In Lissingen bestand schon sehr früh eine zentrale Wasserleitung, sie wurde von einer Wasserleitungsgenossenschaft betrieben, die im Jahre 1907 (Inschrift auf dem alten Hochbehälter) von der Gemeinde übernommen wurde. Da es keine Anschlusspflicht gab, viele Häuser über den eigenen Pütz verfügten, blieben sie ohne Wasserleitungsanschluss. Bei meinem Elternhaus, Prümerstraße 35 (früher Hauptstraße 39), befand sich neben dem Treppenaufgang ein solcher Pütz mit ausgezeichnetem, kühlen Wasser. Daher blieb auch unser Haus ohne Wasserleitungsanschluss. Der runde, gemauerte Brunnen war etwa sechs Meter tief und hatte oben einen Sandsteinabschluss. In dem vorderen, senkrecht stehenden Stein war eine kleine runde Vertiefung. Durch diese Führung wurde eine Holzstange von etwa drei Meter Länge, wo am Ende ein Eimer befestigt war, in den Brunnen herabgelassen und das Wasser nach oben gefördert. Dazu gehörte ein gewisses Geschick, da sonst die Stange gerne brach und samt vollem Eimer in den Brunnen fiel. Um Verschmutzungen von außen zu vermeiden, war ein Holzdeckel angebracht. Das kühle Wasser eignete sich vorzüglich zum Butterwaschen beim Herstellen von Butter und die gesamte Nachbarschaft benutzte das Wasser hierzu. Im Sommer wurden die Milchkannen der Molkerei im Brunnen gekühlt. Dabei konnte es passieren, dass eine halbvolle Milchkanne umkippte und die Milch in den Brunnen lief. Dann musste das gesamte Wasser mit einem Eimer ausgeschöpft werden. Eine Pumpe kannte man nicht. Im Winter befand sich vor dem Brunnen immer eine dicke Eisschicht, da das verschüttete Wasser sofort gefror. Das ganze Haus und das Vieh im Stall wurde mit Pützwasser versorgt. Im zweiten Weltkrieg fielen in unmittelbarer Nähe einige Fliegerbomben. Von diesem Tage an sank der Wasserspiegel und das Wasser versickerte im Erdreich. Da inzwischen Wasserklosett und Waschmaschine Einzug gehalten hatten, war im Jahre 1954 ein Wasserleitungsanschluss dringend erforderlich. Gerne denke ich an unseren alten Pütz zurück.