Geschichte und Geschichten

Geschichte spielend erlebt

Historische Festwoche Hillesheim 2001

Hermann Meyer, Hillesheim

Aus der langen und abwechslungsreichen Geschichte des alten Städtchens Hillesheim standen im Jahre 2001 zwei bedeutende Perioden zur Erinnerung an:

550 Jahre: Augustiner-Eremiten-Kloster Hillesheim und 450 Jahre: Hillesheim - kurtrierische Stadt und Amt. Die Überlegung gemäß dem Motto »Gegenwart kann nur der verstehen, der die Vergangenheit kennt« war nun, wie kann Heimatgeschichte ins Bewusstsein der Bevölkerung gebracht und diese für die Vergangenheit interessiert und begeistert werden. Die Erfahrung, dass Sehen und Erleben einen tieferen und bleibenderen Eindruck hinterlassen als bloßes Hören, brachte die Organisatoren der Festwoche - Stadtchronist Hermann Meyer und Stadtführerin Felicitas Schulz - zu dem Entschluss, bedeutende Ereignisse oder Lebensgewohnheiten im alten Hillesheim jeweils in einem Spiel am »Tatort« anzubieten. So begannen die »Spiele der Historischen Festwoche« bei der feierlichen Eröffnung in der Stadthalle mit einem Dia-

Die Laienspielschar

 

log aus der Geschichte des Augustinerklosters. Die Stadtführerin kam mit Gästen an die Klosterpforte und bat den »Prior« um ein Interview, in dem die Gäste so manches über das Leben und das Schicksal des Klosters lernten. In einem weiteren Streitgespräch zwischen dem konservativen Prior und dem neuen modern eingestellten Schulpräfekten wurden damalige Probleme des 1759 durch Kurfürst Johann Philipp von Walderdorf neu eröffneten »Eifel-Gymnasiums« im Kloster erörtert. Eine Kurzvisite in einer Klasse von Pater Damian zeigte den desolaten Zustand der Schule und den niedrigen Leistungsstand der Schüler.

Die Texte, zusammengestellt von Hermann Meyer aus seiner Ortschronik »Hillesheim, die Geschichte eines Eifelstädtchens«, wurden aufgeführt von den Organisatoren selbst sowie Lehrern und Schülern der Augustiner-Realschule Hillesheim. In einem dritten Dialog zum Jubiläumsthema: 450 Jahre Hillesheim kurtrierisches Amt und Stadt erinnerten sich die Stadtführerin mit dem derzeitigen »Amtmann« Alfred Fitzen, wie im Jahre 1352 der Markgraf Wilhelm von Jülich dem Erzbischof Balduin von Trier »Stadt und Feste Hillesheim« verpfändete, das dann bis zur Säkularisation zu Kurtrier gehörte.

Am Sonntag, den 12. August eröffnete Stadtbürgermeister Matthias Stein im Rathaus eine Historische Ausstellung, die vom Stadtchronisten initiiert war. Gezeigt wurden Exponate aus dem Landesmuseum Trier aus der keltischen, römischen und fränkischen Zeit, liturgische Geräte aus der ehemaligen Klosterkirche, Original-Urkunde des Kurfürsten zur Eröffnung des Eifel-Gymnasiums vom 1759, Originalstich der Schlacht bei Hillesheim von 1705, sowie Stadtsiegel, Zunftsiegel, Klostersiegel und weitere Urkunden, Kopien, Zeichnungen, bilder, Fotos und Gebrauchsgegenstände des Mittelalters. Nachmittags erlebten die vielen Zuschauer am Zunftbaum auf dem Marktplatz, was »'Weiberwirtschaft - Die Frau im Mittelalter« bewirken kann mit dem Kurztheater: »Die Zunftmeisterin« von Felicitas Schulz. Die Witwe eines plötzlich verstorbenen Schneidermeisters, Mitglied der Hillesheimer Sebastiansbruderschaft, versucht mit weiblicher Diplomatie in der beherrschenden Männerwelt Ende des 15 Jahrhunderts mit Erfolg dem Schultheiß zu beweisen, dass auch sie als Frau berechtigt und befähigt ist, die Werkstatt weiter zu führen.

Das zweite Kurztheater, »Die Kräuterweiber« von Felicitas Schulz, handelte von über Land ziehende Kräuterweiber, auch »Buckelapotheken« genannt, die für jedes Wehwehchen bei Tag und Nacht eine Salbe, Tee oder Heilkraut bereit haben. Beide Theaterstücke, die von einheimischen Laienspielern dargestellt waren, ernteten großen Beifall. Am Montag ging es mit dem Planwagen zur »Schwedenschanze«, wo bei Kartoffelfeuer, Grillen und Kurzweil wiederum viele Familien mit Kindern zusammengekommen waren. Die Theatergruppe Kerpen versetzte die staunenden Zuschauer in einem gekonnten Sketch in die Zeit, als die »Schromper« in die Eifel kam.

