Der Pastor war dagegen

Johann Himmes, Gerolstein

Es war im Kriegsjahr 1943. An einem herrlichen Sommersonntag machte die schulentlassende Jugend von Lissingen einen Ausflug mit der Deutschen Reichsbahn nach Bad Neuenahr. Dies an sich ist nichts Ungewöhnliches, jedoch in diesem Fall auch nichts Alltägliches. Anlass waren die vielen Hochzeiten in den vergangenen Kriegsjahren und der heute noch übliche Brauch, am Tage der Anmeldung des Brautpaares beim Standesamt, abends vor dem Haus der Braut die Glückwünsche der Jugend zu überbringen. Das geschieht mit einem »Ständchen« von bestimmten Liedern und dem sogenannten »Schleifen«. Nach der Gratulation durch den ältesten Junggesellen, zahlt der Bräutigam einen entsprechenden Obolus, der anschließend gemeinsam in einem Gasthaus verzehrt wird. Da es in der Kriegszeit keine vernünftigen Getränke gab, ein gemeinsames Essen nicht möglich war, hatte sich ein ziemlich hoher Geldbetrag angesammelt. Von diesem Geld sollte der Ausflug finanziert werden. Als verantwortlicher Erwachsener sollte uns der zur Zeit auf Genesungsurlaub weilende Soldat Hubert Hermes begleiten. Von unserer Seite her, war das alles gut durchdacht und geplant. Doch mit den Schwierigkeiten seitens des damaligen Pfarrers, Dechant Molter, hatte niemand gerechnet. Da damals sonntags die Christenlehre besucht werden musste, war eine Entschuldigung beim Pfarrer erforderlich. Diesen Auftrag hatten zwei Mädchen übernommen. Die Entschuldigung wurde auch angenommen. Auf eine letzte Frage des Pastors, ob die männlichen Jugendlichen auch mitfahren würden, antworteten die Mädchen mit »ja«. Das ergab nun plötzlich eine ganz andere Situation, mit der der Pastor nicht einverstanden war und grundsätzlich die Beteiligung an diesem Ausflug verbot. Das wurde der Jugend mitgeteilt, was diese mit großer Enttäuschung aufnahm. Gegen Abend besuchte der Pfarrer verschiedene Familien, um die Eltern auf die große Gefahr und Versuchung hinzuweisen. Einzelne Jugendliche durften daraufhin nicht mitfahren. Die große Mehrheit ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Am Sonntag besuchten wir gemeinsam den Sonntagsgottesdienst um sieben Uhr. Damit wir den Zug um acht Uhr verpassen sollten, schloss der Pastor die Kirchentüre zu. Es gelang uns trotzdem, den Zug Richtung Ahr pünktlich zu erreichen. Wir erlebten eine schöne Fahrt an der Ahr vorbei und einen herrlichen Tag in der Kurstadt Bad Neuenahr. Hier besuchten wir das Kurhaus und das Badehaus, wir bummelten durch den Kurpark und die schöne Stadt. Am späten Abend traten wir die Heimreise an und wurden in Lissingen freundlich empfangen. In der Sonntagsmesse hatte der Pastor von der Kanzel Eltern und Jugendliche beschimpft und den Teufel an die Wand gemalt. Auf die große Versuchung für die Jugend und die Verantwortung der Eltern hatte er nochmals hingewiesen.

Mit der Zeit beruhigte sich wieder alles und geriet in Vergessenheit. Heute kann man über den für das Seelenheil bedachten Pfarrer und die kurzsichtigen und besorgten Eltern nur noch lächeln.