Der Eifelwald und seine Vögel

Heinz Hürth, Steffeln - Auel

Alle Menschen lieben mit Inbrunst den Wald, aber wenig sind ihm auch geistig verbunden, die unerlässliche Vorbedingung, um im Leben und Weben ihn zu begreifen. Da hört man einen Vogel im grünen Laub singen, über den Waldweg stürmt eine große Libelle wie ein Pfeil auf und ab, ihre herrlich bunten Farben schimmern und glitzern im Sonnenlicht und die Wanderer schenken ihr kaum einen flüchtigen Blick. Wer aber so seiner Wege geht, ohne alles Naturwissen, dem bleibt der Wald stumm, wie viel tönig es auch in ihm klingen mag. Kein Tier erzählt ihm seine Geschichte ins Ohr. Niemand kann die Harmonie, die Erhabenheit und Schönheit des Waldes mehr empfinden als ein Mensch, der jeden Spaziergang bewusst mit Augen und Ohren erlebt. Ein lauter Vogelruf, der manchen Wanderer erschrecken kann, ist der des Schwarzspechts; KLIÄH, KLIÄH, langgezogen, die zweite Silbe leicht abgesenkt. Mir erklang der Ruf kürzlich aus der Nähe und bald danach kam der größte Spechtvogel unseres Waldes, mattschwarz gefiedert, in Sicht, flog eine alte Kiefer an; ein Männchen, von vorn bis hinten leuchtet sein Scheitel scharlachrot - die gleiche Zier ist beim Weibchen nur am Hinterkopf zu sehen. Kaum hatte er mit seinem Schnabel dem borkigen Stamm ein paar Hiebe versetzt - wobei er auf den Schwanz gestützt ruckweise höher und höher hüpfte -streicht er auch schon mit KRIKRIKRIKRI ab und stürmte im welligen Flug davon. Er ist in Bergwäldern genau so zu Hause wie in der Ebene, es müssen nur für seine Zimmermannsarbeit genügend alte Bäume vorhanden sein, in denen er zum Schlafen und Nisten Höhlen bauen kann. Seine Lieblingsnahrang sind die Rossameisen, überwiegend im immergrünen Nadelwald zu finden. Er siedelt sich aber auch im Laubwald an, wenn Nahrang ausreichend vorhanden ist. Viel häufiger sieht man den großen Buntspecht, leicht zu erkennen am schwarz-weiß-gescheckten Rock, dem scharlachroten Nackenband. Das Weibchen hat einen schwarzen Nacken und purpurnes Aftergefieder. Dieser amselgroße Vogel ist besonders gut im Herbst und Winter an seiner Spechtschmiede zu beobachten, dort findet man eine Menge zerhackter Zapfen. Wie seine Verwandten sorgt er dafür, dass die Waldschädlinge Borkenbock und Rüsselkäfer nicht Überhand nehmen. Seine dünne, weit vorschnellbare Zunge mit widerhakiger, horniger Spitze befähigt ihn, die Larven und Puppen der Insekten aus ihren Löchern heraus zu ziehen. Andere Beute sind Puppen der NONNE, des Kiefernspinners, Kieferneule und -spannen Ein ganz anderer Waldbewohner; behende wie Meisen, ebenso fleißig sucht er nach kleinen Insekten, mehr noch nach deren Eiern und Larven, Züftet beim Hüpfen von Zweig zu Zweig die Flügelchen und häkelt sich hier und da leise schaukelnd am äußersten Ende eines Zweiges fest - das Goldhähnchen. Er ist der Kleinste der Kleinen, noch zierlicher als der Zaunkönig, dem offenbar die Königswürde zu Unrecht verliehen wurde. Von der zum Titel gehörenden Krone ist bei ihm nämlich keine Spur zu sehen, beim Goldhähnchen hingegen schmückt ein goldgelber Scheitel den Kopf, beiderseits schwarz eingefasst und dessen Federn sind auch länger als seitlich. In der Paarungszeit sträubt sich das Männchen oft auf, um seiner Erwählten zu imponieren und ist dann wirklich ein REGULUS, ein KÖNIGLEIN. Das Röckchen beider Vögel ist dunkelgrün wie der Nadelwald, in dem sie zu Hause sind. Im Sommer leben sie vereinzelt in Baumkronen, im Winter kann man sie auch am Boden sehen. Dann suchen sie Anschluss an Meisengruppen, in deren Schutz sie sich durch ständiges ZISISI hören lassen. Sehr schön ist der kugelige Fichtenpalast, den sie sich im Mai aus Flechten und Moosen - mit Haaren und Raupengespinst untermischt - auf einem Fichtenzweig bauen. Das Zweigende, das als Untergrund dient, ist fest umschlossen; ein anderer Zweig überdeckt den Bau. Die Eier, acht bis zehn, sind nicht viel größer als eine Erbse und wiegen kaum dreiviertel Gramm. Das Sommergoldhähnchen hat den gleichen Lebensraum, kommt im Frühjahr zu uns, zieht aber nach der Brutzeit mit ihren Nachkommen in wärmere Gebiete. Nicht nur durch Beobachtung der Vogelwelt kann man Naturkenntniss erlangen, auch der Pflanzenwuchs ist des Sehens wert; Farne spielen eine hervorragende Rolle. Es gibt viele Beobachter, die finden sie reizlos, weil ohne Blüten; doch der Formenreichtum kann Naturfreunde durchaus überzeugen.

Fast tropisch mutet der Wald an, wenn die Sommersonne die Blätter oder Rispen der Farne vergoldet. Unterschiedlicher Waldboden, helle Lichtungen, Halbschatten oder dunkler Laubwald - überall finden einzelne Arten ihren Lebensraum. Die Mehrzahl der dreitausend Farnarten ist zwar in den Tropen zu finden, aber der einheimische Boden bietet mancher Sorte einen guten Standort. Adlerfarn wächst, wo die Lage ihm zusagt; im lichten Nadel- und Laubwald tritt er meist in großen Beständen auf, er bildet einen Wald im Wald. Der Königs- oder Rispenfarn ist unser größter und dekorativster. Auf besonders günstigen Standorten wird er bis einen Meter hoch und höher. Sehr häufig begegnen wir dem Wurmfarn, er stellt keine großen Ansprüche an Lage und Boden, ist der zäheste aller einheimischen Farne und wenn alle anderen durch Frost und Schnee im Winter vernichtet sind, kommt er noch lange in aller Pracht... Die Natur ist Meister aller Meister (Goethe).

Ein Jungvogel aus der Brut des Girlitz. Dieser kleinste Finkenvogel ist dem wilden Kanarienvogel nächstverwandter Sänger. Sein Ruf GIRLITT steht für den Namen.