Eine Wanderung durchs Bolsdofer Tälchen am Dienstag führte zahlreiche Wanderer in die »Alte Schmiede« in Bolsdorf, wo fleißige Frauen Schmaus und Trank bereit hielten. Unterwegs galt es, Wildblumen und Heilkräuter zu sammeln, um sie am Mittwoch, Maria Himmelfahrt, segnen zu lassen. Bei diesem feierlichen Gottesdienst, zelebriert von Pfarrer i.R. Hermann Meyer, umrahmt von mittelalterlicher Musik auf mittelalterlichen Instrumenten und dem Kirchenchor stellten acht Frauen in mittelalterlichen Gewändern die Heilkräuter vor. Recht lebhaft ging es zu auf dem historischen Handwerkermarkt mit Heerlager, Schwertkämpfen, einem Kinder-Ritter-Turnier, dem Marionettentheater, mit Gauklern, Musikanten und mittelalterlichem Alltagsleben. Der Höhepunkt der Festwoche begann mit einem Festgottesdienst am Sonntag an der Historischen Stadtmauer im Gedenken an das segensreiche Wirken der Augustinerpatres während 550 Jahren. Pfarrer i.R. Hermann Meyer zelebrierte, und zwölf Lektoren in weißen Gewändern, der Kirchenschweizer, die Choralschola des Kirchenchores, der Männergesangverein und die Musikkapelle standen um den Altar. Aufmerksam lauschten die über tausend Besucher der Festpredigt des Augustiner-Priors Dr. Michael Wernicke aus Hausen und waren tief beeindruckt von der Feierstunde bei strahlender Sonne. Am Nachmittag wurden zwei Freilicht-Theaterstücke am »Tatort« Stadtmauer uraufgeführt: »Der Hexenprozess Anno 1630« und »Der tapfere Schmied von Hillesheim«. Im ersten Spiel galt es, ein unrühmliches Kapitel europäischer und deutscher Geschichte, die auch in unserer Stadtgeschichte Spuren hinterließ, objektiv, ernsthaft und historisch aufzuarbeiten. Den Besuchern sollte durch dieses Spiel buchstäblich vor Augen geführt werden, in welch geistige Verirrung und Unmenschlichkeit die Menschheit geraten kann, wenn Intoleranz, religiöser Fanatismus, Fundamentalismus, Aberglaube und Machtstreben den Menschen beherrschen. Über 2000 Besucher waren ergriffen und tief beeindruckt von der schauspielerischen Leistung der »Hexe« Anita Niesen-Kuhl und dem nach historischen Vorlagen geführten Prozess am »Tatort« Hexenturm durch Hillesheimer Laienspieler einschließend Bürgermeister Pitzen. Lang anhaltender Beifall belohnte die Akteure und den Autor und Regisseur Hermann Meyer. In dem zweiten Theater erlebten die vielen Besucher das Nachspielen eines Kampfes an der Stadtmauer, wo nach der historischen Vorlage die »'Lotharmger« 1647 einen Angriff auf die Stadt machten, der aber durch die tapfere Gegenwehr der Hillesheimer Bürger und unter Verlust von 300 Mann abgewehrt wurde. Dabei soll sich der Legende nach der Schmied von Hillesheim besonders ausgezeichnet haben, wurde aber selbst erschlagen. Zehn Schwertkämpfer der »Rheinischen Waffengilde Köln« kämpften an der Stadtmauer und auf den Wehrgängen gegen die Hillesheimer Bürger. Die Frauen verbanden die Verletzten, die Feuerwehr löschte die brennenden Häuser, Schultheiß (Stadtbürgermeister Matthias Stein und Pfarrer) spornten zum Durchhalten an und ehrten den gefallenen tapferen Schmied. Glockengeläute und das gemeinsame Danklied: Großer Gott, wir loben dich, begleitet von den Turmbläsern beendeten das mit viel Beifall bedachte Schauspiel, das auch von Hermann Meyer getextet und inszeniert worden war. Ein »Wahnsinnserfolg«, so lautete das Urteil der Presse. Tausende Zuschauer, begeisterte Hillesheimer, talentierte Laienspieler, zufriedene Akteure und Schausteller, die uneigennützigen Dienste der Vereine, viel Lob für die Organisatoren, die mit viel Optimismus und Mut die Festtage durchführten. Ein Fest, das den Hillesheimern und Gästen noch lange in bester Erinnerung bleiben wird.