirk des Tempels bei Horperath nur bereichert und ergänzt. Danach war also der Uesser Weihestein der Grundstein zum Tempel Horperath. Die Zusammengehörigkeit ist für den Verfasser so sicher wie die Vaterschaft in einer Familie.

Auch der Uesser Pfarrer Johann Schuster (1924-1937) war von der Zusammengehörigkeit von Tempel und Votivstein überzeugt. Er schrieb 1935 in der Ander-

Funde aus dem Tempelbezirk Horperath

 

Der Tempelbezirk bei Horperath ist noch von Steinen übersät. Das Foto stammt aus dem Jahre 1978.

nacher Volkszeitung: »...Auf der Höhe zwischen Uess und Horperath, wo die Flur im Banne Horperath zu den vier Bäumen genannt wird, will ein junger, heller Bauer (Anm.: = Josef Adams-Sicken) in diesem Frühjahr Neuland, bisheriges Ödland, umpflügen. Dabei trifft er Steine, Mauerreste im Boden, Ziegelstücke und Scherben. Er meldet es dem Beauftragten des Landesmuseums, Josef Krämer, Mayen. Unter der Leitung von Dr. Wagner, Koblenz legte man Grundmauern frei..., Kalkmörtel ist nicht verwandt worden., an der südlichen Wand war noch ein kleiner Anbau nach innen. Im westlichen Teil legte man im Innern die Grundmauern einer Zelle ganz deutlich frei... die Grundmauern einer

Römischer Weihestein im Pfarrsaal Uess. Er stammt aus dem Tempelbezirk Horperath und war den Göttern Mercurius Excingiorigiatus und Rosmerta gewidmet. Er diente als Altarstein in der Uesser Pfarrkirche (vgl. Alois Mayer/Erich Mertes, Geschichte, Kultur und Literatur der VG-Kelberg, Adenau 1993, S. 26, 54 ff.

 

zweiten Zelle entdeckte man auch, aber weniger deutlich. In der Nähe der ersten Zelle fand man im Boden eine ganz gut erhaltene, anscheinend keltische Matronenbüste der Größe von 0,15 m, dazu eine Venusstatue aus Ton, etwa doppelt so groß und gut erhalten; ferner eine Dianastatuette in derselben Größe... dicke Schiefersteine mit Nagellöchern lagen umher, ebenso auch eiserne Nägel (vergleiche Fundbericht des Museums). Alles weist hin auf eine Tempelanlage aus der Kaiserzeit.

Zur Erklärung dieser neuen Funde bietet vielleicht unser alter Altarstein wichtige Aufschlüsse. Im März 1900 erhielt unsere Pfarrkirche einen neuen Altar. Bei den Arbeiten ging der bisherige Altarstein entzwei. So wurde er beiseite gelegt. Aber weil der Stein eine Inschrift trug, hielt man ihn stets in Ehren. Im September 1933 kam Pater Adalbert Schippers aus Maria Laach hierhin, um die Kunstdenkmäler in dem neu erworbenen Teil des Kreises Mayen zu inventarisieren. Er verständigte Kustos Hagen in Bonn über den Stein. Mitten in diesen Opferstein hinein war dann später ein Reliquiengrab eingehauen, das mit einer Platte verschlossen war. Und auf diesem ursprünglich sicher heidnischen Stein haben dann die Christen bis um die Jahrhundertwende (Anm.: = 1900) das hl. Messopfer dargebracht. Die Entfernung zwischen unserer Pfarrkirche und der alten Tempelanlage dürfte etwa 1500 m betragen. So war es vorläufig wohl geboten, den alten Weihestein mit dieser Tempel anläge in Verbindung zu bringen. Wir können daher annehmen, dass der Tempel ein Heiligtum der Rosmerta und des Merkur Excingiorigiatus enthielt, und so unser Weihestein in der alten Tempelanlage einst einen besonderen Platz hatte, dass ein Gaius Saturnius diesen Tempel erbaut hat...«.

Nachbemerkung: Vergleichbare Tempelanlagen bei Barweiler, Gerolstein und Martberg bei Pommern wurden oder werden im Grundriss rekonstruiert. Die Anlage bei Horperath hat mit ihren vielen Funden und dem Weihestein in Uess gleiches oder vielleicht gar noch mehr zu bieten. Nur: woanders bringt man es geschichtsträchtig zum Ausdruck - und das breite Publikum interessiert sich dafür. Hier bleibt (leider) alles liegen und verödet immer mehr. Das ist sehr bedauerlich.

Literatur:

Bonner Jahrbuch 143/144, 1938/1939, Teil II. Trierer Zeitschrift 43./44. Jahrgang, 1980/81.